# taz.de -- Alliierte greifen aus der Luft an: „Begrenzter“ Militärschlag in Syrien
       
       > Mit Angriffen gegen Ziele in Syrien reagieren die USA und ihre
       > Verbündeten auf einen mutmaßlichen Giftgasangriff. Russland droht mit
       > Konsequenzen.
       
 (IMG) Bild: Damaskus in der Nacht zum Samstag
       
       WASHINGTON/DAMASKUS dpa/ap/afp | Die USA, Frankreich und Großbritannien
       haben als Vergeltung für einen mutmaßlichen Giftgaseinsatz Ziele in Syrien
       angegriffen. Russland, Verbündeter und Schutzmacht der syrischen Führung
       von Präsident Baschar al-Assad, drohte umgehend mit Konsequenzen.
       Befürchtet wird eine weitere Verschlechterung des Verhältnisses zwischen
       den USA und Russland.
       
       Nach US-Militär- und syrischen Angaben wurden 110 Raketen auf mindestens
       drei Ziele abgefeuert. An den Militärschlägen waren zwei US-Kriegsschiffe
       beteiligt sowie vier britische Bomber und eine ungenannten Zahl
       französischer Bomber. Die Briten griffen ein Ziel nahe Homs an.
       
       US-Medien schrieben von Dutzenden Marschflugkörpern. Es handele sich um
       eine begrenzte, einmalige Aktion. Weitere Schläge seien nicht geplant,
       sagte US-Verteidigungsminister James Mattis. Unklar bleibt, ob das stimmt.
       Trump hatte zuvor gesagt, es könne weitergehen: „Wir sind darauf
       vorbereitet diese Antwort aufrechtzuerhalten, bis das syrische Regime
       seinen Einsatz chemicher Mittel beendet.“ Nach syrischen Angaben wurden
       mindestens drei Zivilisten verletzt. Aus Armeekreisen hieß es, sechs
       Soldaten seien bei der Stadt Homs verletzt worden.
       
       US-Präsident Donald Trump sagte am Freitagabend in [1][einer Rede an die
       Nation], die Angriffe seien die Antwort auf den Einsatz chemischer Waffen
       durch die syrische Regierung unter Präsident Baschar al-Assad gegen das
       eigene Volk. „Dies sind nicht die Taten eines Menschen“, sagte Trump. „Es
       sind die Verbrechen eines Monsters.“ Der französische Präsident Emmanuel
       Macron sagte: „Die rote Linie ist überschritten.“ Die britische
       Premierministerin Theresa May bezeichnete den Angriff als alternativlos.
       
       Russland drohte mit Konsequenzen. Man werde den UN-Sicherheitsrat zu einer
       Dringlichkeitssitzung zusammenkommen lassen. Das teilte der russische
       Präsident Wladimir Putin am Samstag mit. „Wir sind wieder bedroht worden“,
       hieß es zudem in einer [2][Erklärung des russischen Botschafters in
       Washington], Anatoli Antonow, auf Twitter. „Wir haben gewarnt, dass solche
       Aktionen nicht ohne Konsequenzen sein werden.“ Alle Verantwortung dafür
       hätten nun die Regierungen in Washington, London und Paris zu tragen. Die
       Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, [3][schrieb
       auf Facebook], es gebe weiterhin keine Beweise für den mutmaßlichen
       Giftgasangriff auf die Stadt Douma.
       
       ## Schwere Explosionen in Damaskus
       
       Syrien kritisierte einen Verstoß gegen internationales Recht. „Einmal mehr
       bestätigen die USA und die Achse zur Unterstützung des Terrors, dass sie
       gegen internationales Recht verstoßen, über das sie bei den Vereinten
       Nationen prahlerisch reden“, meldete die staatliche syrische
       Nachrichtenagentur Sana. Auch Iran, eine weitere Schutzmacht Assads,
       verurteilte die Angriffe als klaren Verstoß gegen internationale
       Vorschriften.
       
       Der Militäreinsatz [4][richtete sich nach Angaben] von
       US-Verteidigungsminister Mattis gegen die Infrastruktur der chemischen
       Waffenproduktion Syriens. Der Einsatz von Chemiewaffen könne unter keinen
       Umständen geduldet werden. Nach US-Angaben gab es keine Verluste bei den
       gemeinsamen Angriffen auf eine Forschungszentrum wohl nordöstlich der
       Hauptstadt Damaskus, eine mutmaßliche Lagerstätte für chemische Waffe sowie
       einer Kommandoeinrichtung bei Homs. Nach dem Beginn des Angriffs waren in
       der Hauptstadt Damaskus schwere Explosionen zu hören gewesen. Das
       berichteten Anwohner am frühen Morgen.
       
       Der Generalstabschef des US-Militärs, Joseph Dunford, sagte, nahe Homs sei
       der chemische Kampfstoff Sarin gelagert worden. Die USA hätten den Angriff
       nicht mit Russland koordiniert. Es habe lediglich Kommunikation über den
       regulären Kanal zwischen dem russischem und amerikanischem Militär zur
       Vermeidung von Zwischenfällen über Syrien gegeben.
       
       Mattis sagte, der Schlag gegen Syrien sei härter gewesen als der im
       Vorjahr. Es seien etwa doppelt so viele Waffen eingesetzt worden wie beim
       Angriff 2017.
       
       ## Vier Flugzeuge der britischen Royal Air Force beteiligt
       
       Es ist das zweite Mal, dass die USA und Präsident Trump die Assad-Regierung
       direkt angreifen. Das US-Militär hatte vor einem Jahr die Luftwaffenbasis
       Schairat beschossen. Das war eine Reaktion auf den Giftgasangriff mit
       Dutzenden Toten auf die Stadt Chan Scheichun, für den UN-Experten die
       Regierung Assads verantwortlich machten. Das Eingreifen der USA galt aber
       weitgehend als symbolisch.
       
       An dem Einsatz nun waren auch vier Flugzeuge der britischen Royal Air Force
       beteiligt. Es habe „keine gangbare Alternative zum Einsatz der Streitkräfte
       gegeben“, um das syrische Regime vom Einsatz der Chemiewaffen
       abzuschrecken, [5][sagte die britische Premierministerin May]. Die
       militärische Antwort sei ein „begrenzter und gezielter Schlag“. Es gehe
       nicht darum, in einen Bürgerkrieg einzugreifen. Es gehe auch nicht um einen
       Regimewechsel, sagte May.
       
       Der französische [6][Präsident Macron sagte]: „Dutzende von Männern, Frauen
       und Kindern wurden beim Einsatz chemischer Waffen in Duma am 7. April
       massakriert. Ich habe deshalb den französischen Streitkräften befohlen
       einzugreifen.“ Frankreichs Außenminister Jean-Yves Le Drian nannte den
       Einsatz rechtmäßig. Das Vorgehen richte sich nicht gegen die Verbündeten
       Syriens – Russland und Iran – und auch nicht gegen die Zivilbevölkerung.
       Assad solle davon abgehalten werden, weiter Chemiewaffen einzusetzen. Man
       gehe davon aus, dass das Chemiewaffenarsenal in Syrien nun zum großen Teil
       zerstört sei, fügte Außenminister Drian am Samstagvormittag in Paris hinzu.
       Er führte weiter aus, Frankreich verfüge über „verlässliche Informationen“,
       dass die syrische Staatsführung hinter dem mutmaßlichen Chemiewaffenangriff
       vom 7. April in der Stadt Douma stecke.
       
       ## UN-Generalsekretär warnt vor einer weiteren Eskalation
       
       Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg [7][unterstützt den Angriff] und
       erklärte: „Das wird die Fähigkeiten der Führung einschränken, weiter die
       Menschen in Syrien mit chemischen Waffen anzugreifen.“ UN-Generalsekretär
       António Guterres rief die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen zur
       Zurückhaltung auf und warnte vor einer weiteren Eskalation.
       
       Die deutsche Bundesregierung hat sich indes hinter die westlichen Angriffe
       auf Syrien gestellt. „Der Militäreinsatz war erforderlich und angemessen,
       um die Wirksamkeit der internationalen Ächtung des Chemiewaffeneinsatzes zu
       wahren und das syrische Regime vor weiteren Verstößen zu warnen“, erklärte
       Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Samstag in Berlin. „Wir unterstützen
       es, dass unsere amerikanischen, britischen und französischen Verbündeten
       als ständige Mitglieder des UN-Sicherheitsrats in dieser Weise
       Verantwortung übernommen haben.“
       
       Trump hatte zuvor unverhohlen mit dem Angriff gedroht. Er sagte in seiner
       sehr kurzfristig angekündigten, etwa acht Minuten dauernden Ansprache, die
       USA seien darauf vorbereitet, ihre Einsätze fortzusetzen, bis die syrische
       Regierung ihren Einsatz verbotener chemischer Waffen beende. An Russland
       und den Iran gerichtet, fragte Trump: „Was für eine Art Nation würde im
       Zusammenhang stehen wollen mit dem Massenmord an unschuldigen Männern,
       Frauen und Kindern?“
       
       Die syrische Armee war seit Tagen in voller Alarmbereitschaft und hatte
       sich am Mittwoch von weiteren Stützpunkten zurückgezogen. Schon am Dienstag
       verließ die Armee einige Militärbasen, um einer möglicherweise
       bevorstehenden Attacke der USA und seiner Verbündeten Frankreich und
       Großbritannien weniger Angriffsfläche zu bieten.
       
       ## 13 Raketen abgefangen?
       
       Die staatliche Nachrichtenagentur Sana meldete, die Luftabwehr Syriens habe
       die „amerikanisch-britisch-französische Aggression“ bekämpft. Es seien 13
       Raketen abgefangen worden. Aus Armeekreisen hieß es, es seien Dutzende
       Abwehrraketen abgefeuert worden, unter anderem vom Militärflughafen
       Al-Schairat. Das Pentagon wollte zu dieser Darstellung keine Stellung
       nehmen.
       
       Begonnen hatte die Eskalation mit einem mutmaßlichen Giftgasangriff auf die
       letzte damals noch von Rebellen kontrollierte Stadt Douma in der Region
       Ost-Ghuta am 7. April. Dabei sollen der Hilfsorganisation Weißhelme zufolge
       mindestens 42 Menschen getötet worden sein. Mehr als 500 Personen wurden
       demnach in Krankenhäusern behandelt.
       
       Experten der Organisation für ein Verbot von Chemiewaffen (OPCW) wollten am
       Samstag in Duma untersuchen, ob dort tatsächlich Chemiewaffen eingesetzt
       wurden. Ihr Auftrag lautet jedoch nicht, die Verantwortlichen zu ermitteln.
       
       Russland hatte den Vorfall als inszenierte Provokation Großbritanniens
       eingestuft. „Wir haben Beweise, dass Großbritannien an der Organisation
       dieser Provokation in Ost-Ghuta direkt beteiligt ist“, sagte der Sprecher
       des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow. Die britische
       UN-Botschafterin Karen Pierce bezeichnete den Vorwurf als „grotesk“,
       „bizarr“ und „offenkundige Lüge“.
       
       14 Apr 2018
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://twitter.com/realDonaldTrump/status/984967457315139586
 (DIR) [2] https://twitter.com/RusEmbUSA/status/984980480234868736
 (DIR) [3] https://www.facebook.com/maria.zakharova.167
 (DIR) [4] https://www.defense.gov/News/News-Releases/News-Release-View/Article/1493610/statement-by-secretary-james-n-mattis-on-syria/source/GovDelivery/
 (DIR) [5] https://twitter.com/10DowningStreet/status/984968945630437376
 (DIR) [6] https://twitter.com/EmmanuelMacron/status/984976452612476928
 (DIR) [7] https://www.nato.int/cps/en/natohq/news_153661.htm
       
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