# taz.de -- Kolumne Durch die Nacht: Die Musik im Flashmob
       
       > Immer zum Sommeranfang am 21. Juni ruft man zur Fête de la Musique. Damit
       > nämlich das mit dem Musikmachen draußen mal seine Ordnung hat.
       
 (IMG) Bild: Erlaubt ist, was den Musizierenden da draußen so gefällt. Auch massierte Blasmusik
       
       Ob in Kneipen und Parks, vor der Haustüre oder einfach irgendwo auf der
       Straße: überall da draußen in der Stadt möge es Musik geben. Wer für
       andere, ohne dafür Eintritt zu nehmen, musizieren mag, soll dies einfach
       tun. Das ist die Grundidee der Fête de la Musique, die wie jedes Jahr
       wieder zum kalendarischen Sommeranfang am 21. Juni stattfindet.
       
       Doch obwohl Berlin den Ruf hat, dass hier jeder das ganze Jahr über machen
       kann, was er will, ist ausgerechnet dieses Fest des scheinbar ungezwungenen
       Musizierens verbunden mit irre viel Organisationsaufwand und Bürokratie.
       Fahre ich an einem ganz normalen Samstag von Kreuzberg nach Friedrichshain,
       ist eigentlich immer irgendwo auf der Oberbaumbrücke ein Spontanrave, und
       entlang der Warschauer Straße steht ein Straßenmusiker neben dem anderen
       und macht entweder mit seinem Saxofon oder seinem Synthesizer möglichst
       lauter Musik als sein Nachbar.
       
       Wer sich dagegen während der Fête mit seinem Instrument auf die Straße
       stellt, möge doch bitte nicht länger als 60 Minuten an einem Ort spielen,
       und das in einem gewissen Abstand zu anderen Musikanten, erfahre ich im
       Regelwerk der Fête de la Musique auf deren Homepage. Sogar über die Auswahl
       des Dargebotenen hat man sich Gedanken gemacht. Ausgelutschtes wie „Hotel
       California“ oder „Stairway to Heaven“ möge man doch bitte meiden, erfahre
       ich dort. Für den klassischen Gitarrenklampfer, der sich überlegt hat, am
       offiziellen Jeder-darf-Musik-machen-Tag mal vom Lagerfeuer vor die nächste
       U-Bahn-Station zu wechseln, dürfte das keine gute Nachricht sein.
       
       Auch wer sich zur Fête als Kneipier eine der kleinen Bühnen gönnt, von
       denen am nächsten Donnerstag wieder über 120 in der ganzen Stadt verteilt
       sein werden, kann es sich nicht leisten, seine geladenen Musikanten einfach
       mal machen zu lassen. Die Gema will schließlich genau darüber informiert
       werden, wer was spielt, um danach bei den Festivalveranstaltern genauer
       abkassieren zu können. Und man sollte besser ein Formular ausfüllen, das
       einem dann im Fall der Fälle als „Bestätigung der Versicherungsgesellschaft
       zur Vorlage bei der Straßenverkehrsbehörde über den
       Haftpflichtversicherungsschutz für eine Veranstaltung“ dient.
       
       Wer den nächsten Auftritt der Rolling Stones in Berlin organisiert, braucht
       sicherlich einen ähnlichen Wisch.
       
       Neu ist in diesem Jahr bei der Fête etwas, das sich Flashmob-Singalong
       nennt. Ab 19 Uhr, ziemlich passgenau zwischen den WM-Spielen von Frankreich
       gegen Peru und Argentinien gegen Kroatien, die in harte Konkurrenz zu dem
       ganzen Musikhappening treten, soll gesungen werden. Gemeinsam von uns
       allen. Aber auch hier nicht etwa irgendwas und jeder Flashmob-Chor nach
       eigener Fasson, sondern bitte den Anordnungen folgend. „Ode an die Freude“
       darf angestimmt werden, als Bekenntnis zu Europa, wie es heißt. Und in
       einer politisch korrekten Version, in der alle Menschen nicht „Brüder“,
       sondern „Geschwister“ werden sollen. Dann „Imagine“, weil die Welt gerade
       mehr von John Lennons Hippie-Idealen vertragen kann. Und „Don’t Look Back
       in Anger“ von Oasis, eine Versöhnungsgeste in Songformat – Schaut nicht im
       Zorn zurück –, auch wenn sie von einer Band stammt, deren maßgebliche
       Mitglieder sich hoffnungslos zerstritten haben.
       
       Wahrscheinlich wird die Fête des la Musique wieder ein tolles Musikfest.
       Doch wer Straßenmusik in Berlin als unreglementiertes Kreativchaos schätzt,
       muss warten, bis sie wieder vorbei ist. Aber zum Glück ist ja auch das
       bereits festgelegt: Um 22 Uhr ist Schluss.
       
       17 Jun 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Hartmann
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Fête de la musique
 (DIR) Straßenmusik
 (DIR) Sommer
 (DIR) Bürokratie
 (DIR) Kolumne Durch die Nacht
 (DIR) Fête de la musique
 (DIR) Polizei Berlin
 (DIR) Fête de la musique
 (DIR) Fête de la musique
 (DIR) Sommerzeit
 (DIR) Pop
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Fête de la Musique: Der Start in Köpenick
       
       Rundherum gibt es wieder Musik bei der Fête de la Musique, die diesmal mit
       einer Art Vorprogramm in Köpenick beginnt.
       
 (DIR) Kolumne „Durch die Nacht“: Ein Angriff auf den Hedonismus
       
       Es wird gefährlicher in den Clubs. Das legt eine Statistik nahe, über die
       man diskutieren könnte … Ein FDP-Mann fordert daher mehr Razzien – wegen
       Drogen.
       
 (DIR) Fête de la Musique: Mein Block, meine Blockflöte
       
       Zur Fête de la Musique darf jeder öffentlich musizieren. Aber wie? In zehn
       Schritten zum professionellen Straßenmusiker.
       
 (DIR) Kolumne Behelfsetikett: Der ganze Kiez vibriert
       
       Zur Fête de la Musique am Sommeranfangsmittwoch ist die Stadt so voll wie
       nie – aber auch so entspannt wie nie. Das hätte unser Autor gerne öfter
       
 (DIR) Sicherheit bei der Fête de la Musique: Polizeifahrzeuge statt Betonpoller
       
       Konzerte an vielen Orten: Das kann man nicht komplett absichern, sagt die
       Organisatorin. Bei anderen Veranstaltungen gibt es strengere Auflagen.
       
 (DIR) Popgeschäft in Berlin: Musik ist Trumpf
       
       Pop sticht: Der Umsatz steigt, weiter zieht es die Künstler aus aller Welt
       nach Berlin. Gerade der musikalische Mittelstand aber hätte gern bessere
       Karten in dem Spiel.