# taz.de -- Kurt Scheel ist tot: Oft hadernd – und doch brillant
       
       > Autor, Gastgeber, Kritiker, Kino-Nerd und Freund sondergleichen: Kurt
       > Scheel, einst Herausgeber des „Merkur“, ist am Dienstag gestorben.
       
 (IMG) Bild: Wollte von sich nichts hermachen: Kurt Scheel
       
       BERLIN taz | War das nicht erst neulich, als er aus dem Café Auster im Haus
       der Kulturen der Welt an der Spree ging? Als er den Ort der
       Trauerzusammenkunft der Freunde und Freundinnen des im März verstorbenen
       Michael Rutschkys, eines seiner engsten Freunde, hinter sich ließ? Kurt
       Scheel sah wie immer aus, mittelgutgelaunt und mürrisch zugleich, aber das
       auf eine Weise, die niemanden verprellen wollte. Viele wussten: Er wird
       nun, wie mit dem sterbenden Freund Rutschky verabredet, die nächste Folge
       seiner „Aufzeichnungen“ editieren.
       
       Das hat Kurt Scheel, soweit man hört, geschafft, auch ein Vorwort ist noch
       hinzugekommen, verlagsfertig, alles picobello und tiptop als Lektor
       küchenfertig bearbeitet. Der bis 2011 – neben Karl Heinz Bohrer – als
       Herausgeber der Intellektuellenzeitschrift „Merkur“ arbeitende Germanist
       ist am Dienstag gestorben.
       
       Der 1948 in Hamburg geborene Scheel war ein oft hadernder, aber dann doch
       brillanter Autor und Stichwortlästerer, der schwerstveräppelnden Edelunsinn
       verzapft, [1][so zuletzt in der taz auf der „Wahrheit“-Seite.] Seine
       Beiträge [2][im Blog „Das Schema“] waren Zeugnisse
       ätzend-abweisend-freundlicher Zeitgenossenprosa – eines Mannes, der sich
       für wenig zu schade war und nichts so hasste, wie Auskünfte von
       Ungeistverwandten, sie säßen zwischen den Stühlen. Scheel hat ihnen die
       Stuhlbeine süffisant wegzukegeln gewusst – weil sie Poseure und Poseusen
       seien, jene, die auf die Weltläufigkeit der Kritiker halten, also die der
       Krittelnden und Nörgelschlusen.
       
       Und er war so viele Jahre Freund, der feinst kochte und ausschenkte, der
       noch im buntesten Jayne-Mansfield-Film die ästhetische Verwandtschaft zu
       Godard und anderen Nouvelle-Vague-Heiligen zu erkennen wusste. Er erkannte
       in beliebigen Edgar-Wallace-Filmen mehr subversives Potential, Lustigkeit
       sowieso, als in allen Machwerken des Neuen Deutschen Films, die er schon
       ihrer chronischen Schlechtgelauntheit wegen hasste. Kein Wunder, dass er
       John Wayne lobpries, wo es ging, [3][oft tat er dies vor vielen Jahren in
       der taz, wie Kathrin Passig es angemessen würdigte].
       
       ## Deutsche Vermieftheiten gerügt
       
       In den vielen Jahren als faktischer Chefredakteur des „Merkur“ (hier
       [4][ein Gespräch in der taz.am Wochenende kurz vor seinem Abschied] von
       diesem in der Berliner Mommsenstraße siedelnden Periodikums) hat er viel
       dafür getan, dass gewisse deutsche Vermieftheiten in der politischen
       Diskussion, sei es von rechts oder, besonders gern, weil Mainstreamig, von
       links, nicht ohne Rüge davonkommen. Er kam nur noch selten in die Räume des
       „Merkur“, hielt sich aus allem, was dort geschah, als er nichts mehr
       bestimmte, raus. Der Sohn eines Kinobesitzers von der Hamburger Elbinsel
       Altenwerder, wollte von sich nichts hermachen: Was auch schade war.
       
       Und mit wärmster Anteilnahme, ohne die Contenance verlieren zu wollen, hat
       er Michael Rutschky als Freund beim Sterben begleitet, im Krankenhaus und,
       als er nicht mehr lebte, die Seeurnenbestattung organisiert.
       
       Er war, weil er nicht so nahbar wirkte, einer der nettesten und
       freundlichsten und sympathischsten Menschen, der sich nur denken lässt. Es
       ist zum Kotzen traurig.
       
       1 Aug 2018
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Die-Wahrheit/!5479283
 (DIR) [2] https://das-schema.com/2018/07/29/brief-an-kohlhammer-44/#more-5256
 (DIR) [3] /!207958/
 (DIR) [4] /Kurt-Scheel-ueber-Europa-und-das-Rauchen/!5111606
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jan Feddersen
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Autor
 (DIR) Journalist
 (DIR) Essay
 (DIR) Navid Kermani
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Essay zu Schriftsteller Michael Rutschky: Mit Madonna auf der Autobahn
       
       Der Autor Marc Degens führt mit einem Essay über Schriftsteller Michael
       Rutschky vor, wie autofiktionales Schreiben sein kann: „Selfie ohne
       Selbst“.
       
 (DIR) Die Wahrheit: Problemzone Rumpsteak
       
       Statt eine Nachrufs: Kurt Scheels Beitrag zur legendären Serie „Wahre
       Lokale“ über das Wirtshaus „Zur Schleuse“ im längst planierten
       Hamburg-Altenwerder.
       
 (DIR) Die Wahrheit: „Ich tanze auf zu vielen Hochzeiten“
       
       Das Wahrheit-Interview: Ein Gespräch mit dem deutschen
       Schwerintellektuellen Navid Kermani über Auszeichnungen, Preise und
       Ehrungen.
       
 (DIR) Kurt Scheel über Europa und das Rauchen: "Denken muss sein wie ein Foxterrier"
       
       Kurt Scheel war dreißig Jahre Redakteur und Herausgeber des "Merkur". Nun
       hört er auf - mit einem Heft über "Nonkonformismus".