# taz.de -- Umstände des Verkaufs der HSH Nordbank: Die verschleppte Insolvenz
       
       > Der Verkauf der HSH Nordbank war unter anderem deshalb möglich, weil sie
       > trickreich ihre Pleite verschleppte. Die Branche verdiente gut daran.
       
 (IMG) Bild: Wäre eine Abwicklung günstiger gewesen als ein Verkauf? Ende Februar 2018 beraten die Regierungen von Hamburg und Schleswig-Holstein über die HSH Nordbank
       
       HAMBURG taz | In einer seiner letzten Amtshandlungen als Erster Hamburger
       Bürgermeister hat Olaf Scholz (SPD) – inzwischen Bundesfinanzminister – den
       Verkauf der HSH Nordbank bekannt gegeben. Er freute sich über den
       „substanziellen Kaufpreis“, den die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein
       erzielt hätten.
       
       Wie Recherchen des ARD-Magazins Panorama zeigen, konnte sich die HSH
       Nordbank unter anderem deswegen über die Ziellinie retten, weil sie ihre
       eigene Pleite verschleppte.
       
       In dem Beispiel geht es um ein Paket von fünf Containerschiffen, deren Bau
       von der Landesbank finanziert worden war. Die Frachter tragen Namen wie
       Marmaris und Antalya, klingen also eher nach unbeschwertem Mittelmeerurlaub
       als nach Finanzkrise. Den Recherchen zufolge waren die Kredite für die
       Schiffe schon notleidend, als sie ab 2010 vom Stapel liefen.
       
       Die Kredite, und damit die Schiffe, wurden von einer Firmengruppe namens
       Notos übernommen, die eine Adresse am feinen Ballindamm an der Hamburger
       Binnenalster hat. Das Pikante: Der Geschäftsführer von Notos, Jens
       Rohweder, ist ein ehemaliger Kreditspezialist der HSH Nordbank.
       
       Noch pikanter: Wie Panorama aus gut unterrichteter Quelle erfuhr, erhielt
       Rohweders Firma für das Geschäft einen Kredit seines ehemaligen
       Arbeitgebers, der HSH Nordbank, in Höhe von rund 200 Millionen Euro.
       
       Experten sind solche Konstruktionen nicht unbekannt. „Man steckt dem
       Schuldner heimlich das Geld zu, das er braucht, um seinen Kredit zu
       bedienen“, sagt Wirtschaftswissenschaftler Martin Hellwig vom
       Max-Planck-Institut in Bonn.
       
       „Ich gebe dem Schuldner Geld und sage: 'Das kannst Du mir jetzt
       zurückzahlen.’ Dass der Schuldner nur zahlt, weil ich ihm einen
       zusätzlichen Kredit gegeben habe, das muss ich ja nicht an die große Glocke
       hängen,“ erläutert Hellwig weiter. „Das ist eine Art von Betrug.“
       
       Wie die Recherchen zeigen, lagerte die Notos-Gruppe das Kreditportfolio an
       Tochtergesellschaften im griechischen Teil Zyperns aus. Betrieben wurden
       die Schiffe von einer ebenfalls in Zypern ansässigen Tochter der Hamburger
       Reederei Thomas Schulte.
       
       „Das zypriotische Insolvenzrecht ist laxer als das deutsche“, erläutert
       Andreas Droussiotis, Geschäftsführer der Reedereifiliale in der
       zypriotischen Hafenstadt Limassol. „Von hier kann man einen Frachter noch
       betreiben, für den man in Deutschland Insolvenz anmelden müsste.“
       
       Genau das wollte die HSH Nordbank offenbar verhindern. Durch die
       Verschiebung der Schiffe nach Zypern kaufte sie sich Zeit. Im Interview mit
       Panorama sagt Reedereichef Droussiotis: „Die HSH hatte in der einen oder
       anderen Form mit der Finanzierung der Schiffe zu tun.“ Um „Profit“ sei es
       der Bank dabei nicht gegangen. „Ziel war, die Schiffe raus aus Deutschland
       zu schaffen und raus aus der Bankbilanz.“
       
       ## Kreislaufgeschäft mit Krediten
       
       Bis 2015 habe Schulte die fünf Frachter von Zypern aus bereedert. Dann habe
       man sie an die griechische Großreederei Navios weitergegeben, die ebenfalls
       in faule Schiffskredite der HSH investiert hat und sich dieses Investment
       mit Zinssätzen von mehr als zwölf Prozent vergüten lässt. Ob es sich um
       eine Auslagerung „auf Zeit“ handelt und die Schiffe irgendwann wieder von
       der HSH übernommen werden müssen, ist unklar.
       
       Die Landesbank soll durch das Geschäft mit den fünf Pleiteschiffen rund 130
       Millionen Euro Verlust erwirtschaftet haben. Die Bank möchte sich zu dem
       Geschäft nicht äußern. Jens Rohweder, der Geschäftsführer der Notos-Gruppe,
       soll für die Betreuung jedes der fünf Pleiteschiffe ein Honorar von 150.000
       Euro erhalten haben. Auf Anfragen von Panorama und der taz reagierte er
       nicht.
       
       Wie viele ähnliche Geschäfte die HSH betrieben hat, um ihre Bilanz
       aufzuhübschen, ist unbekannt. Auf Anfrage teilte der Hamburger Senat mit,
       zu einzelnen Geschäften der Bank keine Stellung nehmen zu wollen. Die HSH
       Nordbank führe das operative Geschäft „in eigener Verantwortung“.
       
       ## Bankrotte Schiffe verschwinden aus der Bilanz
       
       Bemerkenswert ist die Gleichzeitigkeit der beiden Vorgänge: Während die HSH
       Nordbank bankrotte Schiffe trickreich aus ihrer Bilanz verschwinden ließ,
       plante der Senat unter Olaf Scholz, die Staatsgarantie für die Bank wegen
       deren vermeintlicher Gesundung, schrittweise zu reduzieren.
       
       Die Politiker setzten auf einen raschen Aufschwung der Schiffsmärkte. Dass
       ein schneller Anstieg der Charterraten für Containerschiffe, ein Abklingen
       der Schifffahrtskrise und damit eine Gesundung der Nordbank „unrealistisch“
       seien, schrieb Ökonom Hellwig bereits 2013 in einem Gutachten für die
       Hamburgische Bürgerschaft. Er sollte Recht behalten.
       
       Die Krise dauert bis heute an. Es bleibt der Eindruck, dass die
       Verantwortlichen vor allem Zeit gewinnen wollten. Und dass Scholz und die
       Landesregierung in Kiel sich hinter dem Optimismus der HSH-Vorstände
       versteckten. „Man war sich einig“, formuliert es Martin Hellwig.
       
       ## Auch Scholz erhöhte Risiken für den Steuerzahler
       
       Scholz hätte eine Abwicklung der landeseigenen Bank als Scheitern
       betrachtet. Er hat die zügellose Vergabe von Schiffskrediten und die
       Zockerei auf dem US-amerikanischen Derivate- und Immobilienmarkt zwar nicht
       zu verantworten. Diese Ursünden wurden unter seinem Vorgänger im
       Bürgermeisteramt Ole von Beust (CDU) und dessen schleswig-holsteinischen
       Amtskollegen Heide Simonis (SPD) und Peter Harry Carstensen (CDU) begangen.
       Aber die Risiken für den Steuerzahler erhöhte auch Scholz in seiner
       Amtszeit als Erster Bürgermeister von 2011 bis 2018.
       
       Die zwischenzeitlich auf sieben Milliarden Euro herabgesenkte
       Staatsgarantie erhöhte er wieder auf zehn Milliarden, die nun komplett an
       die privaten Finanzinvestoren gehen. Unter seinem Senat kauften die beiden
       Nordländer faule Schiffskredite für 2,4 Milliarden Euro aus der HSH
       Nordbank und bunkerten sie in einer staatlichen „Anstalt“. Dieses
       Kreditportfolio, das einmal fünf Milliarden Euro wert war, wird inzwischen
       nur noch auf 1,7 Milliarden Euro geschätzt.
       
       ## Gelegenheit zum Absahnen
       
       Die Zypern-Geschichte zeigt zweierlei: wie findig die Landesbank dabei war,
       die drohende Insolvenz abzuwenden, und welch gute Verdienstmöglichkeiten
       sich für die „Spezialisten der Schiffsfinanzierung“ auch in der Krise
       auftun, weil die HSH einmal „größter Schiffsfinanzierer der Welt“ war und
       dadurch gigantische Überkapazitäten auf den Ozeanen schuf. Die
       Überkapazitäten müssen ja restrukturiert und verwaltet, gegebenenfalls
       müssen Insolvenzen beantragt und „gemanagt“ werden.
       
       Besonders erfolgreich scheint sich auf diesem Gebiet die Hamburger Firma
       „Naves“ zu betätigen. „Werbung“ wolle man für sich nicht machen, teilt ein
       leitender Manager am Telefon mit. Darum hätten Kunden die Firma gebeten,
       die sie mit der Restrukturierung notleidender Schiffsportfolios beauftragt
       hätten. Daher sei man „medienscheu“.
       
       Rege auf diesem Gebiet ist auch der Hamburger Rechtsanwalt Stefan P.
       Rindfleisch. Als vor 15 Jahren in Hamburg Schiffskredite en masse vergeben
       wurden, soll er Verträge für Fondsgesellschaften mitgeschrieben haben, die
       in Schiffe investierten. Heute gibt er Fachseminare mit dem Titel
       „Schiffsfinanzierungen in Krisenzeiten“. Für diesen Freitag kann man sich
       noch anmelden. Tagungsort: Hotel Hafen Hamburg. Teilnahmegebühr pro Person:
       712,81€.
       
       ## Rosig gemalte Zukunft
       
       Im Februar trat Rindfleisch auf der „Marine Money“, der jährlichen
       Zusammenkunft der Branche, in einem anderen Hamburger Nobelhotel auf. Auf
       dem Podium sprach er mit dem Schiffsvorstand der HSH Nordbank Torsten Temp.
       Dem Vernehmen nach war Temp selbstsicher und optimistisch und malte eine
       rosige Zukunft der Bank unter den neuen Eigentümern.
       
       Die Verdienstmöglichkeiten der „Spezialisten“ kontrastieren mit den
       Verlusten der Steuerzahler. Trotz „erfolgreichen Verkaufs“ der HSH Nordbank
       summieren sich diese auf rund 16 Milliarden Euro, wie Ökonom Hellwig
       berechnet hat. Er bemängelt, dass Hamburger Senat und Kieler
       Landesregierung eine Abwicklung nie unabhängig haben prüfen lassen: „Eine
       Abwicklung wäre vielleicht billiger gewesen.“
       
       Die Politiker seien im Fall HSH der Tradition des Umgangs mit der
       Finanzkrise gefolgt. Sie hätten die Priorität darauf gelegt, die Gläubiger
       der Bank schadlos zu halten. Das Geld fehle nun an anderer Stelle. „Warum
       die deutsche Politik diesen Weg gegangen ist, darüber werden Historiker in
       50 Jahren Bücher schreiben“, sagt Hellwig.
       
       Die hamburgische Finanzbehörde teilt mit, man habe Abwicklungsszenarien für
       die HSH mit eigenen Beratern geprüft, die Ergebnisse aber nicht
       veröffentlicht. Olaf Scholz betont, er habe im Umgang mit der HSH Nordbank
       „keinen Fehler“ gemacht. Sein Senat habe stets auf die Risiken hingewiesen.
       
       21 Mar 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Stefan Buchen
 (DIR) Nils Naber
       
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