# taz.de -- Café Niesen in Prenzlauer Berg: Rammstein gibt den Rambo
       
       > Rammstein-Sänger Till Lindemann verdrängt ein Refugium. Die Betreiberin
       > will nun einen Verein gründen, auch um sich gegen Investoren zu wehren.
       
 (IMG) Bild: Rammstein-Sänger Till Lindemann erhofft sich höhere Mieteinnahmen
       
       BERLIN taz | Es gab in den letzten Tagen kaum eine Zeitung, in der nicht
       über das Ende des Café Niesen im Ex-Szenebezirk Prenzlauer Berg berichtet
       worden ist. Meist war in den Artikeln vor allem von Rammstein-Sänger Till
       Lindemann die Rede, dem den Berichten und der Cafébetreiberin Christine
       Wick zufolge das Haus gehört und der nun fast 50 Prozent mehr Miete
       verlange. Warum es aber besonders schade ist, dass ausgerechnet das Niesen
       schließt, kam in den Berichten meist zu kurz.
       
       Mit dem Café Niesen in der Schwedter Straße direkt am Mauerpark macht
       nämlich eines der letzten Refugien dicht, wo wirklich jeder hingehen
       konnte. Es war kein beliebiges Café, in dem es nur um perfekten Milchschaum
       ging. Es war ein Ort, wo sich all jene trafen, die einmal aus ganz anderen
       Gründen nach Berlin gekommen waren, als hier Geld zu verdienen.
       
       Obwohl es erst 2003 eröffnete, wirkte es wie ein Überbleibsel aus den 90er
       Jahren, als in dieser Stadt sehr viele Menschen lebten, die einfach
       machten, was sie wollten, und sich wenig darum scherten, ob man damit auch
       den Kühlschrank voll bekommen konnte.
       
       Es ist Dienstagvormittag, der Wind weht schon die letzten Blätter von den
       Bäumen, und Christine Wick hängt ein paar letzte Gemälde von den Wänden.
       „Ich plane, einen Verein mit Räumen um die Ecke zu gründen“, sagt die
       50-Jährige mit den großen Augen und dem sanften Lächeln. Auch sie nennt das
       Niesen eher „soziale Skulpur“ als Café. „Sie können sich gar nicht
       vorstellen, wie verzweifelt hier viele sind“, fügt sie an.
       
       In dem Verein, der ihr vorschwebt, soll es beispielsweise darum gehen, dass
       man auch in diesem Kiez versuchen sollte, keine Mietverträge mit schlimmen
       Investoren abzuschließen. Und dass man nach wie vor darum kämpfen müsste,
       sich selbst zu organisieren, zum Beispiel Genossenschaften zu gründen.
       
       ## Ein halber Tag mit einem Tee
       
       Christine Wick ist Künstlerin, hat auch von der Kunst gelebt, bis sie das
       Café aufmachte. Um das Verhältnis zu ihren Gästen zu verstehen, muss man
       sich nur einmal kurz die letzten Gemälde im Café ansehen, die hier noch
       hängen und die größtenteils von ihr stammen. Eines ist ein Porträt eines
       älteren Stammgastes auf dem Sofa. Er hat sich gerade in seine Zeitung
       vertieft. „Dieser Gast kam fast täglich“, sagt Wick. „Wir waren sein
       Wohnzimmer. Ich weiß nicht, was nun aus ihm werden soll.“
       
       Am liebsten hätte sich Wick in aller Ruhe von ihrem Café verabschiedet. Es
       ist ihr eher unangenehm, wie es nun durch die Medien geht. Selbst die Bild
       hatte berichtet, woraufhin Model und Moderatorin Sophia Thomalla, die
       Exfreundin Till Lindemanns, in den sozialen Medien gegen das Café wetterte.
       
       „Ich wollte keine Rache, kein böses Blut“, sagt Wick, außerdem habe sie zu
       keinem Zeitpunkt gehofft, dass man sich noch einigen könne. „Wenn ich statt
       12,85 plötzlich 20 Euro Miete zahlen müsste, dann hätte ich auch ganz
       andere Preise im Café verlangen müssen.“ Der Witz des Niesen, dass sich
       hier jeder einen halben Tag an einem Tee festhalten durfte – er wäre
       zunichte gewesen.
       
       Christine Wicks war viel unterwegs in ihrem Leben, bevor sie das Niesen
       gemacht hat, erzählt sie. Durch das Café habe sie zum ersten Mal das Gefühl
       gehabt, ein Zuhause gefunden zu haben.
       
       „Möglich, dass es jetzt auch vorbeigeht mit der Stadt und mir“, sagt sie
       und verweist auf die vielen Nachbarn, die längst weggezogen sind, auf die
       schicken Neubauten am Rand des Mauerparks nebenan, die den Kiez sehr
       verändern werden, auf die vielen teuren Autos, die zunehmend hier parken.
       
       Trotzdem. Traurig sein will sie auch nicht. Vielleicht wird es ja was mit
       dem Verein um die Ecke.
       
       23 Oct 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Susanne Messmer
       
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