# taz.de -- Die Wahrheit: Unheiliger Bimbam
       
       > In Lübeck punktet die „Fresh-Prince-of-Bel-Air-Gedächtniskirche zum
       > Fegefeuer“ mit allerlei Zeitgenössischem bei jungen Christen.
       
 (IMG) Bild: Papst Franziskus (genau unter dem Kreuz) segnet die „Fresh-Prince-of-Bel-Air-Gedächtniskirche zum Fegefeuer“ und zu Lübeck
       
       Führende Weltreligion zu sein ist ein hartes Brot. Ältere Anhänger wähnen
       die Liege im Paradies oft noch per Handtuch reserviert – und sterben darob
       bereitwillig dahin. Junge Leute aber ziehen lieber Social-Media-Holzköpfe
       als spirituelle Wegweiser heran. Ist die althergebrachte christliche
       Liturgie mit ihrem Latein also demnächst am Ende? Keinesfalls, denn
       deutsche Kirchengemeinden rüsten auf. Besuchen wir ein fortschrittliches
       Gotteshaus in der Marzipanstadt Lübeck.
       
       Aus der katholischen „Fresh-Prince-of-Bel-Air-Gedächtniskirche zum
       Fegefeuer“ strömt Marihuanadampf. „Mit Weihrauch bringen Sie heute keinem
       Lahmen mehr das Gehen bei“, kommentiert der kräftige Priester mit zwinkernd
       geröteten Augen im Muskelshirt. Young Yeezuz, selbstgewählter
       Kanzel-Kampfname, ist Teil des Pilotprojekts „Junge Kirche“.
       
       Wo aber bleibt das Weihwasser zum Bekreuzigen am Eingang? „Die Kids haben
       hier die Wahl zwischen Ice Bucket oder Hot Water Challenge“, so Yeezy, wie
       ihn seine Freunde nennen. Der 33-jährige Theologiestudienabbrecher
       begrüßt den Küster per kompliziertem Handschlag und präsentiert stolz das
       Kircheninnere, seine „Crib“: Licht kommt von Flatscreenfernsehern statt
       durch traditionelle Kirchenfenster, Relax-Möbel mit Shisha-Lounge-Flair
       zieren die Reihen. Auf der Kanzel windet sich eine Poledancestange.
       
       Verfallen hier in der „Fresh-Prince-of-Bel-Air-Gedächtniskirche zum
       Fegefeuer“ nicht die Sitten? „Wir lassen vor den Kids halt die Hosen runter
       und erzeugen so Vertrauen“, sagt der Geistliche. Auch sein Outfit wurde
       umgemodelt. „Ich trage einen Adidas-Trainingsanzug mit Gucci-Bauchtasche.
       An hohen Feiertagen rocke ich eine Versace-Cap dazu. Der Swag heiligt eben
       die Mittel.“
       
       ## Geiler Scheiss
       
       Triebfeder für den radikalen Richtungswechsel in Lübeck ist die Berliner
       Werbeagentur SechsSechsSechs. „Geiler Scheiß“, nuschelt CEO Torben, der
       gerade in der Sakristei seinen Riechkolben in der kokainbefüllten
       Gesäßritze einer jungen Frau vertieft. „Diesen neuen Undergroundclub hier
       managen wir nice“, so der 22-Jährige. Den „antiken Tünnef“ habe man auf den
       Müll gekloppt, sich endlich auf „moderne Kernkompetenzen“ konzentriert.
       „Party eben“, sagt der Jungchef während er seine Nase erneut in der
       Po-Ebene versenkt.
       
       Auch während der Messe ist Party Programm: Young Yeezuz taucht dann aus
       einem Orkan von Nebel und Konfetti am Altar auf. Neueste Charthits tönen
       lautstark davon, dass in diesem Kirchenschiff das heiligste aller Gebote
       lautet, dass der Bass ordentlich ficken möge. Die Crowd ist in Ekstase
       versetzt; Mädels setzen unter Einwirkung von Psalmen zu Kreischattacken an,
       Jungs entblößen ihre knabenhaften Körper.
       
       Nach Dutzenden von Höhepunkten wenden sich alle wieder ihren Smartphones
       zu. Der Priester schaltet auf Selfiemodus, dann haut er die Predigt per
       Instastory über seinen Account raus. Es hagelt Likes, Likes, Likes. Beichte
       per Twitter? Gar kein Problem: „Unter dem Hashtag #naughtyhuman“, so Young
       Yeezuz, „bin ich aber so was von rund um die Uhr für meine Schäfchen
       erreichbar!“
       
       ## Twerken im Rund
       
       Anstelle einer Orgel und drohender Höllenverdammnis macht anschließend ein
       DJ ordentlich Druck. „Unsere Message soll nicht nur Kopf und Herz
       erreichen, sondern auch die Booties zum Schwingen bringen“, so Young
       Yeezuz, bürgerlich Jochen Ernst. Backgroundtänzerinnen lehren die Gemeinde
       nun, was twerken bedeutet.
       
       Spätestens bei der Eucharistiefeier sind auch die letzten voll am Start.
       Statt fader Oblaten und Messwein werden Ecstasy und Wodka-Energy kredenzt.
       Die Stimmung kommt zum „Höhepunkt“, als ein junges Pärchen nicht Jesus ans
       Kreuz, sondern unter seinem Kreuz zu nageln beginnt. Der Kirchgang
       unterscheidet sich jetzt nicht mehr wesentlich von einem gemütlichen
       Nachmittag bei Kaffee und Kuchen im Berghain.
       
       „Ey, ich wollte heute gar nix saufen, aber dann dachte ich mir,
       Frühschoppen geht eigentlich immer“, lallt ein junger Christ. „Ich habe zu
       Gott gefunden“, ruft eine Frau, die euphorisch an einer Heiligenstatue
       leckt. Ein anderer Gast läuft verwirrt durch den Mittelgang und wiederholt
       mantraartig: „Ich kann Töne sehen! Ich kann Töne sehen!“
       
       In der „Fresh-Prince-of-Bel-Air-Gedächtniskirche zum Fegefeuer“ zu Lübeck
       sprechen die eklatant höheren Besucherzahlen mittlerweile für einen
       massiven Umschwung: „Wir haben locker 200 bis 300 mehr Gäste pro Messe,
       berichtet Priester Young Yeezuz. „Es läuft so gut, dass wir bald auch
       Freitag und Samstag jeweils eine durchführen“. Kein Wunder: Bei fünf Euro
       Eintritt und zehn Euro Mindestverzehr kommt sonntags schon eine Menge Holz
       zusammen.
       
       Die neue Popularität und vor allem den Geldsegen will die
       „Fresh-Prince-of-Bel-Air-Gedächtniskirche zum Fegefeuer“ sinnvoll nutzen:
       „Ich hätte gerne Goldzähne. Und einen Altar aus purem Gold. Ach, was
       soll’s, wir vergolden einfach die ganze Hütte!“ Young Yeezuz’ Augen
       leuchten. Das Marihuana dampft immer noch.
       
       20 Aug 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Felix Bartsch
       
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