# taz.de -- Abfallpolitik der EU: Erstmal kein Recht auf Reparatur
       
       > In Brüssel wird über ein Gesetz für weniger Müll verhandelt.
       > Umweltverbände kritisieren die deutsche Position.
       
 (IMG) Bild: Elektroschrott von oben ist schön, aber häufig nicht nötig
       
       BERLIN taz | Deutschland bremst in Brüssel ein Gesetz, das für weniger Müll
       in Europa sorgen soll. [1][Das wirft der Dachverband europäischer
       Umweltorganisationen], ecos, der Bundesregierung vor. „Während der Treffen
       haben Deutschland, Italien und das Vereinigte Königreich die Vorschläge
       blockiert“, kritisiert ecos. Allerdings höre man inzwischen positivere
       Nachrichten aus Deutschland, sagt Chloé Fayole von ecos.
       
       Dabei geht es um die Ökodesign-Richtlinie, die derzeit in Brüssel
       überarbeitet wird. Sie gilt Umweltexperten als wichtiges Instrument für
       eine nachhaltigere Industrieproduktion in Europa. Bislang machte sie
       lediglich Vorschriften zum Energieverbrauch etwa von Lampen, Staubsaugern
       oder Kühlschränken. Künftig soll die Richtlinie erweitert werden: Zum
       Aspekt „Energieeffizienz“ soll der Aspekt „Ressourcen-Schonung“ treten.
       
       Ziel der Richtlinie ist, dass Elektrogeräte länger als bisher genutzt
       werden – gemäß der ersten Stufe der Abfallhierarchie, die die „Vermeidung“
       von Müll als wichtigstes Ziel vorgibt. „Alle Studien zeigen: Je länger ein
       Fernseher oder eine Waschmaschine genutzt werden, desto besser ist ihre
       Ökobilanz“, sagt Siddharth Prakash, beim Freiburger Öko-Institut zuständig
       für nachhaltigen Konsum. Auch eine höhere Energieeffizienz gleiche den
       Einsatz von Rohstoffen und Energie zur Herstellung neuer Geräte nicht aus,
       sagt Prakash. Insofern sei es wichtig, dass Produkte langlebig und
       reparaturfreundlich hergestellt würden.
       
       Die EU-Kommission wollte dies mit verschiedenen Vorgaben und Anforderungen
       an die Hersteller erreichen. In einem Entwurf zur Richtlinie für
       Waschmaschinen vom August 2018 [2][hieß es laut Europäischem Umweltbüro]
       (EEB) beispielsweise, es sollten Voraussetzungen geschaffen werden, um die
       Reparatur, die Rückgewinnung von Material und das Recycling zu ermöglichen.
       In dem neusten Entwurf ist die Reparatur gestrichen, übrig sind nur
       Recycling und Material-Rückgewinnung.
       
       ## Eine einzigartige Möglichkeit
       
       Ursprünglich wollte die EU-Kommission von den Herstellern detaillierte
       Beschreibungen fordern, in welchen Schritten Waschmaschinen
       auseinandergebaut und wie sie repariert werden könnten. Im aktualisierten
       Vorschlag werden nur noch allgemeine Demontage-Tipps verlangt. Auch in
       Vorgaben für andere Elektrogeräte hat die Kommission an vielen Stellen
       Rechte gestrichen, die sie etwa freien Reparaturwerkstätten oder
       Verbrauchern gewähren wollte.
       
       So sollten diese selbst in die Lage versetzt werden, Lichtquellen aus
       Leuchten ausbauen zu können. Viele Lampen sind inzwischen so mit ihrer
       Lichtquelle verbaut, dass sie nicht mehr zu trennen sind – geht die Birne
       kaputt, landet die ganze Lampe auf dem Müll. Diese Anforderung findet sich
       in dem neuen Entwurf nicht mehr. „Wir haben jetzt in Europa die
       einzigartige Möglichkeit, Hindernisse zu beseitigen, die Reparaturen an
       Elektrogeräten verhindern“, sagt Fayole von ecos. Der Ball liege jetzt im
       Feld der Mitgliedsstaaten, „und für ambitionierte Regeln brauchen wir die
       Unterstützung Deutschlands“. Im Dezember und im Januar verhandeln
       Arbeitsgruppen in Brüssel jeweils über Vorgaben für die einzelnen Geräte.
       
       Für die deutsche Regierung verhandeln das Wirtschafts- und das
       Umweltministerium (BMU), wobei Ersteres den Hut aufhat. Während das
       Wirtschaftsressort mitteilt, die Abstimmung mit dem BMU laufe noch und
       werde nicht kommentiert, spricht sich das BMU für ambitionierte Vorgaben
       aus. „Das BMU setzt sich für die Langlebigkeit und Reparierbarkeit der
       Produkte ein“, teilt eine Sprecherin mit. Grundsätzlich solle auch der
       Endkonsument Zugang zu Ersatzteilen bekommen. Gemeinsam mit dem
       Wirtschaftsressort habe man sich in einer Stellungnahme für Kühlgeräte auf
       eine Liste von Ersatzteilen verständigt, die seitens der Hersteller den
       Endkonsumenten zugänglich gemacht werden sollen, so die Sprecherin.
       
       Für ambitionierte Vorgaben in Sachen Ökodesign haben sich auch
       Unterzeichner einer Petition für ein „Recht auf Reparatur“ eingesetzt, die
       kürzlich den Petitionsausschuss des Bundestages erreichte. Die
       Ausschussmitglieder zeigten sich dabei wenig sattelfest in Sachen
       Ressourcenschutz.
       
       In einer Kreislaufwirtschaft sei „Obsoleszenz nachhaltigkeitspolitisch
       bedeutungslos, da die Ressourcen nach einer gegebenenfalls auch nur kurzen
       Nutzungsdauer wieder in den Kreislauf zugeführt werden könnten“,
       formulierte der Ausschuss mit den Stimmen von Union, SPD, AfD und FDP.
       Obdoleszenz meint die Alterung von Produkten. Die stellvertretende
       Vorsitzende des Ausschusses, Martina Stamm-Fibich (SPD) teilt mit, vor der
       Entscheidung sei eine Fachbewertung des Justizministeriums eingeholt sowie
       eine Studie des Umweltbundesamtes hinzugezogen worden.
       
       Prakash vom Öko-Institut erstaunt das sehr, war er doch mit der Erstellung
       der UBA-Studie befasst. „Nur darauf zu achten, dass Geräte recycelbar“
       seien, reiche nicht aus, so der Nachhaltigkeitsexperte, „unter anderem,
       wenn man die aktuelle Sammelquote sowie Rohstoffverluste während der
       Recyclingkette von Elektrogeräten betrachtet“. Ab nächstem Jahr muss die
       Bundesrepublik 65 Prozent des Durchschnittsgewichts der in den drei
       Vorjahren in Verkehr gebrachten Elektrogeräte einsammeln. Dieses Ziel wird
       sie, gemessen an den bisherigen Sammelquoten von knapp 45 Prozent im Jahr
       2016, deutlich verfehlen.
       
       7 Dec 2018
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://ecostandard.org/circular-economy-brussels-wont-do-it-alone/
 (DIR) [2] http://Briefing-on-resource-efficiency-provisions-in-Ecodesign-2018.pdf
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Heike Holdinghausen
       
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