# taz.de -- 40 Jahre taz: Frauenjournalismus: Die Anfänge von Herstory
       
       > Die Geschichte des Frauenjournalismus in der taz ist eine Geschichte von
       > Widersprüchen, großen Hoffnungen und tiefen Enttäuschungen.
       
 (IMG) Bild: Auch heute noch müssen Frauen für ihre Rechte kämpfen
       
       BERLIN taz | Zwei taz-Frauenseiten in dieser „Dino“-taz – und Überraschung:
       unwidersprochen. Ganz zu Anfang – bis Februar 1980 – gab es gar keine
       taz-Frauenseiten. Frauenseiten waren Nischen, etwas für Wochenendausgaben
       „bürgerlich-reaktionärer“ Medien, mit Mode, Kochrezepten, antiquierten
       Frauenbildern. Diese Seiten jetzt bieten Gelegenheit, aus 40-jähriger
       Distanz und doch empathischer Nähe die Anfänge von taz-Frauenjournalismus
       in ihren Widersprüchen, Verwerfungen, hochfliegenden Hoffnungen und tiefen
       Enttäuschungen Revue passieren zu lassen. Auch das, was damals in den
       Zeiten erbitterter Geschlechterkämpfe ungesagt blieb und was heute, scheint
       mir, oft nach ähnlichen Mustern abläuft.
       
       In der Frauenredaktionsgruppe träumten wir von der Hälfte der Zeitung von
       und für Frauen. Wir fühlten uns emanzipiert, selbstbewusst,
       durchsetzungsfähig, oder taten zumindest so. Getragen von der Euphorie, das
       „Projekt Tageszeitung“ mit den „Genossen“ aufzubauen, und von Frauenpower,
       die, so schien es, gesellschaftlich auf dem Vormarsch war: Aufbruch in eine
       Zukunft, die weiblich ist, mit Frauenzentren, -buchläden, Initiativen gegen
       Gewalt, von Frauen besetzten Häusern und Parolen wie „Die Herrschaft der
       Schwänze hat ihre Grenze“. Nicht nur ich wollte Kapitalismus samt
       patriarchalen Strukturen abschaffen und dachte, die Mehrheit der taz-Männer
       wollte das auch.
       
       Mit der Tagesproduktion kam die Ernüchterung. Ermüdende Streits auf
       Redaktionskonferenzen um Relevanz und Platz. Oft blieben Frauenthemen auf
       der Strecke. Angeblich zu wenig politisch oder aktuell, schlecht
       recherchiert oder geschrieben. Ein Teil der Männer, immer sekundiert von
       Frauen, offenbarte eine herabwürdigende, objekthafte Sicht auf Frauenkörper
       und Sex.
       
       Das Fass zum Überlaufen und den ersten Frauenstreik brachten dann „Gernot
       Gailers“ Männerfantasien ([1][siehe Ute Scheub: „Nichts als die nackte
       Wahrheit“]). Ein weiterer Frust: Gerade in den ersten Jahren zeigten sich
       die verschiedenen Frauenszenen skeptisch bis misstrauisch gegenüber diesem
       linken „Macho-“Blatt; ihre Infos flossen spärlich, sollten nur unverändert
       ins Blatt. Unser Dilemma: Wir wollten ihre Akzeptanz, aber nicht nur
       Sprachrohr sein.
       
       ## Frustration bis zur Aufgabe
       
       Die Kritik und Ablehnung von außen wie innen nagten am Selbstbewusstsein,
       schürten Selbstzweifel, ob wir die eigenen Ansprüche eines
       frauenpolitischen Journalismus erfüllen könnten. Ein weiteres Dilemma: Wir
       waren zum Teil mit diesen Männern befreundet, flirteten, hatten
       Liebesbeziehungen, wollten ihre Anerkennung und eben auch Solidarität.
       
       Sie aber führten uns vor Augen: Dieses linksradikale, antihierarchische
       Projekt ist keine Insel der Glückseligen, sondern Spiegel
       geschlechterpolitischer Machtbeziehungen. Daran konnten auch Frauenstreik,
       Frauenquote, regelmäßige Frauenseiten nichts ändern. Dass rund 20
       taz-Frauenredakteurinnen im Lauf der Zeit das Handtuch geschmissen haben,
       spricht für sich.
       
       Dennoch halte ich diese Kämpfe nicht für vergeblich. Zwar habe ich heute
       bei vielen Themen und Debatten Déjà-vu-Erlebnisse. Noch immer ist
       sexualisierte Gewalt an Frauen, Kindern, in Familien verbreitet, wird
       bagatellisiert, und Frauenhäuser bekommen zu wenig Geld. Noch immer werden
       Frauen vor Gericht als Vergewaltigungsopfer entwürdigend behandelt, wieder
       gibt es Kämpfe um das Recht auf Abtreibung. Doch heute bleiben diese Themen
       nicht in der frauenpolitischen oder linken (oder linksliberalen) Szene. Sie
       haben in den gesellschaftlichen Mainstream gefunden – wenn auch zu wenig.
       
       Dabei spielt die rasante Entwicklung des Internets eine große Rolle. #MeToo
       und zuvor der #Aufschrei zeigen: Hier ist eine neue, offensive Frauenszene
       herangewachsen, jenseits des Karriere-Feminismus zu Anfang der 2000er
       Jahre, der von neoliberalem Denken gespeist war. Und es gibt, vor allem von
       Frauen-/Lesbenbewegungen erkämpft, frauenfreundlichere Gesetze – zum Schutz
       gegen Sexismus, Gewalt auch in der Ehe – und ganz unterschiedliche
       Geschlechterbilder und Lebensformen wie die Homoehe sind institutionell
       anerkannt.
       
       Auch der gegenwärtige Rollback, im Rechtsnationalismus und Populismus auf
       die Spitze getrieben, ist Reaktion auf erkämpfte Errungenschaften. Hier
       geht es im Kern um patriarchale Selbstbehauptung, die Verteidigung
       männlicher Privilegien und Definitionsmacht bis ins Private hinein. Im
       Extrem bricht sie sich Bahn durch An- und Übergriffe auf Geflüchtete,
       Migrant*innen, „das Fremde“ und damit auch geschlechterpolitisch „Andere“
       schlechthin. Insofern sind Sexismus und Rassismus eng miteinander verwoben.
       Geschlechterkämpfe mit intersektionalem Blick bleiben deshalb wichtig.
       
       ## Öffentlich ausgetragener Geschlechterkampf
       
       Doch ich sehe keinen Grund zu Verzagtheit oder Resignation. Gerade wir
       Frauenbewegten haben mit unseren Kämpfen zum gesellschaftlichen Wandel, zu
       einer vielfältigeren und offeneren Gesellschaft viel beigetragen. Daran
       hatte auch die taz ihren Anteil. Verdienst und Besonderheit: Sicher auch
       dem Zeitungscharakter geschuldet, hat die taz ihre internen
       Geschlechterkämpfe nach außen getragen, in aller Verkrampfung und
       Verdruckstheit, die woanders gedeckelt werden.
       
       Nicht zuletzt durch die „Skandale“ hat sie Anstöße gegeben und sich selbst
       veränderungswillig gezeigt. Mit ihren Bemühungen um eine inzwischen breiter
       gefächerte geschlechterpolitische und interkulturelle Berichterstattung ist
       sie als Tageszeitung Vorreiter, allen neoliberalen Wendungen zum Trotz, die
       sie leider auch mitmacht(e). Ob zwei stellvertretende Chefredakteurinnen
       (mit einem Häuptling) Ausdruck davon sind, wird sich erweisen.
       
       Und schließlich: Ich selbst habe der taz zu verdanken, eine unerschrockene
       Feministin geworden zu sein, mit Streitlust und Beharrungsvermögen. Wie
       sonst könnten wir der Utopie einer Gesellschaft näherkommen, die ohne
       Gewalt und Diskriminierung ist, in der Geschlecht keine Bedeutung mehr hat
       und erst recht nicht über Macht entscheidet?
       
       Ja, ich habe immer noch die Vision einer Gesellschaft, in der Herkunft,
       Geschlecht, Hautfarbe und die Ethnisierung von Religion keine Rolle
       spielen, in der Menschen nicht als Ware verkauft und ausgebeutet werden,
       mit bunten Lebensformen, einem Wirtschaften ohne Profitstreben und
       Wachstum, ohne die ungerechte Verteilung von Besitz, Ressourcen und Macht.
       
       27 Sep 2018
       
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