# taz.de -- Verfassungsgericht zu Holocaust-Aussagen: Leugnen ist wie Billigen
       
       > Den Holocaust hat es nicht gegeben? Wer das behauptet, gefährdet den
       > „öffentlichen Frieden“ und wird daher zu Recht bestraft, urteilt
       > Karlsruhe.
       
 (IMG) Bild: Hier wurde Ursula Haverbeck der Prozess gemacht
       
       Das „Leugnen“ des Holocausts gefährdet in der Regel den „öffentlichen
       Frieden“ und wird daher zu Recht bestraft. Das entschied jetzt das
       Bundesverfassungsgericht im Fall der [1][notorischen Holocaust-Leugnerin
       Ursula Haverbeck]. Dagegen muss bei einer „Verharmlosung“ des Holocaust die
       Eignung zur Friedensgefährdung von den Gerichten ausdrücklich festgestellt
       werden.
       
       Die 89-jährige Haverbeck hatte in einer Reihe von Publikationen behauptet,
       das Vernichtungslager Ausschwitz-Birkenau sei ein reines Arbeitslager der
       Rüstungsindustrie gewesen. Dort seien keine Juden vergast worden. In der
       historischen Forschung gilt dagegen als gesichert, dass in
       Auschwitz-Birkenau rund 900.000 Menschen in Gaskammern ermordet wurden. Die
       einschlägig vorbestrafte Haverbeck wurde deshalb [2][2017 vom Landgericht
       Verden] zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt.
       
       Im zweiten Fall hatte der Betreiber von Netzradio Germania einen Beitrag
       gesendet, in dem es hieß: „Die historischen Wahrheiten werden verfolgt, als
       Revisionismus diskreditiert oder als Holocaust-Leugnung und Relativierung
       von Nazi-Verbrechen mit Kerker bestraft.“ Weil in diesem Kontext mehrfach
       von „Lügen“ die Rede war, wurde der Betreiber vom Landgericht Paderborn
       2015 wegen „Verharmlosung“ des Holocaust zu einer Geldstrafe von 3.000 Euro
       (100 Tagessätze) verurteilt.
       
       Die Verfassungsrichter betonten, die Verbreitung offensichtlich falscher
       Tatsachen sei nicht von der Meinungsfreiheit geschützt, da Lügen zum
       gesellschaftlichen Diskurs nichts Sinnvolles beitragen können. Soweit
       Holocaust-Leugner ihre Behauptungen mit Argumenten unterlegen, gelte zwar
       die Meinungsfreiheit. Verbote seien dann aber auf gesetzlicher Grundlage
       möglich. Ausnahmsweise seien auch Gesetze gegen bestimmte Meinungen
       zulässig, wenn es um NS-Verbrechen gehe. Das hatte das
       Bundesverfassungsgericht schon in seinem Wunsiedel-Beschluss von 2009
       entschieden. Die Aussagen zur „Billigung“ von NS-Verbrechen wurden nun auf
       die „Leugnung“ des Holocaust übertragen.
       
       ## „Friedlichkeit“ muss geschützt sein
       
       Die Richter betonten aber, dass mit Blick auf den hohen Wert der
       Meinungsfreiheit NS-Aussagen nicht per se bestraft werden können. Erst wenn
       der „öffentliche Friede“ gefährdet sei, kämen Verbote in Betracht. Eine
       „Vergiftung des geistigen Klimas“ genüge dabei nicht. Im freiheitlichen
       Staat müsse man mit „beunruhigenden“ und „provokanten“ Meinungen leben,
       selbst wenn sie auf eine „Umwälzung der geltenden Ordnung gerichtet“ sind.
       Geschützt sei aber die „Friedlichkeit“ der öffentlichen Auseinandersetzung.
       Diese sei gefährdet, wenn Meinungsäußerungen auf reale Handlungen von
       anderen abzielen, etwa „in Form von Appellen zum Rechtsbruch, aggressiven
       Emotionalisierungen“ oder wenn sie „durch Herabsetzung von Hemmschwellen“
       den Frieden unmittelbar gefährden können.
       
       Wie bei der „Billigung“ von NS-Verbrechen, sei bei der „Leugnung“ des
       Holocaust die Eignung zur Gefährdung des öffentlichen Friedens „indiziert“.
       Sie müsse von den Gerichten deshalb im Einzelfall nicht mehr geprüft
       werden, so die Verfassungsrichter. Denn die „Leugnung“ des Holocausts könne
       in Deutschland „nur so verstanden werden“, dass er damit zugleich
       „legitimiert und gebilligt“ werde. Die Leugnung sei auch geeignet,
       Gleichgesinnte zu „Aggressionen“ gegen Holocaust-Opfer zu veranlassen, da
       diese die „Urheber“ der angeblichen Geschichts-Verzerrung seien.
       
       Dagegen müsse bei einer „Verharmlosung“ des Holocaust im konkreten
       Einzelfall die Eignung zur Friedensgefährdung gerichtlich festgestellt
       werden. Dieser Anforderung wurde das Landgericht Paderborn nicht gerecht,
       weshalb das Urteil gegen den Webradio-Betreiber aufgehoben wurde. Künftig
       werden Gerichte entsprechende Textbausteine, etwa zur „Herabsetzung von
       Hemmschwellen“, in ihre Urteile einbauen.
       
       AZ.: 1 BvR 673/18 und 1 BvR 2083/15
       
       3 Aug 2018
       
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