# taz.de -- Kampf um Parteivorsitz der Grünen: Das Personalkarussell dreht sich
       
       > Robert Habeck und Annalena Baerbock wollen für den Parteivorsitz
       > kandidieren. Ein Überblick über Machtoptionen.
       
 (IMG) Bild: Habeck (li), Kretschmann, Trittin, Kellner, Baerbock, Hofreiter unterwegs zu Sondierungsgesprächen
       
       Der Favorit – Robert Habeck:
       
       „Ich möchte gerne Bundesvorsitzender meiner Partei werden“, hat der
       48-jährige Vizeministerpräsdient von Schleswig-Holstein gerade im
       taz-Interview erklärt. Nimmt für sich in Anspruch, die Flügellogik von
       Fundis und Realos aufbrechen zu wollen. Gilt Linksgrünen jedoch als „Realo
       light“, zumal er in Kiel mit CDU und FDP koaliert. Hat trotzdem beste
       Chancen, weil beliebt bei Basis und Medien. Als Umwelt- und Agrarminister
       kompetent für grüne Kernthemen. Kleiner Haken: Will in circa einjähriger
       Übergangszeit Parteichef sein und Minister bleiben, was die
       Parteistatuten bisher verbieten. Verspricht neue grüne Dynamik: „Es liegt
       an uns, das Ding zu drehen.“
       
       Die Newcomerin – Annalena Baerbock:
       
       Die 36 Jahre alte Bundestagsabgeordnete tritt bei der
       Bundesdelegiertenkonferenz am letzten Januarwochenende ebenfalls als
       Parteichefin an. Sie profilierte sich während der Jamaika-Sondierungen im
       Verhandlungsteam der Grünen. Baerbock ist Reala. Trotzdem hat sie gute
       Chancen, mit Habeck das neue Duo an der Parteispitze zu bilden. Warum? Weil
       die Linken ein Personalproblem haben. Und weil Baerbock als Klimaexpertin
       auch bei Linksgrünen Ansehen genießt. Erstmals bekämen die Grünen ein
       Spitzenduo ohne Fundi.
       
       Die Ungeliebte – Simone Peter:
       
       Die 52-Jährige kam 2013 als neue Parteichefin nach Berlin. Alle Quoten
       erfüllt: Frau, linksgrün und mit Erfahrungen als Ex-Saar-Umweltministerin.
       Funktionierte in den Augen vieler trotzdem nicht. Mit Co-Parteichef Özdemir
       verbindet sie eine innige Feindschaft, die zwei neutralisieren sich
       gegenseitig. Sogar Linksgrüne finden, dass sie öffentlich oft unklug
       agiert hat. Sie will eigentlich dennoch wieder antreten: „Bisher sind wir
       gut mit der Quotierung nach Geschlechtern und Flügeln gefahren“, sagte sie,
       fügte aber hinzu, sie werde sich einer Erneuerung nicht in den Weg stellen.
       Vermutlich schwant ihr, wie schlecht die Chancen wären.
       
       Die Übernächste – Agnieszka Brugger:
       
       Nach den Jamaika-Sondierungen lobte Angela Merkel Brugger als „Kämpferin“.
       Fällt im Bundestag seit 2009 als ehrgeizige, top vorbereitete
       Verteidigungspolitikerin auf. Hat ihren Wahlkreis im
       katholisch-konservativen Oberschwaben. Leitet mit anderen das
       Fundi-Netzwerk „Grün.Links.Denken“. Eigentlich hätte Brugger gute Chancen,
       neben Habeck an die Parteispitze zu rücken, aber intern soll sie deutlich
       abgewinkt haben. Aber: Sie ist erst 32, vielleicht also später.
       
       Die Vorsichtige – Katja Dörner:
       
       Noch eine, die eigentlich ganz nach vorn könnte: Fraktionsvize im
       Bundestag, Fachfrau für Kinder-, Familien- und Seniorenpolitik, Mitglied im
       Parteirat. Auch im Jamaika-Sondierungsteam, danach von Özdemir hochgelobt.
       Kommt aus NRW, dem mitgliederstärksten Landesverband. Und ist dann auch
       noch linksgrün. Aber auch Dörner, 41, hat bisher Nein gesagt zu höheren
       Ämtern.
       
       Der Länderlinke – Sven Lehmann:
       
       Damit die Linksgrünen für ein Duo aus der Reala Baerbock und dem Realo
       Light Habeck votieren, müssen die Stimmen irgendwo herkommen. Linksgrüne
       Delegierte sind mitunter pragmatisch, sie kooperieren in Gemeinderäten
       schon mal mit CDU und FDP. Aber wenn sie zu Parteitagen fahren, sind sie
       misstrauischer. Um erstmals eine Doppelspitze ohne Fundi zu wählen, braucht
       es einflussreiche Linksgrüne wie den 38-jährigen scheidenden Chef des
       mächtigen Landesverbands Nordrhein-Westfalen.
       
       Der Rückversicherer – Michael Kellner:
       
       Wenn die Linksgrünen beim Parteivorsitz leer ausgingen, hätten sie immer
       noch Michael Kellner. Der Politische Bundesgeschäftsführer ist eine
       strategische Schlüsselfigur, er organisiert Wahlkämpfe und Parteitage.
       Manchmal fädelt er auch Personalentscheidungen ein, er unterstützte Simone
       Peter 2013. Heute könnte der 40-jährige Riese im Grunde selbst Parteichef
       werden, aber gegen Habeck hätte er keine Chance, und zwei Männer gehen
       nicht. Bleibt er eben Geschäftsführer.
       
       Der Abgesicherte – Anton Hofreiter:
       
       Hat gekämpft und geackert, um sich als Fraktionschef im Bundestag zu
       behaupten. Auf Wahlveranstaltungen brüllte der Linksgrüne lauter als alle
       anderen. Der 47 Jahre alte Botaniker ist ziemlich beliebt und hat grüne
       Themen wie Verkehr und Landwirtschaft im Griff. Deshalb ist seine Position
       sicher. Da Hofreiter eine zentrale linksgrüne Figur ist, müsste er ein
       Habeck-Baerbock-Duo als neue Parteispitze mittragen.
       
       Die Konkurrenzlose – Katrin Göring-Eckardt:
       
       Eigentlich erstaunlich: Als Spitzenkandidatin hat sie alle Wahlziele
       verfehlt, die Grünen sind wieder kleinste Oppositionsfraktion – und
       trotzdem hat Göring-Eckardt, 51, beste Chancen, den Fraktionsvorsitz im
       Bundestag zu behalten. Gut für die Reala, dass ihr Wahlergebnis von 8,9
       Prozent an noch schlechteren Umfrageergebnissen von vor der Wahl gemessen
       wird. Dann ist da noch das grüne Teamgefühl aus den Jamaika-Sondierungen.
       Und: Keine Reala mit Chancen fordert sie heraus.
       
       Der Abgeordnete – Cem Özdemir:
       
       Kürzlich ergab eine Umfrage, dass er beliebter ist als Angela Merkel. Aber
       was wird jetzt aus ihm? Den Parteichefposten gibt der 51-Jährige ab.
       Fraktionschef kann der Superrealo nicht werden, denn das ist schon ein
       anderer Mann: der Linksgrüne Hofreiter. Und den Realoplatz hält
       Göring-Eckardt. Wäre er als Nachfolger von Baden-Württembergs
       Minischterpräsident Winfried Kretschmann denkbar? Der wird eine Debatte
       darüber nicht zulassen. Bliebe vorerst: Abgeordneter, vielleicht mit
       Ausschussvorsitz.
       
       Der Altmeister – Jürgen Trittin:
       
       War Parteichef, Bundesumweltminister, Fraktionschef, Spitzenkandidat.
       Heute, mit 63, pflegt Trittin die Trennung von Macht und Mandat: Auch wenn
       er nur einfacher Abgeordneter ist, kann er Parteitage dominieren und
       linksgrüne Mehrheiten organisieren. In den Jamaika-Verhandlungen genoss er
       es, wenn Merkel ihm mal wieder recht gab. Vermutlich könnte er mit Baerbock
       und Habeck leben. Von Simone Peter hält er zumindest nicht viel.
       
       Der Uralt-Rocker – Joschka Fischer:
       
       Fischer, 69, ist draußen. Von außen predigt er ab und an noch das, was er
       selbst verkörperte: eine Spitze mit Machtanspruch. Nach der Bundestagswahl
       diktierte er dem Spiegel: „Es gibt aber neben der Sachfrage ein weiteres
       wichtiges Element, das ist die Machtfrage.“ Der Realo führte die Grünen
       1998 mit einem stark personalisierten Wahlkampf in die Regierung. Das
       schaffte nach dem Ende von Rot-Grün 2005 niemand mehr. „Jetzt kommt in
       allen Parteien die Playback-Generation“, sagte er damals der taz.
       
       12 Dec 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Georg Löwisch
 (DIR) Hanna Voß
 (DIR) Ulrich Schulte
       
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