# taz.de -- Kommentar Parteitag der Linkspartei: Wagenknecht oder offene Grenzen
       
       > Woran hält die Linke fest: an ihrem Internationalismus oder an ihrer
       > Frontfrau Sahra Wagenknecht? Die Partei muss sich entscheiden. Und zwar
       > schnell.
       
 (IMG) Bild: Für Nationalstaat und Zuwanderungsbegrenzung: Linken-Politstar Wagenknecht auf dem Linken-Parteitag am Sonntag in Leipzig
       
       Endlich! Auf dem [1][Parteitag der Linken] am Wochenende in Leipzig ist
       ausgesprochen worden, was schon die ganze Zeit in der Luft liegt. Die
       Linkspartei und ihre Frontfrau Sahra Wagenknecht liegen in einer
       entscheidenden Position entgegengesetzt zueinander: Offene Grenzen für alle
       (Parteigrundsatz) oder nur für ganz wenige? (Wagenknecht). Die Frage, die
       mitschwingt, lautet: Kann die Partei beide Positionen aushalten? Oder eben
       nicht?
       
       Die Berliner Senatorin Elke Breitenbach hat die Frage auf dem Parteitag
       beantwortet: „Du zerlegst diese Partei“, rief sie Sahra Wagenknecht zu.
       Sie, Breitenbach, nehme das nicht länger hin. Breitenbach wird dafür Prügel
       beziehen. Aber sie hat die heuchlerische Harmoniesucht der Linken
       durchbrochen. Sie hat sich entschieden: Beides zusammen geht nicht – offene
       Grenzen fordern und gleichzeitig den Nationalstaat vor Zuwanderern
       abschotten.
       
       Wenn viele in der Linkspartei betonen, Sahra Wagenknecht stünde doch hinter
       95 Prozent des Parteiprogramms, nur fünf Prozent trage sie nicht mit, dann
       verkennen sie: Es sind die derzeit entscheidenden fünf Prozent. Es geht um
       jene fünf Prozent, die Donald Trump in den USA zum Präsidenten gemacht
       haben, es sind jene fünf Prozent, die die Briten aus der EU katapultieren,
       es ist die Fünf-Prozent-Frage nach einem Zurück zum Nationalstaat oder
       einem Bekenntnis zur Internationalität. Und wer sich zur Internationalität
       bekennt, kommt nicht umhin, nicht nur die Einfuhr von Klamotten und
       Computern aus aller Welt zu begrüßen, sondern auch die Menschen, die diese
       herstellen.
       
       Andere in der Linkspartei haben sich eine andere Meinung gebildet als
       Breitenbach. Sie sagen: Klar kann die Linkspartei Sahra Wagenknechts
       Position aushalten. Sie muss sogar, denn Wagenknecht ist das populärste
       Parteimitglied. Wo sie auftritt, hören auch Menschen zu, die nie
       Linkspartei wählen würden.
       
       Wer das so sieht, muss sich aber auch der Konsequenzen bewusst sein. Wenn
       die Linke beides predigt – Internationalismus bei gleichzeitiger
       Abschottung –, gibt sie einen Teil ihres Markenkerns auf.
       
       Das kann gut ausgehen. So wie bei den Grünen, die den strikten
       Antimilitarismus 1999 aufgegeben haben, als sie dem Bundeswehreinsatz im
       Kosovo-Krieg zustimmten und der Bombardierung Serbiens. Die Partei hat
       damals einige Mitglieder verloren, aber heute steht sie in Umfragen gut da.
       
       ## Lässt die Linke Wagenknecht ziehen?
       
       Es kann aber auch schlecht ausgehen. So wie bei der SPD, die 2003 die
       Agenda 2010 beschloss, in deren Folge sich eine bis dahin weithin
       unbekannte Gruppe, das Prekariat bildete. Seitdem hat sich die Partei in
       Bundestagswahlen halbiert und fürchtet allmählich um ihre Existenz.
       
       Für die Linke als Oppositionspartei, die auch auf dem Leipziger Parteitag
       wieder die Internationale trällerte und wie keine andere für das
       „Proletarier aller Länder, vereinigt Euch!“ steht, ginge es vermutlich
       nicht gut aus. Aber das ist spekulativ.
       
       Wenn man aber wie Breitenbach sagt: Nein, Wagenknechts Position verträgt
       sich nicht mit den Grundsätzen der Partei, dann heißt das in der
       Konsequenz: Wagenknecht mag weiter Parteimitglied sein, sie sollte aber den
       Fraktionsvorsitz niederlegen und ihre Politik künftig als Privatsache
       betreiben – also in etwa eine Position einnehmen, wie sie Friedrich Merz,
       Angela Merkels einstiger Gegenspieler in der CDU, heute innehat.
       
       Das könnte im Ergebnis bedeuten, dass die Linkspartei Wagenknecht und einen
       Teil ihrer Wähler und Mitglieder ganz ziehen lässt. Dann gründet
       Wagenknecht eben eine neue Partei. So wie Bernd Lucke, der AfD-Gründer oder
       Frauke Petry, die einstige AfD-Chefin. Geschadet hat das der AfD leider
       nicht. Und vermutlich würde es auch der Linkspartei nicht schaden, wenn
       Sahra Wagenknecht sich mitsamt einer Sammlungsbewegung absetzt, die bis
       dato eher einem Geheimbund gleicht.
       
       Die Linkspartei muss sich entscheiden, ob sie mit oder ohne Wagenknecht als
       Frontfrau weitermacht. Und zwar bald. Sonst schadet sie sich in jedem Fall.
       
       11 Jun 2018
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Linken-Parteitag-in-Leipzig/!5509173
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anna Lehmann
       
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