# taz.de -- Kommentar Spaniens Geschichte: Die Vergangenheit drängt ins Jetzt
       
       > Unter der neuen linken Regierung versucht Spanien eine späte
       > Vergangenheitsbewältigung. Doch auch eine neue rechtsextreme Kraft hat
       > sich gebildet.
       
 (IMG) Bild: Ist der neuen Regierung ein Dorn im Auge: Das wuchtige Franco-Mausoleum in El Escorial
       
       Spanien wird von seiner nicht verarbeiteten Geschichte eingeholt. Ein
       Gericht bestätigt erstmals, dass es unter Diktator Francisco Franco und
       auch in den ersten beiden Jahrzehnten danach einen organisierten Raub von
       Babys gab. [1][300.000 Kinder könnten dabei ihrem leiblichen Müttern
       entrissen] und an kaufkräftige Adoptiveltern übergeben worden sein.
       
       Gleichzeitig entsteht eine Landkarte des Schreckens. In diese sollen die
       Massengräber eingetragen werden, in denen bis heute über 100.000 Opfer der
       Franco-Repression liegen. Die Angehörigen wollen ihre Verschwundenen
       endlich ordentlich beisetzen und hoffen nun, dass die neue Regierung sie
       dabei unterstützt.
       
       Auch Diktator Franco selbst steht auf der politischen Agenda. Die
       sozialistische Regierung unter Pedro Sánchez will [2][seine sterblichen
       Überreste aus dem Tal der Gefallenen] vor den Toren der Hauptstadt Madrid
       entfernen lassen. Die Familie soll den Leichnam übernehmen. Das Tal der
       Gefallenen soll damit seinen Charakter als Monument zu Ehren der Diktatur
       verlieren.
       
       Diese späte Vergangenheitsbewältigung gefällt längst nicht allen. Sowohl
       die konservative Partido Popular (PP) als auch die rechtsliberalen
       Ciudadanos (Cs) wollen von einer Aufarbeitung der Diktatur nichts wissen.
       Sie stimmen immer wieder gegen entsprechende Anträge im Parlament. Für sie
       ist das, was Sánchez da tut, so etwas wie eine späte Rache der Linken für
       den verlorenen Bürgerkrieg. Franco gilt ihnen bis heute als der Retter des
       Vaterlandes vor Kommunismus und Separatismus.
       
       ## Altes Gedankengut salonfähig
       
       Die Unabhängigkeitsbewegung in Katalonien zeigt, dass die Themen, die einst
       zum Bürgerkrieg führten, bis heute aktuell sind. Die Rechte nimmt bei
       dieser Auseinandersetzung endgültig die Maske vom Gesicht. Die Ciudadanos
       fordern, dass Katalonien dauerhaft unter Zwangsverwaltung aus Madrid
       gestellt wird. Die PP verlangt von Sánchez, dass er ein Verbot der
       katalanischen Unabhängigkeitsparteien – die gemeinsam über die absolute
       Mehrheit im katalanischen Parlament verfügen – prüfen solle.
       
       Es ist ein Wettlauf darum, wer am besten das „einheitliche und große
       Spanien“, wie es einst unter Franco hieß, verteidigt. PP und Cs hoffen
       damit zumindest außerhalb Kataloniens erfolgreich auf Stimmenfang zu gehen.
       
       Mit ihrer harten Linie gegenüber Katalonien haben die beiden Rechtsparteien
       allerdings auch altes Gedankengut wieder salonfähig gemacht. Und davon
       könnten jetzt ganz andere profitieren: Am Wochenende versammelte [3][die
       rechtsextreme Bewegung VOX] 10.000 Anhänger in Madrid.
       
       Abschaffung aller Regionalregierungen, der Frauenrechte und sowie der
       Homoehe und ein hartes Vorgehen gegen Immigranten standen dabei ganz oben
       auf der Themenliste. Spaniens Demokratie muss jetzt Acht geben, von der
       dunklen Vergangenheit, die da ins Jetzt drängt, nicht überrollt zu werden.
       
       9 Oct 2018
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reiner Wandler
       
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