# taz.de -- Tempo runter gegen Stickoxide: Dreißig ist das neue Fünfzig
       
       > Ab Montag gilt Tempo 30 auf einem Teil der Leipziger Straße – und bald
       > auf weiteren Hauptstraßen. Die Maßnahme soll Fahrverbote überflüssig
       > machen.
       
 (IMG) Bild: Ohnehin oft bis zum Anschlag voll: die Leipziger Straße in Mitte
       
       Eine rot eingekreiste „30“ auf weißem Grund, darunter auf einem weißen
       Rechteck der Hinweis „Luftreinhaltung“. Diese neuen Verkehrsschilder künden
       ab Montag auf den 1,2 Kilometern zwischen Markgrafenstraße und Potsdamer
       Platz davon, dass hier ab sofort Tempo 30 statt bislang 50 gilt. Das Ziel
       der Maßnahme: den Stickoxidausstoß verringern, der nach Zahlen des Senats
       an keiner Hauptstraße der Stadt höher ist. Bis Ende Juli soll sich die
       Tempo-30-Strecke bis zum Innsbrucker Platz verlängern.
       
       Die Senatsverwaltung für Verkehr und Umwelt verspricht sich viel davon, die
       Höchstgeschwindigkeit abzusenken: Um knapp zehn Prozent soll sich der
       Stickoxidausstoß dadurch verringern lassen, hofft Regine Günther, die
       parteilose, von den Grünen ins Amt geholte Senatorin. Ein Jahr lang will
       ihre Verwaltung nun Messwerte sammeln, nach einem halben Jahr einen
       Zwischenbericht vorlegen.
       
       Grundlage für Günthers Hoffnungen auf geringere Stickoxidwerte sind
       Messungen in ebenfalls stark befahrenen Straßen, in denen schon vor Jahren
       Tempo 30 eingeführt wurde – damals nicht des Stickoxids wegen, sondern
       zwecks Lärmschutz und mehr Verkehrssicherheit. In der Silbersteinstraße in
       Neukölln etwa sank die Stickoxidbelastung demnach um deutlich mehr als zehn
       Prozent.
       
       ## Neue Ampelphasen
       
       Den Unterschied soll eine gleichmäßigere Fahrweise ausmachen. Kein
       Hochziehen des Motors mehr bis 50, vor allem kein ruckartiges, mit noch
       höherem Ausstoß verbundenes Anfahren, um an der nächsten Ampel wieder
       abbremsen zu müssen. Die Ampeln auf dem neuen Tempo-30-Abschnitt sollen auf
       die neue Geschwindigkeitsbegrenzung eingestellt sein, versichert Günters
       Sprechers Matthias Tang. Das sei auch der Grund, warum Tempo 30 nicht schon
       länger gilt: Das Umprogrammieren der Ampeln habe gedauert.
       
       Die Temporeduzierung ist der letzte Versuch der Senatsverwaltung, doch noch
       ohne die Fahrverbote für Diesel-Autos auszukommen, die das
       Bundesverwaltungsgericht vor fast sechs Wochen für zulässig erklärte. „Wir
       werden jetzt bis Ende des Jahres auswerten, wie erfolgreich das sein wird“,
       hatte Günther nach dem Urteil Ende Februar angekündigt. Zum Straßenzug
       Leipziger Straße/Potsdamer Straße gab sie sich allerdings skeptisch: „Da
       gehen wir davon aus, dass wir doch Schwierigkeiten haben werden, ohne
       Fahrverbote durchzukommen.“
       
       Drei Spuren samt Parkstreifen hat die ab 1969 ausgebaute Leipziger Straße,
       Richtung Potsdamer Platz werden daraus zwei. Künftig soll es auch dort die
       breiten Radstreifen geben, die das geplante Radgesetz vorsieht. An Tempo 30
       wird sich auch der 48er-Bus halten müssen, der an der Ecke zur
       Friedrichstraße hält. Laut Verkehrsverwaltung gilt der bisherige Fahrplan
       weiter – die BVG habe man von Anfang an in die Planungen einbezogen,
       versichert Pressesprecher Tang.
       
       ## Weitere Pläne liegen bereit
       
       Bis zum Sommer soll Tempo 30 in folgenden Schritten ausgeweitet werden:
       zuerst auf der Potsdamer Straße vom Potsdamer Platz bis zum Kleistpark,
       danach von dort auf der Hauptstraße bis zum Innsbrucker Platz. Ab
       Markgrafenstraße gerechnet ist das eine 5,5 Kilometer lange Strecke.
       Daneben soll Tempo 30 auch auf weiteren großen Straßen gelten: Auf dem
       Tempelhofer Damm zwischen Ordensmeisterstraße und der Straße Alt-Tempelhof
       sowie auf der Kantstraße zwischen dem Amtsgerichtsplatz und dem
       Savignyplatz. Falls das Tempolimit wirkt, liegen angeblich Pläne für gut
       ein Dutzend weiterer Straßenabschnitte bereit.
       
       Günthers Hoffnung, auf diesem Weg für weniger Stickoxid zu sorgen, teilen
       nicht alle. Vor allem nicht Oliver Friederici, der führende
       Verkehrspolitiker der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus. Ein „Programm für
       zusätzliche Staus“, sagt er über die neue Geschwindigkeitsbegrenzung, die
       Verantwortliche nennt er „Frau Anti-Auto-Senatorin Günther“. Auch der ADAC
       mag nicht wirklich an einen flüssigeren Autoverkehr dank Tempo 30 glauben.
       Der FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja nutzt die Veränderung zu einem
       allgemeinen Angriff auf die regierenden Parteien SPD, Linkspartei und
       Grüne: „Die klimapolitischen Experimente von Rot-Rot-Grün sind der gewollte
       Verkehrsinfarkt im Herzen Berlins.“ Experten gehen davon aus, dass sich die
       neue Regelung nur mit intensiven Polizeikontrollen durchsetzen lässt.
       
       8 Apr 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Stefan Alberti
       
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