# taz.de -- Razzia bei Flüchtlingshelfer: Verdächtiger Teegenuss
       
       > In Cuxhaven hat die Polizei die Wohnung eines Mitglieds des
       > Arbeitskreises Asyl durchsucht. Der Verdacht: Er soll die PKK
       > unterstützen. Der Betroffene fühlt sich kriminalisiert.
       
 (IMG) Bild: Meistens bei Demos verboten: Fahne mit dem Konterfei Abdullah Öcalans
       
       HANNOVER taz | Der Flüchtlingsrat in Niedersachsen protestiert gegen eine
       Razzia bei einem seiner Mitglieder. Rund 100 Polizisten hatten in der
       vergangenen Woche elf Objekte im Landkreis Cuxhaven durchsucht. Die Polizei
       verdächtigt „mehrere“ Menschen, illegale Strukturen der Arbeiterpartei
       Kurdistans (PKK) in Deutschland zu fördern und junge Kurden anzuwerben.
       Auch die Wohnung von Karl-Heinz Zulkowski-Stüben war darunter. Der
       70-Jährige ist Mitglied im Arbeitskreis (AK) Asyl in Cuxhaven und fühlt
       sich kriminalisiert.
       
       Der Ehrenamtliche ist in den Ermittlungen der Polizei Beifang. Aus dem
       Durchsuchungsbeschluss für seine Wohnung, der der taz vorliegt, geht
       hervor, dass die Polizei einen 59-Jährigen observiert hat, der in Cuxhaven
       eine Teestube betreibt. Diese sei „ein Treffpunkt der örtlichen Kurden“.
       Dem 59-Jährigen wirft die Polizei vor, gegen das Vereinsverbot verstoßen zu
       haben, indem er neue Unterstützer für die PKK „in den Kreisen der syrischen
       Flüchtlinge“ angeworben und verdeckt Spenden gesammelt haben soll, etwa
       über Tickets mit überhöhten Preisen für kulturelle Veranstaltungen. Auch
       der Verdacht des Rauschgifthandels stand im Raum.
       
       Gefunden hat die Polizei allerdings nur eine geringe Menge Betäubungsmittel
       und musste den 59-Jährigen wieder laufen lassen. Für einen Haftbefehl
       reichte es nicht, so ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Stade.
       
       Zulkowski-Stüben geht gern in die Teestube in der Deichstraße in Cuxhaven.
       Ein- bis zweimal die Woche ist er in dem Laden. Drinnen stünden nur ein
       paar Tische, Männer spielten Karten oder Brettspiele. „Aber nicht um Geld,
       sondern höchstens darum, wer den nächsten Tee bezahlt“, sagt
       Zulkowski-Stüben. „Das sind ganz normale Menschen, die da hingehen.“ Ob
       jemand PKK-nah sei, wisse er nicht.
       
       Die Polizei wurde auf den Ehrenamtlichen aufmerksam. Er unterstütze den
       Hauptbeschuldigten „wissentlich in seinem Tun, indem er Kontakte zu
       deutschen Organisationen herstellt, als Fahrer zu Demonstrationen fungiert
       und über Veranstaltungen mit PKK-Bezug informiert“, heißt es in dem
       Beschluss, den ein Richter des Amtsgerichtes Stade unterzeichnet hat.
       
       Zulkowski-Stüben glaubt zu wissen, was die Polizei damit meint. Gemeinsam
       mit dem Arbeitskreis Asyl hatte er in diesem Jahr den Aufruf zu
       Demonstrationen in Bremerhaven und Hannover unterstützt. „Schluss mit den
       Angriffen auf Afrin“ war die Forderung. Das bezog sich auf die militärische
       Eroberung der kurdischen Enklave Afrin in Syrien durch die Türkei.
       
       „Die Demonstrationen waren genehmigt und wurden nicht von der Polizei
       gestoppt“, sagt Zulkowski-Stüben. Er habe Mitfahrgelegenheiten organisiert,
       nicht aber den Protest. Der Arbeitskreis sei mit mehreren Autos zu den
       Demos gefahren.
       
       „Ich verstehe die Grundlage nicht, auf der das Amtsgericht über die
       Durchsuchung entschieden hat“, sagt er. Sei es etwa so leicht, unter
       Verdacht zu geraten? PKK-Unterstützer sei er nicht, sagt Zulkowski-Stüben.
       Aber eine Meinung hat er schon. Den Kurden sei in der Türkei das Recht auf
       eine eigene Kultur und Sprache abgesprochen worden. „Da entwickelt sich
       zwangsläufig eine Bewegung, die mit Waffengewalt dagegen vorgeht.“ Dass die
       PKK in Deutschland noch verboten sei, habe vor allem damit zu tun, dass es
       einen Deal mit der Türkei in der Flüchtlingsfrage gebe.
       
       Kai Weber vom niedersächsischen Flüchtlingsrat kritisiert die Ermittlungen
       gegen das Mitglied des AK Asyl. „Er identifiziert sich mit kurdischen
       Geflüchteten, die berichten, was in Afrin passiert ist“, sagt Weber. Wenn
       ein Verein zu Protesten und zu Solidarität aufrufe, dürfe das kein Grund
       für eine Razzia sein. Der AK Asyl setze sich seit 33 Jahren für Geflüchtete
       ein. „Das verdient Beifall und keine Strafverfolgung.“
       
       Der Flüchtlingsrat hat im Mai eine [1][Resolution verabschiedet], in dem er
       von der Bundesregierung den „sofortigen Stopp aller Waffenlieferungen in
       die Türkei“ fordert. Zudem erwarte der Verband, in dem viele lokale
       Menschenrechtsvereine organisiert sind, dass die Landesregierung die
       „Kriminalisierung kurdischer Organisationen in Form von Demonstrations- und
       Fahnenverboten, Durchsuchungen und Festnahmen“ zu beenden.
       
       ## Razzien gab es in letzter Zeit mehrere
       
       Razzien gab es in den vergangenen Monaten in Niedersachsen mehrere. Im
       April durchsuchten Polizisten die Räume des [2][kurdischen Vereins Nav Dem
       in Hannover]. Auch hier gab es den Verdacht, die Mitglieder würden junge
       Kurden „für den bewaffneten Kampf der PKK“ anwerben. Im Mai durchsuchten
       Polizisten das [3][linke Kulturzentrum Alhambra in Oldenburg] auf der Suche
       nach einer PKK-Fahne. Ähnliches spielte sich bereits im Februar [4][im
       Gasthof Meuchefitz] im Landkreis Lüchow-Dannenberg ab. Immer rückte die
       Polizei mit einem Großaufgebot an, um vermeintliches PKK-Merchandising
       einzusammeln.
       
       Die Grünen im niedersächsischen Landtag wollen nun eine Anfrage zu den
       Durchsuchungen stellen. „Ich habe da viele Fragezeichen“, sagt die
       Abgeordnete Julia Hamburg. Die Landesregierung solle erklären, welche
       Organisationen sie als bedenklich betrachtet und aus welchen Gründen.
       
       „Für Kurden ist es schwierig, sich politisch zu engagieren, weil immer
       gleich die PKK-Keule droht“, sagt Hamburg. „Da hängt für die Einzelnen viel
       dran, zum Beispiel die Aufenthaltserlaubnis.“ Viele Betroffenen seien
       deshalb eingeschüchtert.
       
       27 Jun 2018
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.nds-fluerat.org/32420/aktuelles/mitgliederversammlung-des-fluechtlingsrats-niedersachsen-fordert-sofortigen-stopp-aller-waffenlieferungen-in-die-tuerkei/
 (DIR) [2] /Razzia-bei-kurdischem-Verein/!5496550
 (DIR) [3] /Linke-Szene-im-Streit-mit-Behoerden/!5508852
 (DIR) [4] /Fragwuerdiger-Polizeieinsatz-im-Wendland/!5483886
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andrea Maestro
       
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