# taz.de -- Polizeischutz für Journalisten: Begleitetes Berichten?
       
       > Gerade bei rechten Demonstrationen mehren sich Übergriffe auf
       > Journalisten. Der DJV fordert besseren Polizeischutz – andere sind
       > skeptisch.
       
 (IMG) Bild: Polizisten schützen eine rechte Demo in Chemnitz
       
       Journalisten werden immer häufiger zum Ziel von Gewalt durch Rechtsextreme:
       Die rechte Terrorzelle „Revolution Chemnitz“ [1][soll Angriffe auf
       Pressevertreter geplant haben]. Im sachsen-anhaltinischen Naumburg wurde
       ein freier Mitarbeiter der Lokalzeitung vor einem Supermarkt [2][von drei
       Jugendlichen bespuckt] und mit einem spitzen Gegenstand angegriffen – ob
       die Attacke im Zusammenhang mit seiner journalistischen Tätigkeit steht,
       ist noch unklar, einer der Jugendlichen soll jedoch den Hitlergruß gezeigt
       haben.
       
       Das Europäische Zentrum für Presse- und Medienfreiheit zählte bis Mitte
       September bereits 22 tätliche Übergriffe auf Journalisten. Reporter ohne
       Grenzen rechnet damit, dass die Zahl der Angriffe auf Medienvertreter 2018
       im Vergleich zu den Vorjahren gestiegen ist. „Attacken auf Journalisten
       sind keine ‚Kollateralschäden‘, sondern wir sind Ziele der
       Rechtsextremisten“, sagt Frank Überall, Chef des Deutschen
       Journalistenverband (DJV), und fordert einen „besseren Polizeischutz“ von
       JournalistInnen bei rechten Demonstrationen und Aufmärschen.
       
       Doch wie soll das in der Praxis aussehen? Sollen Journalisten im Pulk durch
       rechte Demonstrationen geführt werden, geschützt von Polizisten, die
       aggressive Demonstranten nur mühsam auf Abstand halten?
       
       „Die Polizei sollte Journalisten, wenn es die Lage erforderlich macht, bei
       Ausübung ihres Berufs schützen“, heisst es in einer Mitteilung, die der
       Deutsche Presserat nach den Attacken gegen Journalisten in Chemnitz
       veröffentlichte. Dort war es bei den Aufmärschen von Rechtsextremen zu
       massiven Übergriffen auf Journalisten gekommen, Betroffene berichteten von
       Beleidigungen, Schlägen, Kameras gingen zu Bruch. Polizeischutz soll in
       solchen Situationen die freie Berichterstattung gewährleisten.
       
       ## „Begleitung wäre ein Problem“
       
       Journalisten, die selbst von der Gewalt betroffen waren, sehen das aber zum
       Teil kritisch. „Es ist gut wenn Polizei in der Nähe ist, aber eine
       Begleitung wäre ein Problem“, findet Pascale Müller. Die
       Buzzfeed-Reporterin war in Chemnitz und Köthen, in Twittervideos berichtete
       sie über viele der Vorfälle. Auf einem ihrer Videos ist zu sehen, wie einem
       Journalisten die Kamera aus der Hand geschlagen wird, auf einem anderen
       filmt sie sich selbst mit Helm auf dem Kopf und berichtet, wie sie und
       andere von den Demonstranten angegangen wurden. Von Polizisten begleitet
       werden will sie trotzdem nicht. „Wenn ein Polizist daneben steht, passieren
       manche Sachen einfach nicht. Und mit vier Reihen dazwischen kann man das
       nicht mal mehr dokumentieren.“
       
       Dass sich die Interessen von Polizei und Journalisten bei Demonstrationen
       entgegenstehen können, zeigen die Vorfälle in Chemnitz und Köthen. Einen
       Journalisten inmitten einer rechten Demo kann die Polizei kaum schützen,
       ein Journalist im Sicherheitsabstand sieht nicht, was passiert. Die
       Hetzreden in Köthen wären wohl von niemandem gefilmt worden. Und: ein
       uniformierter Polizist, der dem Journalisten über die Schulter schaut,
       könnte Interviewpartner verunsichern.
       
       „Wie soll das funktionieren, wie sollst du da noch an die Leute
       rankommen?“, fragt André Berthold. Und das sagt der Journalist, obwohl er
       selbst angegriffen wurde – als Teil eines MDR Kamerateams in Chemnitz. Die
       Attacke fand in einer Wohnung statt, in der die Journalisten vorher gefragt
       hatten, ob sie den Demonstrationszug vom Balkon aus filmen dürften. Einer
       von Bertholds Kollegen musste leicht verletzt ins Krankenhaus. „Es war nur
       eine Frage der Zeit bis so etwas passiert“, sagt Berthold. Und das, obwohl
       MDR-Teams inzwischen nur noch mit Personenschützern von rechten
       Demonstrationen berichten. Auch in Chemnitz begleiteten zwei Security-Leute
       die Journalisten – allerdings nicht in die Wohnung. „Nach fünf Minuten kam
       dann ein Mann in die Wohnung, hat uns von hinten gepackt und ‚Scheiß
       Journalistenpack‘ gerufen“, berichtet Berthold. Sein Kollege sei „filmreif
       mit Vorwärtsrolle“ die Treppe heruntergestürzt.
       
       ## „Begleitung muss möglich sein“
       
       Angriffe wie dieser sind für den Deutschen Journalistenverband der Grund,
       Polizeischutz für Journalisten zu fordern. „Bei massiver Gewalt muss eine
       Begleitung möglich sein“, sagt Hendrik Zörner vom DJV. „Ob da zwei Beamte
       einen Journalisten begleiten, oder drei, vier eine Gruppe.“ Je nach
       Situation könnte der Schutz laut DJV unterschiedlich ausfallen: Ob
       Polizisten die Journalisten aus dem Hintergrund im Blick behalten und nur
       im Notfall eingreifen, eine Gruppe in einer Art „Journalistenpool“ im
       Inneren der Demonstration beschützt wird, oder Polizisten tatsächlich
       einzelne Journalisten begleiten.
       
       Jan Meinel vom Sächsischen Innenministerium sieht das ähnlich: „Wir müssen
       im Einzelfall geeignete Lösungen finden.“ Eine grundsätzliche Lösung könne
       es aber nicht geben. „Dass wir näher zusammenrücken müssen ist klar. Dass
       die Polizei nicht alle im Blick hatte und zu jedem hin konnte aber auch.“
       
       Im Einzelfall Hilfe holen können sich Journalisten auch jetzt schon. „Ich
       habe die Polizisten immer als sehr kooperativ erlebt“, berichtet André
       Berthold. Dass das nicht mehr reicht, um die Sicherheit der Journalisten
       und damit die Pressefreiheit zu gewährleisten, zeigen die Attacken in
       Chemnitz und Köthen. Für die Berichterstattung hat das Konsequenzen. „Die
       Entscheidung ‚Das ist mir zu viel‘ ist eine, die jeder für sich treffen
       kann“, sagt Pascale Müller. „Wenn viele aber nur kurz bleiben oder nicht
       mehr hingehen – dann ist das ein Problem.“
       
       Klar ist: die Pressefreiheit muss auch bei rechten Aufmärschen geschützt
       werden. „Manche Kollegen sagen natürlich 'Mit Uniformierten daneben kann
       man kein Interview führen“, sagt Henrik Zörner vom DJV. Das könne schon
       sein, dieses Risiko müsse man aber in Kauf nehmen. „Oder sollen wir sagen:
       es ist uns lieber, die Kollegen werden vermöbelt, damit sie auch noch ein
       paar authentische Geschichten aus dem Krankenhaus mitbringen? Das kann es
       nicht sein!“ Pascale Müller sieht das anders: „Mir ist es lieber, dass
       jemand nach mir schlägt – und ich kann dafür frei berichten.“
       
       3 Oct 2018
       
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