# taz.de -- Münchner Demos gegen Politik der Angst: Von Ankerzentren bis Polizeigesetz
       
       > In München gehen zehntausende Menschen gegen den Rechtsruck in der
       > Politik auf die Straße. Das ist eine Woche vor der Landtagswahl kein
       > Zufall.
       
 (IMG) Bild: Am Nachmittag spricht die Polizei von 17.000, die Veranstalter sprechen von 40.000 Teilnehmern
       
       MÜNCHEN taz | Über das Jahr hinweg sind die Münchner zu einem
       Demo-begeisterten Völkchen geworden. Am Mittwoch war der Odeonsplatz
       unüberschaubar voll, die beiden bayerischen Löwen auf der Feldherrnhalle
       blickten auf eine riesige Menschenmenge mit vielen bunten Plakaten. Unter
       dem Motto „Jetzt gilt’s“ hatten zwei Bündnisse zur Kundgebung „Gemeinsam
       gegen die Politik der Angst“ aufgerufen.
       
       Das Bündnis „Ausgehetzt“ wendet sich gegen Menschenfeindlichkeit und
       Rassismus in der Politik, „noPAG“ bekämpft das neue bayerische
       Polizeiaufgabengesetz, das nach Meinung des Bündnisses Freiheitsrechte
       einschränkt und den Weg in einen Überwachungsstaat ebnet.
       
       „Das Problem heißt Rassismus“, steht nun auf einem Plakat auf der Demo –
       eine Anspielung auf Bundesinnenminister und CSU-Chef Horst Seehofer, der
       kürzlich die Zuwanderung als „Mutter aller Probleme“ bezeichnet hat. Der
       Spruch „München ist bunt“ ist schon ein Klassiker, auf einem anderen selbst
       gebastelten Transparent wird gefordert: „Aufstand für Anstand“.
       
       Zahlreiche Organisationen und Parteien unterstützen „Jetzt gilt’s“,
       darunter Seenotretter, Flüchtlingsorganisationen, Grüne, SPD und Linke.
       Nicht ohne Grund wurde dieser Feiertag zum Demonstrieren ausgesucht: In
       eineinhalb Wochen ist bayerische Landtagswahl.
       
       „Ausgehetzt“-Organisator Thomas Lechner ruft von der Bühne: „Keine Stimme
       für die AfD und alle Parteien, die den Rechtsruck befördern.“ Laura Pöhler
       von noPAG beklagt: „Wir erleben Rassismus, Nationalismus, Antisemitismus,
       Antifeminismus.“ Sie möchte am liebsten alles abschaffen, was die CSU mit
       ihrer absoluten Mehrheit seit dem Frühjahr eingeführt hat: das
       Polizeigesetz, das umstrittene bayerische Integrationsgesetz, verschärfte
       Videoüberwachung, Abschiebungen in Kriegs- und Krisengebiete, die
       Ankerzentren als zentrale Unterkünfte für Asylbewerber. Am Nachmittag
       spricht die Polizei von 17.000 Teilnehmern der Demo, die Veranstalter
       sprechen von 40.000 Menschen.
       
       ## Mit Akkordeon und Horn ausgestattet
       
       Thomas Lechner von Ausgehetzt spricht von einem Münchner Jahr der Demos und
       des Protestes: Am 10. Mai brachten 30.000 Demonstranten gegen das
       Polizeigesetz den Marienplatz zum Bersten. 50.000 Menschen verstopften am
       22. Juli unter dem Ausgehetzt-Motto den Königsplatz und die zu ihm
       führenden Straßen. Und nun der Odeonsplatz.
       
       Die Stimmung war auch jetzt durchweg friedlich-fröhlich-engagiert. Die
       Parteien stellten sich nicht in den Vordergrund, stattdessen kamen viele
       Bürger. Aus Rosenheim etwa ist eine Gruppe junger Volksmusiker in Tracht
       angereist und mit Akkordeon und Horn ausgestattet. Auf ihrem Transparent
       steht, passend zum gerade laufenden Oktoberfest: „A Mass statt Hass!“
       
       Auf einem die Demo begleitenden Lkw steht: „Wolpertinger against racism“.
       Wer es nicht weiß: Beim Wolpertinger handelt es sich um ein bayerisches
       Fabelwesen unterschiedlicher Ausprägung, eine Kreuzung etwa aus
       Eichhörnchen, Ente und Kaninchen. Ein paar Meter vom Odeonsplatz entfernt
       unterhalten sich einige ziemlich wild aussehende Biker vom Motorradclub
       „Kuhle Wampe“ angeregt mit Polizisten.
       
       Für kurze Irritation sorgen Nebenschwaden am Demozug, die aber von der
       Nebelmaschine eines Wagens kommen. Manche Demonstranten diskutieren auf dem
       Weg über das schon wieder maue 1:1 des FC Bayern München am Vorabend gegen
       Ajax Amsterdam. Auch die ältere Generation ist vertreten. Eine Frau hält
       ein Plakat in die Höhe: „Omas gegen rechts“.
       
       3 Oct 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Patrick Guyton
       
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