# taz.de -- Mystery-Reihe beim NDR: Innere Unruhe, äußerer Schrecken
       
       > Hexenjagd, Moor und Realitätsvernebelung: Die Mystery-Filme, die der NDR
       > in seiner „Nordlichter“-Reihe zeigt, passen gut zum ungemütlichen
       > Zeitgeist.
       
 (IMG) Bild: Aaaaah, hinter Dir!! Szene aus „Jenseits des Spiegels“
       
       Das Übernatürliche und Unheimliche haben derzeit Konjunktur – das lässt
       sich an diversen Auszeichnungen für entsprechende Produktionen ablesen. So
       hat die Mystery-Serie „Dark“ in diesem Jahr einen Grimme-Preis gewonnen und
       beim Nachwuchsfilmwettbewerb „First Steps“ ist mit „Hagazussa“ eine
       Hexengeschichte aus dem 15. Jahrhundert ausgezeichnet worden. Insofern
       hatte der NDR den richtigen Riecher, als er 2015 für die vierte Staffel der
       Nachwuchsfilmreihe „Nordlichter“, die in der vergangenen Woche startete,
       Mystery als Genre vorgab.
       
       Ein verhängnisvoller Wald und ein unter mysteriösen Umständen todbringendes
       Moor – das sind die Orte des Schreckens in Nils Loofs „Jenseits des
       Spiegels“ und in Esther Bialas’„Wo kein Schatten fällt“, die in dieser und
       der kommenden Woche in der „Nordlichter“-Reihe zu sehen sind. Beide
       Geschichten sind angesiedelt in einer unwirtlichen ländlichen Welt, und sie
       erzählen jeweils von einer Protagonistin, bei der lange nicht klar ist, ob
       das, was sie erlebt, real ist oder eingebildet.
       
       Während „Jenseits des Spiegels“ mit Horrorfilmelementen und einem
       spektakulären Ende aufwartet, ist „Wo kein Schatten fällt“ ein
       Coming-of-Age-Drama, eingebettet in eine Hexengeschichte. Die Protagonistin
       ist die 14 Jahre alte Internatsschülerin Hanna. Als sie während der Ferien
       in ihren Heimatort zurückkehrt, sieht sie sich mit dem Verdacht
       konfrontiert, eine Hexe zu sein – wie einst ihre unter ungeklärten
       Umständen ums Leben gekommene Mutter, die vorher, so die Legende, drei
       Männer in den Tod gelockt haben soll.
       
       Tatsächlich passieren während Hannas Aufenthalt schreckliche Dinge: ein
       Hund stirbt, eine Frau aus dem Umfeld von Hannas Familie wird schwer
       verletzt. Die Teenagerin ist verwirrt: Ist etwa sie dafür verantwortlich?
       Hanna, sagt Drehbuch-Autorin Lena Krumkamp, sei „eine junge Frau, die nicht
       weiß, was mit ihr passiert“, und weil gerade ihre Pubertät beginnt, gelte
       das in doppelter Hinsicht.
       
       Frauen seien lange als Hexen verfolgt worden, wenn sie sich nicht so
       verhalten hätten, wie die Gesellschaft es gerne gehabt hätte, sagt
       Regisseurin Bialas. Und das Ende von „Wo kein Schatten fällt“ kann man –
       Achtung, kleiner Spoiler – durchaus als feministisches
       Solidaritätsbekenntnis verstehen. Als ein Zeichen der Verbundenheit mit
       derart stigmatisierten Frauen. Bialas’ Film fällt in eine Zeit, in der
       einerseits die Hexenverfolgung zumindest bei Twitter ein Revival zu erleben
       scheint – jedenfalls, wenn man manche Attacken aus dem rechten Milieu auf
       politisch missliebige Frauen als Maßstab nimmt. Andererseits besetzen
       Frauen den Begriff Hexe positiv, etwa in Frankreich. Drehbuchautorin
       Krumkamp erwähnt, dass sich dort seit rund einem Jahr Feministinnen auf
       Demos als Hexen kostümieren.
       
       Im gesellschaftlichen Kontext ist noch ein anderer Aspekt interessant.
       Horrorfilmklassiker wie „Das Cabinet des Dr. Caligari“, „Nosferatu, eine
       Symphonie des Grauens“ und „Dracula“ entstanden in politisch instabilen
       Zeiten – in der Anfangsphase der Weimarer Republik beziehungsweise in den
       USA während der Großen Depression. Ohne jetzt platte Analogien
       heraufzubeschwören: Die ungemütliche Wirklichkeit liefert Regisseuren, die
       sich dem verwandten Mystery-Genre widmen, derzeit gewiss viele Anregungen,
       innere Unruhe und äußeren Schrecken ins Bild zu setzen.
       
       Möglicherweise haben auch deshalb an der NDR-Ausschreibung für
       Mystery-Stoffe mehr Nachwuchsfilmemacher teilgenommen als vorher beim Thema
       Comedy. „Das zeigt, dass da was unter den Nägeln brennt“ sagt Daniela
       Mussgiller, eine der für die Reihe zuständigen Redakteurinnen. Heißt das,
       dass das Mystery-Genre im Fernsehen künftig stärker präsent sein wird? Als
       Hindernis erweist sich hier der Jugendschutz. Die aktuelle
       „Nordlichter“-Staffel ist erst ab 12 Jahren freigegeben, für 20.15 Uhr
       kämen solche Stoffe also nicht in Frage. Dennoch ist der NDR sich sicher,
       mit der Ausschreibung einen Impuls für Mystery-Produktionen gesetzt zu
       haben. Möglich also, dass entsprechende Stoffe künftig auch bei anderen
       Sendern umgesetzt werden.
       
       1 Nov 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) René Martens
       
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