# taz.de -- Debatte um Krippenpersonal: „Kinder brauchen verlässliche Bindung“
       
       > Schlechte Betreuungsschlüssel können für kleine Kinder gefährlich sein,
       > warnt Kathrin Bock-Famulla von der Bertelsmann-Stiftung.
       
 (IMG) Bild: Eine Fachkraft für drei Krippen-Kinder: Das sollte nach Willen der Hamburger Volksinitiative die Regel sein
       
       taz: Frau Bock-Famulla, was macht gute Kita-Qualität aus? 
       
       Kathrin Bock-Famulla: Es muss gute Personalbedingungen geben, ebenso genug
       Kapazitäten für Leitungsfunktionen. Das Personal muss gut qualifiziert
       sein, auch berufsbegleitend Entwicklungschancen haben und Supervision.
       
       In Hamburg fordert eine Volksinitiative in der Krippe eine Fachkraft für
       drei Kinder. Stimmt es, dass das auch Ihre Stiftung rät? 
       
       Ja genau. Wir empfehlen Personalschlüssel vor dem Hintergrund
       internationaler Studien. Damit benennen wir auch, für wie viele Kinder eine
       Fachkraft in der unmittelbaren pädagogischen Arbeit zuständig sein sollte.
       Das ist die Fachkraft-Kind-Relation. Aber darüber hinaus brauchen sie auch
       Zeit, um die Arbeit vorzubereiten, Bildungsprozesse zu dokumentieren oder
       Elterngespräche zu führen. Das ist wesentlich für gute Arbeit. Und wir
       müssen Zeit für Urlaub, Fortbildung oder Krankheit berücksichtigen. So
       sagen wir: Für Krippenkinder brauchen wir einen Personalschlüssel von eins
       zu drei.
       
       Real wären dann eine Person für vier Kinder da? 
       
       Ja. Genau. Die reale, im Alltag stattfindende Fachkraft-Kind-Relation läge
       bei 1 zu 4.
       
       Ist es international erforscht, dass dies so nötig ist? 
       
       Das ist sehr ernst zu nehmen. Es gibt Studien, die untersuchen, was
       passiert, wenn ein bestimmtes Zeitkontingent pro Kind nicht vorhanden ist.
       Der Fachkraft fehlt dann die Zeit, mit jedem Kind tatsächlich ins Gespräch
       zu gehen. Wir wissen aus der Forschung, dass das Sprachverhalten der
       Fachkraft sich dann ändert und sie den Kindern nur noch Anweisungen gibt.
       Sie kann nicht mit jedem Kind in den Austausch gehen, zum Beispiel ein Buch
       anschauen. Aber ein Kind muss kommunizieren, damit es seine Sprache
       entwickeln kann.
       
       Weitere Folgen? 
       
       Wir wissen, dass das Aggressionspotenzial der Kinder steigen kann, wenn
       eine Person zu viele Kinder betreut. Sie kann sich nicht mehr um die
       Anliegen der einzelnen kümmern. Ein Anteil der Kinder reagiert mit
       Aggressionen, weil sie sich nicht wahrgenommen fühlen. Das ist für die
       Gruppe insgesamt problematisch. Studien zeigen für verschiedene
       Entwicklungsbereiche, wie negativ sich das auswirkt. Kinder im Wickelalter
       brauchen eine erwachsene Bindungsperson.
       
       Schadet die Krippe dann? 
       
       Es kann entwicklungsgefährdende Situationen geben. Wenn Kinder zum Beispiel
       weinen und traurig sind und nicht getröstet werden, kann das dazu führen,
       dass sie glauben, sie sind verlassen, und keine Bindung zu einer Fachkraft
       aufbauen. Die Bindung zu den Eltern ist natürlich primär wichtig, aber die
       sind nicht da. Die Kinder brauchen eine verlässliche Bindung, weil sie sich
       in ihrem Lernfortschritt sonst deutlich schlechter entwickeln. Schlechte
       Betreuungssituationen haben Gefährdungspotenzial. Hinzu kommt noch: Wir
       haben bei Krippen immer längere Betreuung. Damit steigt das Risiko, dass
       sich eine ungünstige Betreuungsrelation negativ auf die Kinder auswirkt.
       Studien von Kinderärzten zeigen auch, dass Kinder dann einen hohen
       Stresspegel haben können. Dieser wirkt physiologisch negativ.
       
       Was sagen Sie zu Hamburg? 
       
       In Hamburg haben wir im Krippenbereich einen Personalschlüssel von eins zu
       5,1, während andere westliche Bundesländer schon 1 zu 3 erreichen. Das kann
       Hamburg auch.
       
       Angeblich aber unbezahlbar. 
       
       Klar, dass das Geld kostet. Deshalb empfehlen wir, dass der Bund in die
       Finanzierung einsteigt. Wir haben uns als Gesellschaft entschieden, dass
       Kitas ein wichtiger Ort sind. Dann sind diese Investitionen nötig.
       
       12 Jan 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kaija Kutter
       
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