# taz.de -- Kommentar Kevin Spacey: Kein Fall für Empörungstiraden
       
       > Der Schauspieler Anthony Rapp sagt, er sei als 14-Jähriger von Kevin
       > Spacey bedrängt worden. Der entschuldigt sich. Warum staunen jetzt alle?
       
 (IMG) Bild: Der Schauspieler Kevin Spacey erinnert sich an nichts, entschuldigt sich aber für sein Verhalten
       
       Nein, das war nicht gut. Kevin Spacey hätte auf gar keinen Fall einen
       14-Jährigen um Sexuelles bedrängen dürfen. Dass die Avancen [1][nun
       öffentlich werden], von denen Spacey, damals 26, abließ, als der damals
       Pubertierende, der spätere Schauspieler Anthony Rapp, sich aus der
       Situation wand, ist auch ein #metoo. Anders gesagt: ein #hetoo.
       
       Ja, das heterosexuelle Publikum verdient Aufklärung: In der Tat ist es so,
       dass sexuelle Anbahnungen der unschönen, der gewalttätigen Art auch in der
       schwulen Welt vielleicht nicht gang und gäbe sind, aber doch vorkommen.
       Ebenso in der weiblich-homosexuellen Welt ist das kein No-Go: Jedes
       Frauengolfturnier ist zugleich auch ein lesbisches Event, und wer die sehr
       jungen Frauen als Groupies bemerkt hat und dem Gossip zu diesen Turnieren
       nur zu einem Zehntel traut, kann wissen, dass ältere Lesben aus der
       Perspektive sehr junger Frauen auch vor dem Coming-Out attraktive Idole
       sind.
       
       Die Unterstellung aber, in schwulen Kreisen passiere ebenso viel von dem,
       wofür in Hollywood Harvey Weinstein am giftigsten steht, ist falsch.
       Schwule Männer graben andere an, aber mit Gewalt hat das im Sinne des
       Strafgesetzbuches meistens gar nichts zu tun.
       
       Wenn jetzt ein erfolgreicher Schauspieler wie Anthony Rapp sagt, er sei als
       14-Jähriger vom damals 26-jährigen betrunkenen Kevin Spacey auf dessen Bett
       gehoben worden, der Jugendliche sich aus der körperlich mächtigen Geste
       heraus wand, woraufhin Spacey („House Of Cards“) von ihm abließ, dann darf
       man fragen: Woraus speist sich die Empörung, woraus das öffentliche
       Staunen?
       
       ## Rapp wollte nicht, Spacey ließ ihn in Ruhe
       
       Nun: Die Schutzaltersgrenze für Sexuelles liegt in den USA höher als in
       Deutschland heutzutage, mit der Volljährigkeit beginnen erst – auch für
       Schwule und Lesben – die Erlaubnisse zur Sexualität. Kevin Spacey hätte das
       nicht tun sollen. Wir, das Publikum, wissen allerdings nichts Genaues. Im
       Einklang mit Befunden der Sexualwissenschaft gelten 14-Jährige nach
       deutscher Gesetzeslage als voll zustimmungsfähig – ihnen wird die Fähigkeit
       zugestanden, sich gegen eine unerwünschte Einladung zum Sexualakt auch
       wehren zu können. Genau das hat Rapp getan. Und Spacey hat ihn gehen
       lassen.
       
       Zumal Spacey als ungeouteter schwuler Mann im heterosexuell geprägten
       Hollywood der damaligen Zeit auf Einverständnis hoffen musste, um durch den
       jungen Mann nicht erpressbar zu werden: Es war auch eine Zeit der Grauzonen
       in der schwulen Welt: Man war moralisch ohnehin aussätzig –, da kam es,
       unter Männern, nicht auf den Wortlaut der Gesetze an.
       
       Wie gesagt: Wir wissen nichts Präzises, und Geschichten, in denen Sexuelles
       eine (womöglich wechselseitig) ausnutzende Rolle spielt, haben einen Vor-
       und Nachlauf. Sie umfassen mehr als die letzten Sekunden der sexuellen
       Zuspitzung. Rapp ist inzwischen ein offen schwuler Schauspieler, auch ein
       Star; [2][Spacey schreibt, er könne sich an nichts erinnern.]
       
       Dass Spacey sich entschuldigt hat, ist für ihn richtig und für Rapp
       wichtig. Aber für Empörungstiraden eignet sich dieser Fall trotzdem nicht.
       
       30 Oct 2017
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.buzzfeed.com/adambvary/anthony-rapp-kevin-spacey-made-sexual-advance-when-i-was-14?utm_term=.rgMJyYY5Q2#.xxgKoAA0R3
 (DIR) [2] https://twitter.com/KevinSpacey/status/924848412842971136
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jan Feddersen
       
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