# taz.de -- Kita mit militärischer Unterstützung: Spielen in der Fregattengruppe
       
       > Die Bundeswehr setzt bei ihrer Attraktivitätsoffensive auf persönlichen
       > Kontakt – und macht dabei auch vor Kindern keinen Halt
       
 (IMG) Bild: Der tut nix. Der will nur spielen.
       
       Die Soldaten strecken den Daumen in die Höhe. Ihre T-Shirts ziert die
       deutsche Flagge, sie lächeln in die Kamera. „Fregatte Hamburg zum
       Arbeitseinsatz in der Paten KiTa St. Pauli“, schreibt ein Marinesoldat
       unter das Foto. Und weiter: „Solche Patenschaften sind wertvoll, gerade
       nach den Unruhen des G20 Treffens. Unsere Abwechslung war nötig und tat
       allen gut!“
       
       Seit zwölf Jahren gibt es eine Patenschaft der Fregatte Hamburg für die
       evangelischen Kita St. Pauli-Nord. Von Eltern und Träger weitgehend
       ignoriert, nutzt die Bundeswehr diese Kooperation seit Jahren als
       Werbefläche für ihre Attraktivitätsoffensive – getarnt als soziales
       Engagement im Kindergarten. Ein Teil der Elternschaft der Hamburger Kita
       wünscht sich eine reflektierte Auseinandersetzung mit der Patenschaft, die
       Kitaleitung hingegen schweigt zum Thema.
       
       Mindestens einmal jährlich kommen Offiziere in die Kita – in ihrer Freizeit
       aber auch in ihrer regulären Arbeitszeit. Sie erledigen handwerkliche
       Aufgaben im Auftrag der Kitaleiterin, schreibt ein Sprecher des
       Marinekommandos. Auf Nachfrage der taz bestätigt die Marine auch „kleinere
       Geschenke“, welche die Kinder erhalten – bezahlt aus privaten Spenden der
       SoldatInnen. Geschenke seien unter anderem Mützen, Halstücher und
       Handtücher, versehen mit dem Fregatten-Logo.
       
       Einige der „Geschenke“ liegen der taz vor. Ein besonderes Stück ist ein
       dunkelblauer Pullover. Auf dem Rücken ist unter den Namen der Kita ein Bild
       der Fregatte gedruckt. „In keinem anderen Bereich würde jemand auf die Idee
       kommen, Kindern so etwas zu schenken“, sagt Renke Brahms,
       Friedensbeauftragter der Evangelischen Kirche und Mitglied im Beirat der
       evangelischen Seelsorge in der Bundeswehr. „Die Bundeswehr hat Interesse
       daran, den Soldaten-Beruf als einen normalen Beruf darzustellen. Das ist er
       aber nicht. Im Zweifel müssen Soldaten die Waffe gegen andere Menschen
       erheben.“ Dass die Kinder hier schon für einen späteren Militärdienst
       angeworben werden sollen, glaubt er aber nicht. Vielmehr gehe es der
       Bundeswehr um eine Attraktivitätssteigerung auf lokaler Ebene.
       
       Auch der Friedensforscher Thomas Mickan glaubt an eine Werbeabsicht hinter
       der der Patenschaft: „Adressaten solcher Aktionen sind natürlich auch die
       Eltern und die ganze Familie“, sagt er.
       
       Geregelt sind die Patenschaften durch eine interne Dienstvorschrift der
       Bundeswehr. Darin heiße es, sie stünden „für ein von Vertrauen und
       Verständnis bestimmtes Verhältnis der Bevölkerung zur Bundeswehr. Dabei ist
       der unmittelbare und persönliche Kontakt ein entscheidender Faktor“, so der
       Marinesprecher.
       
       Der Evangelisch-Lutherische Kirchenkreis Hamburg-Ost, an den die Kita in
       St. Pauli angebunden ist, sieht solche Patenschaften durchaus kritisch:
       „Weil sie aus der Perspektive der Bundeswehr nicht uneigennützig sind“.
       Dennoch tut sie nichts dagegen. Die Kita-Leitungen müssen beim Träger nur
       einmal das Einverständnis einholen. In St. Pauli-Nord war das vor zwölf
       Jahren, Evaluierungen oder regelmäßigen Austausch zu dem Thema gebe es
       nicht, auf lokaler Ebene kann jeder wurschteln, wie er will.
       
       „Mir ist wichtig, dass kritische Sichtweisen erlaubt sind“, sagt die
       Mutter. Sie sei keine Bundeswehrgegnerin, bemängelt jedoch den unkritisch
       hingenommenen Lobbyismus in der Kita. „Den Kindern soll keine friedliche,
       heile Soldatenwelt vorgespielt werden“. Immerhin sei die Fregatte Hamburg
       ein mit Waffen ausgestattetes Schiff, gewappnet für das militärische
       Gefecht. Ob und wie umfassend das Thema mit den Kindern bearbeitet wird,
       bleibt unklar. Die Kitaleiterin wollte sich bis heute nicht zu dem Thema
       äußern.
       
       Was aber klar ist: Die Kinder aus St. Pauli haben besagtes Armeeschiff
       sogar besichtigt, wie der Marinesprecher bestätigte. „Eine klare
       Grenzüberschreitung“, sagt der Friedensbeauftragte Brahms. Man könne aber
       durchaus über Patenschaften nachdenken, beispielsweise wenn ein Kind
       SoldatInnen als Eltern hat. Dies sei allerdings eine pädagogische
       Herausforderung. Voraussetzung müsse ein Konzept unter friedensethischen
       Fragestellungen sein, das kontinuierlich überprüft würde.
       
       Paul Frey, Geschäftsführer der Kita Koppelkinder in St. Georg, sieht das
       anders. Wenn überhaupt Kooperation, müsste es zumindest eine realistische
       Darstellung des SoldatInnen-Berufs geben. Diese sei für Kinder im
       Kitaalter. Frey bezweifelt, dass eine objektive Darstellung der Bundeswehr
       überhaupt möglich ist. „Schauen Sie sich doch die aktuellen Werbekampagnen
       der Bundeswehr an. Sie vermitteln ausschließlich Abenteuer und
       Kameradschaft“, sagt er.
       
       Kritik an der Bundeswehr für offensive Werbekampagnen und Vorträgen von
       SoldatInnen an Schulen ist nicht neu. Dass sich die Bundeswehr auch in
       großem Umfang in Kinder- und Jugendeinrichtungen engagiert, hat eine kleine
       Anfrage der Linken erstmals Anfang 2016 offenbart. Im Gegensatz zu den
       offiziellen Kampagnen, sind diese lokalen Engagements nicht durch das
       Verteidigungsministerium initiiert. Wie das ungeklärt diese Fragen in der
       Praxis sind, zeigt die Kita in St. Pauli-Nord.
       
       24 Oct 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Marthe Ruddat
       
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