# taz.de -- Protest gegen Regierung in Österreich: Zehntausende gegen Schwarz-Blau
       
       > Tausende Menschen haben am Samstag in Wien gegen die neue Regierung
       > demonstriert. Im Dezember hatte die Rechtskoalition die Geschäfte
       > übernommen.
       
 (IMG) Bild: 20.000 oder 80.000? Jedenfalls überstieg die Teilnehmerzahl alle Erwartungen
       
       WIEN taz | Am auffälligsten waren die „Omas gegen Rechts“. Unaufgeregt und
       mit handlichen Schildern marschierten sie mitten im größten
       Demonstrationszug, den Österreich in den letzten Jahren erlebt hat. Bei
       leichtem Nieselregen und Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt
       demonstrierte Samstagnachmittag in Wien eine eindrucksvolle Menschenmenge
       aus allen Altersgruppen und sozialen Schichten gegen die vor knapp einem
       Monat vereidigte Regierung von Sebastian Kurz (ÖVP) und Heinz-Christian
       Strache (FPÖ).
       
       Da sah man Verbotsschilder mit den Porträts der Regierungsspitzen,
       originelle Objekte wie eine aufblasbare Knackwurst mit der Aufschrift
       „Alles hat ein Ende …“ und den wie immer martialisch auftretenden schwarzen
       Block, der mit pyrotechnischen Patronen farbige Nebelschwaden absonderte.
       Während die Polizei, die auch gegen Vermummte nicht einschritt, 20.000
       Teilnehmer meldete, sprachen die Veranstalter bei der Schlusskundgebung am
       Heldenplatz von 80.000. Da mag man Neugierige und Passanten auf der
       Mariahilfer Straße großzügig mitgezählt haben. Tatsache ist aber, dass das
       selbst gesteckte Ziel von 10.000 weit übertroffen wurde.
       
       Die pensionierte Sozialpädagogin Margit Harnacker von den Omas gegen Rechts
       möchte sich nicht in der Kategorie „links“ verortet sehen. Vielmehr ist es
       ihr ein Anliegen, zu demonstrieren, dass nicht nur „linkslinke versiffte
       Nichtsnutze“ mit der Wendepolitik der Rechtsregierung nicht einverstanden
       sind. Dieses Klischee bemüht vor allem die FPÖ, wenn es darum geht,
       Demonstranten abzuqualifizieren. Unter den Omas marschierte auch die
       frühere Moskau-Korrespondentin des ORF, Susanne Scholl. Sie sprach das
       Ableben der „letzten Zeitzeugen des Nationalsozialismus“ an. Es sei nun die
       Pflicht nachfolgender Generationen, dass die Lehren aus der Geschichte
       nicht vergessen werden.
       
       Neben den federführenden Organisationen Offensive gegen Rechts, Plattform
       radikale Linke und Plattform für eine menschliche Asylpolitik hatten vor
       allem gewerkschaftliche Gruppen, die HochschülerInnenschaft und einzelne
       Migrantenverbände mobilisiert.
       
       ## „Sie sagen: kürzen, wir sagen: stürzen“
       
       Der Ex-Fraktionschef der Grünen, Albert Steinhauser, führte ein Grüppchen
       der seit den Wahlen vom 15. Oktober außerparlamentarischen Opposition an.
       Er verneinte Berührungsängste angesichts der zahlreich vertretenen linken
       Gruppierungen. Gegen Schwarz-Blau zu sein, sei nichts Ehrenrühriges. Die
       oppositionelle SPÖ zeigte vor allem in Gestalt von gewerkschaftlichen
       Gruppen, Sozialistischer Jugend und Studierendenverband VSStÖ Präsenz.
       
       „Sie sagen: kürzen, wir sagen: stürzen“. Diesem Slogan folgte zwar kein
       Volksaufstand, doch wurde klar, dass vor allem einzelne Minister mit
       Beobachtung durch besonders wachsame Augen zu rechnen haben. Allen voran
       Innenminister Herbert Kickl (FPÖ), der für den Aufreger der Woche sorgte,
       als er erklärte, bei den geplanten „Grundversorgungszentren“ in Kasernen
       gehe es darum, „diejenigen, die in ein Asylverfahren eintreten, auch
       entsprechend konzentriert an einem Ort zu halten“. Dass beim Chefideologen
       der FPÖ die Assoziation zum KZ nicht fernlag, hatte auch im Ausland für
       Schlagzeilen gesorgt. Eine nachträgliche „Klarstellung“, in der Kickl
       Begrifflichkeiten des „verabscheuungswürdigen NS-Verbrecherregimes“
       zurückwies, diente zwar Kanzler Kurz und anderen Regierungsmitgliedern, den
       verbalen Ausrutscher zu verharmlosen, doch schon die Idee, Flüchtlinge zu
       kasernieren, zeigt, in welche Richtung es gehen soll.
       
       Maria Mayrhofer, Mitbegründerin der Initiative [1][#aufstehn], glaubt, dass
       viele Menschen die Veränderungen und Einschnitte ins Sozialsystem anfangs
       gar nicht registrieren werden, denn es ginge zunächst „gegen sowieso schon
       marginalisierte Gruppen wie Flüchtlinge“. Gegen legal im Lande arbeitende
       Ausländer richtet sich die Anpassung des Kindergeldes an das Preisniveau im
       Ursprungsland. Zwar ist fraglich, ob das EU-konform ist, doch ist die
       Neiddebatte angeheizt.
       
       Die 2000 angetretene ÖVP-FPÖ-Regierung unter Wolfgang Schüssel hatte ein
       Ritual des Widerstands, die Donnerstagsdemos, provoziert. Etwas
       Vergleichbares wird es diesmal nicht geben. Hermann Dworczak vom Komitee
       Solidarität mit dem Widerstand in Griechenland und Mitglied des
       Organisationskomitees, sieht die Demonstration vom Samstag als Signal,
       „dass Widerstandspotenzial da ist“. Jetzt gelte es, „Strukturen aufzubauen
       und alternative Konzepte zu entwickeln“. Die Regierung lasse sich von einer
       gelungenen Demonstration nicht beeindrucken. Aber wenn die geplanten großen
       Einschnitte, wie die Einführung des Zwölfstundentages, kommen, werde der
       Protest wieder hörbar werden.
       
       Dieser Artikel wurde aktualisiert um 18.20 Uhr.
       
       14 Jan 2018
       
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