# taz.de -- Die Wahrheit: Curry mit ohne Wurst
       
       > Hauptsache, Urlaub: Eine investigative Doppelreportage aus Goa und
       > Mallorca, aus dem Herzen und dem Arsch des Tourismus.
       
 (IMG) Bild: Pegel halten mit süßen Kopfschmerzmitteln ist des Urlaubstrinkers erste Pflicht auf Mallorca oder in Goa
       
       Fast 95 Millionen Deutsche fliegen jedes Jahr nach Mallorca, um ein paar
       Tage der Herrlichkeit zu frönen und ihr sauer Erspartes in günstige
       Sonnenbrillen zu investieren. Einer dieser Menschen ist Rainer Möller. Doch
       mit ihm hatte das Schicksal kürzlich seine eigenen Pläne.
       
       Es begann bereits beim Eintrinken am Flughafen Frankfurt. „Das letzte Bier
       muss schlecht gewesen sein“, meint Möller rückblickend ernüchert. Er ging
       verloren und schloss sich einer Gruppe junger Menschen an, die ihm das
       Abenteuer seines Lebens versprachen. „Kann ich ja nicht wissen, dass die
       damit nicht Malle meinen. Ich dachte in Deutschland starten alle Flieger
       nach Malle“, so der 53-Jährige.
       
       Möller, zurzeit unfreiwillig gestrandet mit einer Gruppe Rucksacktouristen
       im indischen Goa, bedeckt seinen Bierbauch lasziv mit einem halben Liter
       Sonnencreme. Wir treffen ihn an der Sunshine Bar. Ein kleiner Mann ist er,
       kaum groß genug, um über die Theken dieser Welt schauen zu können. Auf dem
       Kopf trägt Möller einen Schlapphut, das offene Hawaiihemd lässt wenig Raum
       für Fantasie. Weiße Tennissocken und Adiletten verdeutlichen zusätzlich
       seine Könnerschaft. Kurz: ein Outfit, das ihn auf Mallorca als erfahrenen
       Partygast markieren würde. Zwischen den Rucksacktouristen in Leinenhemden
       und Haremshosen wirkt Rainer Möller mit seinem Plastikrollkoffer jedoch wie
       ein Fremdkörper.
       
       ## Halber Liter Sonnencreme
       
       Der gelernte Fachmann für Getränketechnik erinnert sich an die Anreise:
       „Kaum raus aus dem Flieger galt natürlich: Pegel halten! Hab mit den Jungs
       bei so einem Knilch ein Bier gekauft. Pisswarm war die Plörre, kriegt kein
       Mensch runter. Chai Tee nannte der das!“ Dass seine neu gewonnenen
       Reisebegleiter die fragliche Mische auch noch guthießen, machte den
       Kulturschock für Möller perfekt.
       
       Der kleine Mann kriegte Hunger. „Die sprechen hier nicht mal deutsch. Aber
       Curry haben die verstanden.“ Was er dann vorgesetzt bekam, ließ den sonst
       so frommen deutschen Staatsbürger vom Glauben abfallen. „Stellt der mir so
       eine Pampe mit Reis dahin. Reis! Das muss man sich mal vorstellen. Wo ist
       die Wurst? Was ist mit Pommes?“
       
       Kurz: Ein enttäuschender Urlaubsbeginn für Möller in Goa, doch das Hostel
       bietet anfangs eine kleine Oase der Vertrautheit. „Wer hier mehr als zwei
       paar Socken dabei hat, gilt als Snob“, grinst Möller auf seinem
       Rattanhocker. Und wer als Snob gelte, müsse damit rechnen, nachts mit
       unbenutzten Reiseführern verdroschen zu werden. „Glücklicherweise hab ich
       immer nur drei Socken dabei. Zwei für die Füße, eine für den …“, zwinkert
       er.
       
       ## Ordentlich Notfallschnaps
       
       Auch auf dem Zimmer gilt für den Best-Ager in Goa wie auf Mallorca: Pegel
       halten. Dafür ist Möllers Rollkoffer stets gut gefüllt mit ordentlich
       Notfallschnaps. Als er den hiesigen Mitbewohnern vorschlägt, den Sprit zu
       vergemeinschaften, schauen diese nur verständnislos. „Die haben alle nur
       Klamotten dabei, Essen und Kochzeug. Richtige Survival Sets. Wozu frage
       ich, bei all inklusive?“, so Möller.
       
       Beim Thema „Events“ kommt der unfreiwillige Goa-Tourist noch mal in Fahrt.
       „Der eine Kerl meinte gestern was von Mamallapuram oder so, da gebe es
       vierzehn Tempel. Na ja, so ein ordentlicher Pub Crawl, hab ich mir gedacht,
       ist schon was Feines.“ Doch vor der Abfahrt wird Möller nach seinem
       Impfpass gefragt. „Junge, hab ich gesagt, ich war schon im Berghain auf
       Bumspartys, da warst du noch nicht mal flüssig. Das bisschen Syphilis haut
       doch keinen Elefanten um.“ Vor Ort sei es „Essig mit Drinks“ gewesen: „Nur
       Steinhaufen!“
       
       Der Plan ist klar bei Möller hier an der Sunshine Bar: Ab nach Hause – und
       zwar schnell. Per Rikscha begleiten wir ihn zum Flughafen von Goa. Vor Ort
       wird der nächste Direktflug nach Malle für ihn gebucht – ein Notfallservice
       macht es möglich, der für Malle-Partygänger von jedem Flughafen weltweit
       zur Verfügung steht. „Hätte ich das nur früher gewusst!“, rülpst Möller. Im
       Flugzeug dann die Erleichterung: Es gibt reichlich kaltes Bier, man spricht
       deutsch, der Pegel steigt mit der Nähe zum vertrauten Eiland.
       
       Gelandet auf Mallorca geht es direkt zu den Jungs im Bierkönig. Die sind
       seit Tagen so betrunken, dass sie Möllers Fehlen gar nicht bemerkt haben.
       Hauptsache, Urlaub.
       
       29 Nov 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Felix Bartsch
       
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