# taz.de -- Kinderbetreuung in Hamburg: Kita-Streit eskaliert
       
       > Die Volksinitiative für mehr Personal in Kitas startet am Mittwoch. SPD
       > und Grüne drohen mit dem Verfassungsgericht und die Linke will Senat
       > verklagen, weil er Daten zurückhält
       
 (IMG) Bild: Neuer Konflikt steht vor de Tür: Initiative fordert mehr Betreuer*Innen für Kinder
       
       In Hamburg steht ein neuer Konflikt um die Kinderbetreuung an. Am Mittwoch
       wird das Kita-Netzwerk im Rathaus die Volksinitiative „Mehr Hände für
       Hamburgs Kitas“ einreichen. „Wir gehen diesen Schritt, weil wir anders
       nicht weiterkommen“, sagte Netzwerk-Sprecherin Marina Jachenholz. Gespräche
       mit Vertretern von Grünen und SPD hätten zu keiner Verständigung geführt.
       
       Mit dieser Volksinitiative eskaliert ein Streit, der 2005 ausbrach, als
       Hamburg begann, die Kinderbetreuung über ein Gutschein-System zu
       finanzieren. Vereinfacht gesagt bekommt eine Kita seitdem nur so viel
       Erzieherstunden bezahlt, wie ein Kind auch betreut wird. Vor- und
       Nachbereitung der Erzieherin, Zeit für Elterngespräche oder Vertretung für
       Krankheitsausfall sind nicht mitberechnet. „Früher gab es noch
       Springerkräfte, die haben wir nicht mehr“, sagt Jachenholz, die
       Betriebsrätin bei der städtischen Elbkinder-Vereinigung ist.
       
       Die Volksinitiative „Mehr Hände für Hamburgs Kitas“ fordert eine über zehn
       Jahre gestreckte Verbesserung bis 2028. In dieser Zeit soll zunächst bis
       2021 der Schlüssel in der Krippe (null bis drei Jahre) so verbessert
       werden, dass ein Erzieher für vier Kleinkinder da ist. Im Kindergarten
       (drei bis sechs Jahre) soll ein Erzieher für zehn Kinder da sein. Beides
       Forderungen, die auch der Senat vertritt. Doch obendrauf soll es einen
       Aufschlag von 25 Prozent geben für besagte Ausfallzeiten und „Zeiten, die
       man haben muss, um ohne Kinder Sachen vorzubereiten“, wie Jachenholz
       erklärt. Und damit die Politik sich auch dran hält, soll dies im
       Kinderbetreuungsgesetz (Kibeg) verankert werden.
       
       Doch dazu sind SPD und Grüne nicht bereit. Die Relation von eins zu vier im
       Krippenbereich bis 2021 sei „mit größter Kraftanstrengung durchfinanziert“,
       erklärten die Fraktions-Chefs Andreas Dressel (SPD) und Anjes Tjarks
       (Grüne) der taz. „Das können wir gerne als Absicherung im Kibeg
       festschreiben, das haben wir der Volksinitiative auch angeboten.“ Alles
       Weitere aber hänge von künftiger Unterstützung des Bundes ab, und sei für
       Hamburg allein nicht zu leisten. Auch fehlten schlicht die Erzieher dafür,
       „auch wenn wir die Ausbildung maximal aufgestockt haben“, sagten Dressel
       und Tjarks.
       
       Die beiden sonst als Friedenstifter bekannten Fraktionschefs drohen nun
       recht offen: „Sollte die Volksinitiative nicht beidrehen, wird eine
       Überprüfung durch das Verfassungsgericht unvermeidlich sein.“
       
       Das Kita-Netzwerk will es trotzdem wagen. In einem halben Jahr sind 10.000
       Unterschriften nötig, um die nächste Stufe des Volksbegehrens zu schaffen.
       Käme es zur dritten Stufe, würde der Volksentscheids parallel zur
       Bürgerschaftswahl 2019 in Hamburg stattfinden. Die Initiative argumentiert,
       die Stadt habe genug Geld und seit Jahren Verbesserungen eingeführt, etwa
       die Kostenfreiheit für Eltern, aber nie an die Beschäftigten gedacht. „So
       beißt sich die Katze in den Schwanz“, sagt Jachenholz. „Sind die
       Bedingungen schlecht, findet sich auch nicht genug Personal.“
       
       Unterdessen bekam die Linke, die die Initiative unterstützt, durch eine
       Anfrage heraus, dass in Hamburg zwei von drei Erziehern Teilzeit arbeiten,
       einer der höchsten Werte bundesweit. Der Familienpolitiker Mehmet Yildiz
       hält dies auch für eine Folge des Gutscheinsystems. Böte man Mitarbeitern
       an, von 25 auf 30 Stunden aufzustocken, wäre viel Personal gewonnen. Seine
       Kollegin Sabine Boeddinghaus schlägt zudem ein „faires Ausbildungsgehalt“
       vor, damit weniger Erzieherschüler abbrechen.
       
       Keine Antwort bekam die Linke auf die Frage, wie viele Beschäftigte bei den
       stadteigenen Elbkinder-Kitas nur befristet oder gar „sachgrundlos
       befristet“ arbeiten. Laut einer älteren Anfrage betraf dies 2015 über 400
       Personen. Nun gilt es als Geschäftsgeheimnis. Dagegen will die Linke
       klagen.
       
       29 Oct 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kaija Kutter
       
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