# taz.de -- EU-Politiker über Mord an Daphne Galizia: „Es fehlt das politische Interesse“
       
       > Die maltesische Journalistin Daphne Galizia wurde vor einem Jahr
       > ermordet. Bei der Aufklärung läuft viel schief, sagt EU-Parlamentarier
       > Sven Giegold.
       
 (IMG) Bild: Auch ein Jahr nach ihrer Ermordung ist Daphne Galizias Gesicht in Malta noch präsent
       
       taz: Heute vor einem Jahr wurde die maltesische Journalistin Daphne Caruana
       Galizia bei einem Autobombenanschlag ermordet. Wie ist [1][der aktuelle
       Stand der Ermittlungen]?
       
       Sven Giegold: Seit einem Jahr wird ermittelt und es liegen noch immer keine
       Ergebnisse vor. Wir wissen nur, dass bis heute keine Schuldigen gefunden
       wurden. Drei Männer, die potentiellen Täter, sitzen seit Dezember in
       Untersuchungshaft, nicht aber die Hintermänner. Der zuständige
       Untersuchungsrichter wurde in der Zwischenzeit befördert. Das bedeutet,
       dass ein großer Teil der Ermittlungen wieder von vorne losgehen musste.
       Wichtige Daten, die aus der Telekommunikationsüberwachung der maltesischen
       Behörden kommen sollten, wurden nie zur Verfügung gestellt. Es läuft also
       einiges schief.
       
       Das Daphne Project recherchiert derweil weiter. 45 Journalist*innen aus 18
       internationalen Medienunternehmen versuchen im Rahmen dieses Projekts an
       die Arbeit der ermordeten Investigativjournalistin anzuknüpfen. Wie würden
       Sie die Ergebnisse dieser Recherchen bislang bewerten? 
       
       Das Daphne Project hat viele Geschichten, die Daphne auf ihrem Blog nur
       angedeutet hat, ausrecherchiert. Es handelt sich dabei um mehrere schwere
       Fälle von Wirtschafts- und Finanzkriminalität, etwa den Vorwurf, dass in
       großem Stil bei der Vergabe von Visa Korruptionsgelder im Spiel waren,
       Energieverträge der Korruption dienten oder dass im Ölgeschäft Interessen
       von libyschen Milizen bedient wurden, die den Bürgerkrieg dort am Laufen
       halten. Die Liste der Fälle ließe sich lange fortsetzen. Bislang hat Malta
       jedoch auch hier keine Ermittlungsverfahren eingeleitet, es gab keine
       einzige Verurteilung. Aus rechtsstaatlicher Perspektive ist das sehr
       beunruhigend.
       
       Die Ermittlungen liegen in den Händen [2][der maltesischen Behörden]. Sie
       sitzen für die Grünen im Europaparlament. Was kann die EU-Kommission an
       dieser Stelle tun? 
       
       Die EU-Kommission kann die Einhaltung der Grundrechte in ihren
       Mitgliedsländern überwachen. Das Parlament hat die Kommission bereits
       aufgefordert, ein systematisches Rechtsstaats-Monetoring einzurichten, mit
       entsprechenden Sanktionen, wenn Mitgliedsländer die Grundrechte oder
       Rechtsstaatlichkeit systematisch ignorieren. Im Falle Maltas hat sich die
       EU-Kommission aber bislang geweigert, ein Rechtsstaatsverfahren
       einzuleiten, was auch schon jetzt, also ohne neue Monetoringvorgaben,
       möglich wäre. Über die systematischen Rechtsverstöße in Malta wird hinweg
       gesehen. Stattdessen werden die Vorfälle als Einzelfälle abgetan. Das ist
       das Gegenteil von dem, was das internationale Journalist*innenteam im
       Daphne Project mittlerweile herausgefunden hat.
       
       Wie kann das sein, wenn es so viele Hintergrundrecherchen gibt, die auf die
       Verstrickung von Politik und Finanzkriminalität hinweisen? 
       
       Wir, die Grünen im Europaparlament, glauben, dass der maltesische Premier
       Joseph Muscat, der unter anderem im Fokus der Recherchen Daphnes stand,
       sowohl mit dem EU-Kommissionspräsidenten Juncker als auch mit seinem Vize
       Timmermans ein gutes Verhältnis pflegt. Weder den Christdemokraten noch den
       Sozialdemokraten im EU-Parlament liegt es an einer Eskalation mit der
       maltesischen Regierung, die immer wieder für Mehrheiten im Rat der
       Mitgliedsländer gebraucht wird. Es fehlt das politische Interesse an einer
       umfassenden Aufklärung.
       
       Seit dem Mord an Daphne gab es zwei weitere Journalist*innenmorde innerhalb
       der EU – im Februar am Investigativjournalisten Ján Kuciak in der Slovakei
       und im Oktober an der Fernsehjournalistin Viktoria Marinova in Bulgarien.
       Stehen diese Morde in einem Zusammenhang mit dem Fall von Daphne?
       
       Es gibt ganz konkrete Parallelen. Alle drei haben investigativ zur
       Verbindung zwischen Politik und kriminellen finanziellen Interessen
       recherchiert. Und das ist offensichtlich ein gefährliches Pflaster in
       Europa.
       
       Die CDU/CSU im Europaparlament twitterte heute #Die Pressefreiheit stirbt
       zuletzt. Was sagen Sie dazu? 
       
       Die EU darf nicht auf sich sitzen lassen, was gerade in Sachen
       Pressefreiheit passiert. Alle europäischen Parteifamilien müssen klare
       Grenze zu Parteien ziehen, die Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte in Frage
       stellen. Dazu gehören die Sozialdemokraten in Malta, in der Slowakei und
       Rumänien, aber auch die Christdemokraten in Ungarn und Bulgarien sowie die
       Liberalen in Rumänien. Alle proeuropäischen Parteifamilien müssen hier vor
       ihrer eigenen Haustür kehren. Und solange das nicht kommt, bleibt es
       gefährlich für Journalist*innen.
       
       Malta ist in Rangliste der Pressefreiheit auf Platz 65 abgerutscht. Gibt es
       noch ähnlich kritische Stimmen, wie die von Daphne? 
       
       Malta hat eine sehr lebendige Medienbranche. Auch jetzt noch. Anders als in
       anderen Steueroasen gab es dort immer sehr kritische Journalist*innen, die
       auch die finanziellen Interessen ihrer Politiker*innen beleuchteten. Ich
       würde also nicht sagen, dass es in Malta keine Pressefreiheit mehr gibt.
       Aber natürlich hat es einen Effekt, wenn die organisierte Kriminalität so
       mächtig ist, dass sie es wagt, die bekannteste Journalistin des Landes zu
       ermorden. Kritiker*innen sollen mundtot gemacht werden.
       
       Gestern ist eine Delegation von sechs Presse- und Meinungsfeiheits-NGOs
       nach Malta gereist. Sie werden Maltas Premierminister Muscat und weitere
       Regierungsvertreter*innen treffen. Was kann man von diesen Gesprächen
       erwarten?
       
       Ich selbst war nun vier mal im Rahmen ähnlicher Delegationsreisen in Malta.
       Mein Fazit ist, dass es gut ist, die Einhaltung der Presse- und
       Meinungsfreiheit einzufordern. Aber das reicht nicht. Das Problem liegt
       nämlich zu großen Stücken woanders, und zwar darin, dass der maltesische
       Rechtsstaat nur bei bestimmten Delikten hinsieht. Wenn man in Malta falsch
       parkt, wird das ganz normal geahndet. Alles funktioniert. Aber wenn es um
       Finanz- und Wirtschaftskriminalität geht, funktioniert der Rechtsstaat
       plötzlich nicht mehr. Der Fall Daphne zeigt das ganz eindeutig.
       
       16 Oct 2018
       
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