# taz.de -- Anton Hofreiter zum Klimaschutz: „Die größte Aufgabe der Menschheit“
       
       > Die Grünen wollen Klimaschutz in der Verfassung verankern. Fraktionschef
       > Anton Hofreiter erklärt, was das ändern würde.
       
 (IMG) Bild: Ein Sommer der Extreme: Sonnenaufgang in Frankfurt am Main
       
       taz: Herr Hofreiter, Sie möchten den Klimaschutz in die Verfassung
       schreiben. Warum? 
       
       Anton Hofreiter: Das ist richtig. Wir wollen den Klimaschutz im Grundgesetz
       verankern. Der Kampf gegen den Klimawandel ist eine große, wenn nicht die
       größte Aufgabe der Menschheit. Es geht um die Frage, ob und wie die Erde
       für unsere Kinder bewohnbar bleibt. Ein solches Jahrhundertthema muss das
       staatliche Handeln prägen. Es gehört in die Verfassung.
       
       Dort ist schon geregelt, dass der Staat die natürlichen Lebensgrundlagen
       schützen muss. 
       
       Ja. Aber dieser Passus ist allgemein gehalten – und nimmt die Regierung
       beim Klimaschutz nicht ausreichend in die Pflicht. Das reicht nicht. Die
       Bundesregierung soll endlich tun, was sie selbst unterschrieben hat. Sie
       hat sich 2015 in dem Pariser Abkommen völkerrechtlich dazu verpflichtet,
       Klimaschutzziele einzuhalten, um die Erderwärmung auf zwei Grad zu
       begrenzen. Im Grundgesetz könnte man das in eine elegante Formulierung
       gießen.
       
       Wie würde das die Rechtsprechung in Deutschland beeinflussen? 
       
       Gerichte treffen oft Abwägungsentscheidungen. Gegen den Braunkohleabbau in
       Garzweiler wurde zum Beispiel mehrfach geklagt – durch Anwohner und
       Umweltschutzorganisationen. Der Energiekonzern RWE wollte Dörfer zerstören,
       um Kohle abbaggern zu können. Gerichte mussten zwischen dem Recht auf
       Eigentum der Anwohner und der Notwendigkeit der Energieversorgung abwägen.
       Umweltaspekte fielen dabei weitestgehend unter den Tisch. Stünde
       Klimaschutz im Grundgesetz, fielen solche Entscheidungen eher gegen
       Kohlekonzerne aus.
       
       Um den CO2-Ausstoß deutlich zu senken, wäre ein Ausstieg aus der
       Kohleverstromung nötig. Ließe sich der Kohleausstieg einklagen? 
       
       Die Rechtsprechung hat ja keine gesetzgeberische Gewalt, dafür sind
       Regierung und Parlament zuständig. Die Grundgesetzänderung wäre dabei eine
       massive Verstärkung für engagierten Klimaschutz. Das könnte auch Rückenwind
       dafür sein, einen verbindlichen Korridor für den Kohleausstieg zu
       verhandeln. Von KollegInnen anderer Parteien höre ich oft: „Wir würden ja
       gerne, aber es geht leider nicht.“ Damit wäre dann Schluss.
       
       Für eine Grundgesetzänderung ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag
       nötig. Wie wollen Sie Ihre Forderung umsetzen? 
       
       Die Bundesregierung ist bei einigen ihrer Vorhaben auf die Hilfe der Grünen
       angewiesen. Etwa in der Bildungspolitik. Sie will das Kooperationsverbot
       aufweichen und braucht die Zustimmung der Länderkammer. Wir sitzen in neun
       Landesregierungen und können Gesetze im Bundesrat stoppen. Die Idee,
       Klimaschutz im Grundgesetz zu verankern, wird ein wichtiger Teil des grünen
       Verhandlungsszenarios.
       
       Die Große Koalition hat sich bereits vom Klimaziel 2020 verabschiedet und
       zeigt auch sonst wenig Engagement. Warum sollte sie plötzlich einer
       Grundgesetzänderung zustimmen? 
       
       Einfach wird die Durchsetzung nicht. Die Ignoranz der Koalition gegenüber
       dem Klimawandel ist fürchterlich. Uns brennt die Erde unter den Füßen weg
       und Union und SPD sperren sich gegen die Realität. Aber der Druck wird
       größer. Daher bin ich nicht pessimistisch. Warten Sie es ab.
       
       Haben Sie schon Gespräche mit anderen Fraktionen geführt? 
       
       Natürlich führen wir Gespräche. Dem wollen wir nichts vorweg nehmen.
       
       Ist Ihr Vorstoß vielleicht Symbolpolitik ohne Aussicht auf Verwirklichung? 
       
       Wie gesagt: abwarten. Wir werden für unsere Idee kämpfen.
       
       Wie erklären Sie sich, dass Klimaschutz vielen Deutschen egal ist? In
       Umfragen zu Themen, die die Politik beschäftigen sollten, landet er nur im
       Mittelfeld. 
       
       Ich denke schon, dass die Klimakrise bei vielen Menschen mittlerweile ins
       Bewusstsein gerückt ist. Dennoch ist Klimaschutz nicht das Top-Thema für
       viele Menschen. Dafür gibt es mehrere Gründe. Abstrakte Szenarien, die in
       der Zukunft spielen, kann man sich nur schwer vorstellen. Manche Menschen
       denken, der Klimawandel betreffe nur ein paar Südseeinseln. Und nicht
       zuletzt, tut die Große Koalition alles dafür, nicht über den Klimaschutz
       reden zu müssen. Dazu kommt: Das Interesse der ökonomischen Eliten,
       Klimaschutz zu thematisieren, ist auch überschaubar.
       
       Wie meinen Sie das? 
       
       Für konsequenten Klimaschutz müssten wir unsere Wirtschaft, ja: unsere
       ganze Art zu leben hinterfragen. Nehmen Sie nur die Mobilität. Natürlich
       kämpfen wir Grüne für emissionsfreie Autos. Aber es reicht eben nicht, auf
       Elektroautos zu setzen – und weiterzumachen wie bisher. Städte müssten
       fahrrad- und fußgängerfreundlich umgebaut werden. Da ist es bequemer, am
       Status Quo festzuhalten.
       
       Dieser Sommer ist extrem heiß und trocken, solche Wetterlagen häufen sich.
       Zynisch gefragt: Nutzt das Ihrem Anliegen? 
       
       Wie gesagt: Ich nehme eine Änderung im öffentlichen Bewusstsein wahr. Die
       Bevölkerung ist viel weiter als relevante Player in Politik und Wirtschaft.
       Die Klimakrise drängt sich ja längst in den Alltag der Menschen. Im
       vergangenen Sommer hatten wir Starkregen, den Menschen lief der Keller
       voll. Jetzt die extreme Hitze und Trockenheit. Und die nächsten
       Wetterextreme kommen ganz sicher.
       
       16 Aug 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ulrich Schulte
       
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