# taz.de -- Klimaprotest im Hambacher Tagebau: „Wer herkommt, blutet“
       
       > AktivistInnen von „Ende Gelände“ haben den Tagebau in Hambach besetzt.
       > Sie klagen über „unverhältnismäßige“ Härte der Polizei.
       
 (IMG) Bild: „Professionell“, sagt der NRW-Innenminister – „sehr heftig“, sagen die Organisatoren
       
       HAMBACH taz | Massiver Einsatz der Reiterstaffel, Pfefferspray auf
       friedliche DemonstrantInnen, dazu Faustschläge ins Gesicht: Nach den
       [1][Klimaprotesten um und im Braunkohletagebau Hambach bei Köln] am Sonntag
       klagen OrganisatorInnen und PolitikerInnen über Polizeigewalt. „Die
       PolizistInnen sind zum Teil einfach in die Menschen hineingeritten“, sagt
       ein Aktivist, der bei der Besetzung der Braunkohlegrube dabei war.
       
       Die Menschen seien von den von hinten kommenden Pferden überrascht worden,
       so der 27-Jährige. Manche sitzende AktivistInnen seien von PolizistInnen am
       Kopf hochgezogen worden, anderen sei mit der Faust ins Gesicht geschlagen
       worden, „obwohl es überhaupt keine Gegenwehr gab“.
       
       Der Tagebaubetreiber RWE nannte den Polizeieinsatz wie wortgleich auch
       Nordrhein-Westfalens CDU-Innenminister Herbert Reul „professionell“. Zwar
       seien „Bagger und Bandanlagen stillgesetzt“ worden – „Auswirkungen auf die
       Stromproduktion“ hätten die Proteste aber nicht gehabt.
       
       Die vom Bündnis „Ende Gelände“ organisierte Aktion war Teil vielfältiger
       Proteste im Vorfeld der Weltklimakonferenz, die am Montag in Bonn begonnen
       hat. Die aber bleibe eine „Farce“, solange im rheinischen Revier massiv
       Braunkohle verstromt werde, sagt „Ende Gelände“-Sprecherin Janna Aljets.
       
       Der Stromkonzern RWE verheizt dort täglich rund 250.000 Tonnen Kohle – und
       hat dabei allein 2016 rund 80 Millionen Tonnen des für die Erderwärmung
       sorgenden Treibhausgases Kohlendioxid in die Atmosphäre geblasen. Für rund
       zehn Prozent des deutschen Co2-Ausstoßes sind allein die rund um die
       rheinischen Tagebaue Hambach, Garzweiler und Inden liegenden vier
       RWE-Großkraftwerke Neurath, Niederaußem, Weisweiler und Frimmersdorf
       verantwortlich.
       
       ## „Ich weiß nicht, ob das Pferd durchgedreht ist“
       
       Am Sonntag hatte „Ende Gelände“ deshalb zu einer Demonstration aufgerufen,
       an der nach Schätzung der Veranstalterinnen mehr als 4.000 Menschen
       teilnahmen und die von der Polizei zunächst friedlich begleitet wurde.
       Nachdem KlimaaktivistInnen jedoch bei dem Versuch, die bis zu 95 Meter
       hohen Braunkohlebagger zu besetzen, in den Tagebau geklettert waren, sei es
       zu einem „unverhältnismäßigen Einsatz“ der BeamtInnen gekommen, sagt
       Aljets.
       
       Ab etwa 16 Uhr, als nach wolkenbruchartigen Regengüssen kaum noch Presse
       und BeobachterInnen anwesend gewesen seien, sei die Polizei auch „sehr
       heftig“ mit Schlagstöcken und Pfefferspray gegen die DemonstrantInnen
       vorgegangen.
       
       Diese Perspektive auf den Einsatz der Polizei bestätigt Lorenz Gösta
       Beutin, Bundestagsabgeordneter der Linkspartei, der AktivistInnen bis in
       die Grube hinein begleitet hat. Der Einsatz der Reiterstaffel sei „massiv
       und offensiv“ gewesen, ein Pferd habe einen Menschen überritten. „Ich weiß
       nicht, ob das Pferd durchgedreht ist, aber wir hatten den Eindruck, dass es
       auch direkt auf den Menschen drauf getreten ist“, sagte Beutin. „Meiner
       Einschätzung nach gab es überhaupt keinen Anlass, so hart vorzugehen.“
       
       Eine andere Abgeordnete der Linkspartei, die nicht als Beobachterin,
       sondern als Teilnehmerin vor Ort war, hat selbst Pfefferspray ins Gesicht
       bekommen. „Wer herkommt, blutet“, habe ein Polizist DemonstrantInnen
       zugerufen, so die Parlamentarierin Sabine Leidig.
       
       ## „Zu jeder Zeit friedlich“
       
       Die ProtestlerInnen seien dagegen „zu jeder Zeit friedlich“ geblieben,
       bestätigt auch die grüne Landtagsabgeordnete Imke Byl, die als Beobachterin
       aus Niedersachsen angereist war: Die Polizei habe dagegen „eine Eskalation
       und Gefährdung aller Anwesenden in Kauf genommen und in unangemessener
       Weise agiert“, sagt Byl.
       
       Wie viele Menschen genau in den Tagebau Hambach gelangt sind, blieb auch am
       Montag zunächst unklar. Das Bündnis „Ende Gelände“ schätzt ihre Zahl auf
       3.000 und mehr – die zuständige Polizei in Aachen spricht von „circa 1.000
       Personen“, die sich „widerrechtlich“ Zutritt verschafft hätten. Diese seien
       zwar zunächst festgesetzt, nach Feststellung ihrer Identität aber noch am
       Sonntag wieder freigelassen worden, so Polizeisprecherin Petra Wienen
       gegenüber der taz.
       
       Allerdings werde gegen die Tagebau-Besetzer wegen Hausfriedensbruchs
       vorgegangen. Beim Versuch, eine Polizeikette im Tagebau zu durchbrechen,
       sei einem Beamten zudem die Hand gebrochen worden. Ein weiterer Polizist
       sei gebissen worden.
       
       Janna Aljets von „Ende Gelände“ berichtet dagegen, dass knapp 100 Leute in
       zwei Gefangenensammelstellen nach Aachen und Linnich gebracht worden seien.
       Bis auf eine Person seien aber alle wieder auf freiem Fuß. Was ihr
       vorgeworfen wird, war am Montagnachmittag noch unklar. Fragen nach
       finanziellen Auswirkungen des Protests konnte eine RWE-Sprecherin am Montag
       nicht beantworten. Den AktivistInnen drohte der Konzern trotzdem mit
       „straf- und zivilrechtlichen“ Folgen.
       
       6 Nov 2017
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Protest-vor-der-Weltklimakonferenz/!5457763
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Wyputta
 (DIR) Patricia Hecht
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Ende Gelände!
 (DIR) Braunkohle
 (DIR) Schwerpunkt Klimaproteste
 (DIR) RWE
 (DIR) Herbert Reul
 (DIR) Klimakonferenz COP23
 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
 (DIR) Grüne Niedersachsen
 (DIR) Bergbau
 (DIR) Schwerpunkt Ende Gelände!
 (DIR) Schwerpunkt Hambacher Forst
 (DIR) Schwerpunkt Hambacher Forst
 (DIR) Schwerpunkt Hambacher Forst
 (DIR) Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
 (DIR) Braunkohle
 (DIR) Klima
 (DIR) Klimakonferenz COP23
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Streit um Politiker-Reise: Oh, wie schön ist Kanada
       
       Der niedersächsische Umweltausschuss will nach Kanada reisen. Die Grüne
       Imke Byl sieht keine inhaltlichen Gründe dafür und moniert den
       klimaschädlichen Langstreckenflug.
       
 (DIR) Bergbauschäden in NRW: Am Ende blecht der Steuerzahler
       
       In Nordrhein-Westfalen sind tausende Schächte und Stollen
       einsturzgefährdet. Ihre Stabilisierung wird hunderte Millionen Euro kosten.
       
 (DIR) Ende-Gelände-Aktivistin über die Zukunft: „2040 haben wir das Klima verheizt“
       
       Weil sich die Bilder von Tagebaubesetzungen langsam abnutzen, diskutieren
       die Aktivisten von „Ende Gelände“ neue Aktionsformen. Ein Gegner ist die
       Autoindustrie.
       
 (DIR) Kommentar Braunkohle-Proteste: Ihr seid Helden
       
       RWE lässt die Waldbesetzer im Hambacher Forst aus ihren Baumhäusern zerren.
       Warum die ÖkokämpferInnen trotzdem siegen werden.
       
 (DIR) Gerichtsurteil nach BUND-Klage: Hambacher Forst vor Räumung
       
       Der Hambacher Forst darf gerodet werden, um darunter nach Kohle zu graben.
       Das entschied das Kölner Verwaltungsgericht.
       
 (DIR) Aktivistin über Hambacher Forst: „Wir bunkern Essen im Baumhaus“
       
       Eine Aktivistin erklärt, wie sich der Hambacher Forst auf die Räumung
       vorbereitet. Doch auch danach soll der Widerstand gegen RWE nicht enden.
       
 (DIR) Polizeipferd trampelte auf Klimaaktivistin: „Die Polizei war offenbar überfordert“
       
       Ein Video zeigt, wie ein Polizeipferd auf eine Aktivistin von „Ende
       Gelände“ tritt. Der Gruppe zufolge verbreitet die Polizei Falschmeldungen
       über das Ereignis.
       
 (DIR) Kommentar „Ende Gelände“: Brücke ins Bürgerliche
       
       Der Klima-Protest im Tagebau Hambach war auch deshalb erfolgreich, weil die
       Unterstützung in anderen Milieus wächst.
       
 (DIR) Protest vor der Weltklimakonferenz: Multilingual in die Grube
       
       Internationale KlimaaktivistInnen besetzen zu Tausenden eine Kohlegrube. Es
       ist die größte gelungene Blockadeaktion.
       
 (DIR) Vor Beginn der Klimakonferenz in Bonn: Zügig zum Klimaschutz
       
       25.000 demonstrierten in Bonn für den Kohleausstieg. Und 200 kamen mit der
       Umweltministerin per Sonderzug zur Klimakonferenz.