# taz.de -- Die Wahrheit: Scooterman und die Kaffeehauskiller
       
       > Ein neuer Scooter! Unser Held bekommt ein schnittiges Elektromobil. Und
       > erlebt gleich bei der ersten Fahrt einen bedauerlichen Verlust.
       
       Bereits am Vormittag hatte es an Scootermans Tür geklingelt. Im Flur stand
       ein Vertrauen erweckender Mann mit gepflegtem Vollbart und leichtem
       Bauchansatz. Der sagte ihm, dass sein neuer Elektroscooter zur Übergabe und
       zur Probefahrt im Erdgeschoss auf ihn warten würde.
       
       Eine erfreuliche Nachricht – wenn man von dem kleinen Detail absah, dass
       die Krankenkasse dem Scooterman diese Gehhilfe einzig deshalb spendierte,
       weil er seit sechzehn Jahren an Multipler Sklerose leidet. Einer
       unheilbaren Krankheit also, die das zentrale Nervensystem angreift und erst
       dafür gesorgt hat, dass der Scooterman für Strecken über zwei Meter einen
       Rollstuhl benötigt. Oder eben einen schnittigen Elektroscooter.
       
       Wer an diesem Vormittag vor dem Rollstuhlwechselraum zusah, wie die neue
       Gehhilfe dem Scooterman übergeben wurde, der sah: Es war Liebe auf den
       ersten Blick. Oder zumindest Zuneigung. Das schmucke neue Gefährt war in
       Silber und Schwarz gehalten. Es konnte mit einer Ladung bis zu 35 Kilometer
       weit fahren, und es meisterte Steigungen und Gefälle von bis zu dreißig
       Prozent, ohne ins Ruckeln zu geraten. Kein Wunder, dass der enthusiastische
       Scooterman geschwind eine Nachbarin zur gemeinsamen Ausfahrt in die
       Wilmersdorfer Straße überreden konnte.
       
       „Vor ein paar Jahren, als ich die MS noch mit wadenlangen Mänteln und
       bequemem Schuhwerk überspielen konnte, da verdiente ich mir den einen oder
       anderen Extra-Euro als Hugendubel-Double. Habe ich dir das eigentlich
       jemals erzählt?“, log Scooterman seiner Begleiterin frech ins Gesicht. Dann
       drückte er die Eingangstür zur Hugendubel-Filiale auf.
       
       Im zweiten Stock wartete das Café auf die beiden. Hier hatte der Scooterman
       oft gesessen, als er für einige Jahre im selben Block gewohnt hatte. Die
       Sessel waren immer noch so klobig und schwer wie im vorigen Jahrzehnt.
       Entlang der Fenster waren immer noch einige Bretter montiert, auf denen man
       seine Getränke abstellen konnte. Und notfalls auch sein Stück Kuchen. Wenn
       es gelang, eine der Studentinnen heranzulocken, die hier üblicherweise
       gestresst zwischen den Tischen herumflitzten. Doch die waren heute
       anscheinend nicht da. Egal wie streng Scooterman auch um sich schaute.
       
       Plötzlich sah er etwas anderes. Ein Kaffeeautomat war an die Wand
       geschraubt worden. Für jedes Getränk musste man zunächst zwei Euro in den
       Automaten werfen, dann einen zweistelligen Code eingeben und einen
       Pappbecher unter den Hahn stellen. Der begann zu röcheln, und irgendwann
       war der Becher voll. Mit Café crème, Tee oder Gemüsebrühe. Spätestens am
       Nachmittag dürften sich auch die Geschmäcker der Getränke angenähert haben.
       Schätzte jedenfalls Scooterman.
       
       Doch weil das Wetter schön, das Gespräch nett und der Scooter neu war,
       versagte sich der eigentlich zu jeder Form von Missmut berechtigte
       Scooterman heute jeden Anflug von Kritik.
       
       30 Aug 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Knud Kohr
       
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