# taz.de -- Urteil zum Hausfriedensbruch: Schweine schützen ist nicht strafbar
       
       > Tierschützer steigen in eine Zuchtanlage ein, um Missstände aufzudecken.
       > Das Landgericht Magdeburg spricht sie mit einer mutigen Begründung frei.
       
 (IMG) Bild: Auch Schweine sollen nicht leben wie ein Hund
       
       FREIBURG taz | Hausfriedensbruch durch Tierschützer muss nicht immer
       strafbar sein. Wenn Aktivisten in Ställe eindringen, um von Behörden
       geduldete Missstände zu dokumentieren, ist das rechtmäßig. Zu einem
       entsprechenden Urteil von Anfang Oktober hat das Landgericht Magdeburg
       jetzt die schriftliche Begründung vorgelegt.
       
       Konkret ging es um zwei Vorfälle im Sommer 2013. Aktivisten von Animal
       Rights Watch stiegen in eine Schweinezuchtanlage in Sandbeiendorf (bei
       Magdeburg) ein. Sie hatten den Tipp bekommen, dass der Betreiber gegen die
       Tierschutz-Nutztierhaltungs-Verordnung verstoße. Tatsächlich konnten sie
       mit ihrer Kamera zahlreiche Verstöße dokumentieren, insbesondere zu schmale
       Kastenstände.
       
       Das ARD-Magazin Brisant veröffentlichte die Aufnahmen im November 2013. Zur
       gleichen Zeit erstattete Animals Rights Watch Strafanzeige gegen den
       Betreiber der Anlage und informierte das Landesverwaltungsamt von
       Sachsen-Anhalt. Eine sofort angeordnete Überprüfung durch die
       Veterinärüberwachung des Landkreises Börde bestätigte die Missstände.
       
       Die Tierschützer blieben nicht anonym, sondern bekannten sich zu ihrer Tat,
       weshalb die Staatsanwaltschaft sie wegen Hausfriedensbruch anklagte.
       Inzwischen wurden sie in zwei Instanzen freigesprochen, zunächst vom
       Amtsgericht Haldensleben, nun auch vom Landgericht Magdeburg. Vor allem das
       zweite Urteil im Oktober fand starke öffentliche Beachtung.
       
       ## Nothilfe rechtfertigte Straftat
       
       Die Richter am Landgericht gehen zwar davon aus, dass die Aktivisten mit
       dem Hausfriedensbruch eine Straftat begangen haben, doch habe es hierfür
       gleich zwei Rechtfertigungsgründe gegeben: Nothilfe zugunsten der Schweine
       und ein rechtfertigender Notstand. Im Ergebnis sei das Handeln der
       Aktivisten daher rechtmäßig gewesen.
       
       Das Landgericht kommt zu diesem Ergebnis mit vier mutigen Annahmen. Erstens
       stellt es Tiere und Menschen gleich. Für Nothilfe ist der Angriff auf
       „einen anderen“ erforderlich, für Notstand die Gefahr für „einen anderen“.
       Bisher gingen Rechtswissenschaft und Justiz ganz überwiegend davon aus,
       dass dabei ein anderer Mensch gemeint ist. Das Landgericht sieht das aber
       anders. Weil Tierschutz inzwischen im Grundgesetz als Staatsziel anerkannt
       ist, könne auch der Schutz von Schweinen in einer Notlage Straftaten
       rechtfertigen.
       
       Zweitens lässt es das Landgericht genügen, dass die Tierschützer vor ihrem
       Hausfriedensbruch einen Tipp erhalten haben. Eigentlich sind Nothilfe- und
       Notstandshandlungen nur dann möglich, wenn eine Notlage objektiv besteht.
       Niemand darf in fremde Häuser eindringen, um erst einmal nachzuschauen, ob
       dort vielleicht gerade jemand in Gefahr ist. Das Landgericht prüfte aber
       nicht, wie konkret die Hinweise auf Missstände waren. Selbst wenn die
       Angeklagten „kein fachkundig festgestelltes Wissen über das Bestehen einer
       Gefahr“ hatten, durften sie jedenfalls vom Bestehen einer Gefahr ausgehen.
       „Putativnotstand“ heißt das unter Juristen.
       
       Beim „rechtfertigenden Notstand“ kommt es – drittens – eigentlich darauf
       an, dass die Gefahr „nicht anders abwendbar“ ist. Naheliegend wäre es, bei
       Verstößen gegen Tierschutzrecht die Aufsichtsbehörden einzuschalten. Das
       Landgericht billigt den Aktivisten aber zu, dass dies entbehrlich war. Sie
       hätten nämlich „Erfahrungswissen“, dass Behörden nur reagieren, wenn eine
       Anzeige mit Beweisen wie Filmaufnahmen untermauert wird.
       
       ## „Erfahrungswissen“ anerkannt
       
       Viertens akzeptierte das Gericht auch, dass die Aktivisten erst zur
       Ausstrahlung der Fernsehsendung, also vier Monate nach Anfertigung der
       Aufnahmen, die Behörden einschalteten. Dies machte den Hausfriedensbruch
       nicht ungeeignet, um die Notlage der Tiere schnellstmöglich zu beseitigen.
       Schließlich habe das Aufarbeiten des Filmmaterials und die Erarbeitung der
       Strafanzeige entsprechende Zeit erfordert.
       
       Das Urteil des Landgerichts Magdeburg ist noch nicht rechtskräftig. Die
       Staatsanwaltschaft hat Revision eingelegt, über die das Oberlandesgericht
       Naumburg entscheiden wird.
       
       14 Nov 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Rath
       
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