# taz.de -- Die Wahrheit: Herzhaftes im Brusteurant
       
       > Die meisten Kellner und Kellnerinnen sind um einen aufmerksamen Service
       > bemüht – selbst wenn man als Gast rot wie ein Pavianarsch wird.
       
       You can get anyything you want / at Alice’s Breastaurant / You can get
       anything you want / at Alice’s Breastaurant …“
       
       Huch, wie schnell ein kleiner Buchstabe eine ganze Bedeutung ändern kann!
       Arlo Guthrie hatte selbstredend damals nicht eine dieser
       Schnellrestaurantketten besungen, in denen die Kellnerinnen als Uniform
       Bikinioberteile und Hotpants tragen, sondern den Vietnamkrieg und die
       Bürokratie. Aber Sexismus ist das Wort der Stunde, und zu den
       dementsprechenden Etablissements, die es tatsächlich zuhauf in den USA gibt
       (Hooters, Bikinis Sports Bar & Grill), passt das ganz gut.
       
       Wie man hoch erhobenen Hauptes bei der Arbeit sein Fahrgestell zeigen kann,
       erklärte zudem John Waters schon vor fast zwanzig Jahren in seinem Film
       „Pecker“: Dort tanzen lesbische Stripperinnen nackicht in einer queeren
       Gogo-Bar, und motzen die geifernden Zuschauer an: „Don’t you look at my
       bush!“
       
       Neulich bediente mich, um beim Thema „aufmerksamer Service“ zu bleiben, an
       einer Kinotheke eine Kellnerin, die sich ebenfalls ins Zeug legte, um mich
       als treue Kundin an ihren Laden zu binden. Ich fragte: „Haben Sie Rosé?“,
       und sie sagte: „Leider nein. Aber ich kann Ihnen gern ein Glas aus Weiß-
       und Rotwein mixen!“ Und da sie auf mein spontanes und bewunderndes Prusten
       ob so eines gelungenen Kellnerinnen-Gags nicht reagierte, kam ich zu dem
       Schluss, dass es schon bierernst gemeint gewesen war.
       
       Das war allerdings auch das Liebevollste, das Kellner mir je zuteil werden
       ließen, wenn man mal von der Zeit absieht, in der ich dachte, das Herz, das
       die Barista einem in einer Kaffeestube auf den Milchschaum malen, sei
       persönlich gemeint, und mich daher nach jeder Bestellung mit
       hoffnungsvollem Blick an die Theke wanzte, nur um schon wieder von einem
       hartherzigen Bartträger abgewiesen zu werden.
       
       In einer Hipster-Kaschemme in Kreuzberg hatte ich vor einer Weile dafür
       ebenfalls ein Erlebnis: Ich setzte mich an einen leeren Vierertisch und
       wartete auf meine unpünktlichen Freunde. Plötzlich kam ein Mann, den sein
       Man Bun erstaunlicherweise nur wenig entstellte, und fläzte sich
       ungezwungen an denselben Tisch. Er holte das Handy raus, fing an, darauf
       herumzutippen, und als ich gerade überlegte, ob ich ihn wegschicken oder
       mein Glück versuchen sollte, fragte er: „What can I do for you today?“, und
       ich wurde rot wie ein Pavianarsch, weil ich so altmodisch war, einen
       Bestellblock und einen stehenden Kellner zu erwarten. Ich habe schließlich
       jahrelang selbst gekellnert, und weiß genau, wie einem abends die Hacken
       drücken.
       
       Wieso also nicht hinsetzen, chillen, Ellenbogen streicheln und das
       persönliche Gespräch suchen?! Die aktuelle Kellnergeneration ist
       schließlich – anders als meine damals – weder cool noch unfreundlich,
       sondern besteht aus freundlichen, gutherzigen, unironischen und schwer
       arbeitenden Millenials. Öffnet also eure Herzen und Portemonnaies. Tipping
       is not a town in China.
       
       1 Dec 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jenni Zylka
       
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