# taz.de -- Die Wahrheit: Scooterman spielt Monopoly
       
       > Noch bevor der Scooterman an Multipler Sklerose erkrankte, leistete er in
       > seiner Jugend erstmals Widerstand gegen ein Regime.
       
       Kürzlich ist Ihrem Scooterman eine Abenteuergeschichte eingefallen, die er
       vor vielen Jahren erlebt hat und bei der er erstmals erbitterten Widerstand
       leistete. Damals war er ungefähr sieben Jahre alt. Und der einzige Mensch,
       der ihm hätte helfen können, war zwei Jahre jünger als er.
       
       Er hieß Ulf oder Olaf. Seine Mutter war Mitglied bei den Zeugen Jehovas,
       einer Sekte mit tausend Verhaltensregeln für jede Lebenssituation. Die
       Mutter lauerte immer schon hinter der Eingangstür ihres Einfamilienhauses
       und bevor man die durchschritten hatte, sagte sie schon: „‚Guten Tag‘, sagt
       der Bauer, wenn er in die Stadt kommt.“ Kein Wunder, dass sie nie irgendwo
       zum Kaffeetrinken eingeladen wurde. Nicht mal bei der Mutter vom
       Scooterman.
       
       Einmal nahmen die Mutter vom Scooterman den Sohn und die kleine Tochter der
       Jehova-Mutter trotzdem mit auf den Fleckenmarkt. So heißt die zweimal
       jährlich stattfindende Kirmes in Cuxhaven, dem Sündenpfuhl an der
       Nordseeküste und drittgrößten deutschen Seehafen. Jedenfalls Ende des
       vorigen Jahrtausends. Wo Seemänner nach langer Fahrt wieder festen Boden
       unter ihre Füße bekamen. Und natürlich nur eins im Sinn hatten.
       
       Die tief gläubige Mutter musste erkennbar mit sich ringen, bis sie ihrer
       Tochter sechs einzelne Mark-Stücke in die Hand zählte. „Die wachsen nicht
       auf Bäumen“, gab sie dem Kind in strengem Ton mit auf den Ausflug in eine
       Welt, wo Raupenbahnen und ähnlich sündige Versuchungen lauerten. Als die
       Tochter später daheim abgegeben wurde, hatte sie noch zwei Mark übrig. Die
       Jehova-Mutter erbleichte. „Siehst du, sie wollen alle nur dein Geld“, waren
       ihre Worte, als sie die Tochter am Ärmel ins Haus zog. Bei den nächsten
       Fleckenmärkten durfte sie selbstverständlich nicht mitkommen. Aber die Saat
       des Bösen war gesät.
       
       Heute arbeitet die Tochter als unterernährtes Fotomodel und wird von einer
       Agentur in Hamburg vertreten. Oder was man so Agentur nennt, wie ihre
       Mutter mit strenger Stimme gesagt hätte. Aber mit der redet sie schon seit
       Jahren nicht mehr.
       
       Doch eigentlich sollte es hier ja um eine Abenteuergeschichte gehen. Man
       musste also die Jehova-Mutter grüßen, bevor man endlich mit Ulf-Olaf zum
       Spielen in den ersten Stock gehen durfte. „Aber nicht schummeln! Der liebe
       Gott sieht alles“, gab einem die Mutter mit auf den Weg.
       
       Im ersten Stock durfte Scooterman dann endlich „Monopoly“ spielen. Um den
       Preis, dass er den zugigen Platz am Fenster einnahm und ansonsten die
       Klappe hielt. Nach einer Stunde verschwand Ulf-Olaf kurz aufs Klo und ließ
       Scooterman allein am Spielbrett. Der schaute sich die Position der
       Spielsteine an und schob seinen zwei Felder nach vorn, um sich nicht
       widerstandslos einem Trottel wie Ulf-Olaf zu unterwerfen. Nach zwei Minuten
       kam der schließlich zurück und schob den Spielstein des Scooterman zwei
       Felder zurück. Allerdings versäumte Ulf-Olaf „Der liebe Gott sieht alles“
       zu sagen.
       
       21 Nov 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Knud Kohr
       
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