# taz.de -- Internationales Filmfestival Braunschweig: Verloren im Harz
       
       > Das Internationale Filmfestival Braunschweig zeigt in der Programmschiene
       > „Heimspiel“ Filme mit lokalem Bezug – und kleinen Fehlern.
       
 (IMG) Bild: Jugendliche gehen ohne Smartphones wandern: das scheint ausreichend für einen Plot
       
       BREMEN taz | Was hat ein Heimatfilm auf einem Internationalen Film Festival
       zu suchen? Einiges, finden die Macher des [1][„Braunschweig International
       Film Festivals“], das vom 5. bis 11. November 2018 stattfindet. Die Reihe
       „Heimspiel“ ist deshalb eine Konstante des ältesten Filmfestivals
       Niedersachsens. In diesem Wettbewerb werden Filme von Filmemachern aus
       Braunschweig und der Region gezeigt und dadurch gefördert, in diesem Jahr
       insgesamt 16 Lang- und Kurzfilme
       
       Bei einigen von ihnen ist der Bezug zur Heimat Braunschweig sehr weit
       hergeholt: So hat bei der französisch/türkisch/deutschen Koproduktion „My
       Favorite Fabric“, die in Damaskus spielt und auf den Filmfestspielen von
       Cannes Premiere hatte, der Braunschweiger Peer Kleinschmidt die Filmmusik
       komponiert und die deutschpolnische Komödie „Whatever Happens Next“ wurde
       von Stefan Gieren aus Salzwedel produziert.
       
       Ein bisschen heimeliger wird es in Philipp Hirschs „Raus“, der zu einem
       großen Teil im Harz gedreht wurde. Es ist erstaunlich, wie viel filmisches
       Kapital hier daraus geschlagen werden kann, dass fünf Jugendliche einfach
       nur durch den Harz wandern. Die fünf Protagonisten haben sich durch einen
       Internetaufruf zu ihrem analogen Ausflug verführen lassen.
       
       Ein charismatischer Naturbursche namens Friedrich ruft dort dazu auf, alles
       stehen und liegen zu lassen, ihm auf eine Schnitzeljagdtour zu seiner Hütte
       zu folgen, ohne Smartphone und GPS. Die Fünf raufen sich zusammen und haben
       bald die Polizei auf ihren Fersen. Jeder der fünf Jugendlichen hat ein
       Geheimnis, das sie während der Wanderung durch das deutsche Mittelgebirge
       an ihre Grenzen bringt.
       
       Leider sind den Filmemachern ein paar gravierende Anschlussfehler
       unterlaufen. So kraxeln die Protagonisten etwa am Ende des Films im
       Hochgebirge oberhalb der Baumgrenze herum – diese Szenen wurden in Südtirol
       gedreht – sind dann plötzlich aber an einem sommerlichen See im Harz und
       gleich danach wieder zurück auf einem hohen Passweg. Solche handwerklichen
       Schnitzer verderben ein wenig den Spaß an dieser modernen
       Rattenfängergeschichte.
       
       Das Gegenteil zu „Raus“ ist „Am Fenster“ des Braunschweiger Künstlers
       Michael Ewen. Er hat einen 74 Minuten langen Film gedreht, ohne dabei die
       eigene Wohnung zu verlassen. Jedenfalls fast, doch dazu gleich. Ewen hat
       ein Jahr lang mit seiner Kamera entweder aus den Fenstern seiner
       Atelierwohnung gefilmt, oder sie nach innen gedreht, um seine Arbeiten zu
       zeigen. Objekte aus Draht und Pappmaschee, die wie Felsen aussehen und im
       Stil von Collagen mit Zeitungsausschnitten und Fotos beklebt wurden.
       
       ## Almosen für den Leierkastenmann
       
       Aber die meiste Zeit zeigt Ewen, was in der Zeppelinstraße in Braunschweig
       so passiert ist. Schnee im Winter, Gewitter, Schönwetterwolken im Sommer,
       Stürme im Herbst – und erstaunlich viele Handwerker, die Häuser in der
       gutbürgerlichen Wohngegend sanieren oder im Kanalschacht schuften. Als
       dokumentarische Aufnahmen von Belang sind eigentlich nur die Bilder von
       einem der wohl letzten Leierkastenmänner in diesem Land, der von den
       Kindern und Hausfrauen in der Straße erstaunlich viele Almosen einsammelt.
       Er scheint als Einziger den Aufnehmenden an seinem Fenster zu bemerken.
       
       Einmal schummelt Ewen und geht ein paar Schritte vor die Tür, denn dort
       wurden gerade „Stolpersteine“ des Aktionskünstlers Gunter Demnig in den
       Gehweg eingesetzt. Große Filmkunst ist „Am Fenster“ ganz gewiss nicht.
       Immerhin die Filmmusik hat sich der Künstler von Vlady Bystrov (und gar
       nicht schlecht) komponieren lassen, aber dann macht er sich selber diesen
       Soundtrack mit Allerwelts-Klassik von Chopin, Schuhmann und Bach wieder
       kaputt.
       
       ## Schwacher Regionalbezug
       
       Der Regionalbezug des Dokumentarfilms „Die Seele der Geige“ besteht darin,
       dass der Filmemacher Benedikt Schulte an der Universität von Hildesheim
       seinen Abschluss gemacht hat. Das reicht aus, um in die „Heimspiel“-Reihe
       aufgenommen zu werden. Zum Glück, denn seine Dokumentation ist es wert, auf
       einem Festival und auf einer großen Leinwand gezeigt zu werden. Die 52
       Minuten lange Arte-Produktion versucht in zwei parallel geschnittenen
       Erzählsträngen zu vermitteln, warum Geigen in der klassischen Musik zum
       Teil kultisch verehrte Instrumente sind.
       
       Der Film beginnt im Wald mit dem Fällen eines Baumes. Nur das Holz von
       einem unter Tausend Bäumen eignet sich für eine gute Geige, erzählt der
       Geigenbaumeister Martin Schlecke.
       
       Die Geige „Lady Inchiquin“ ist eine im Jahr 1711 gebaute Stradivari und
       rund 5,8 Millionen Euro wert. Der Virtuose Frank Peter Zimmermann spielte
       sie, bis die Bank, die sie ihm geliehen hatte, in Geldnot geriet und das
       Instrument verkaufen musste. Nach zwei Jahren bekam er die Geige zurück und
       die Kamera dokumentiert diese Wiedervereinigung. Bei all der
       Geigenverehrung in diesem Film bleibt Schulte sachlich und es gelingt ihm
       ein kleines Soziogramm von Menschen, die von und mit der Geige leben.
       
       2 Nov 2018
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.filmfest-braunschweig.de/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Wilfried Hippen
       
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