# taz.de -- Silvester in Berlin: Böllerverbot wird zum Rohrkrepierer
       
       > Statt Raketen und Kracher an Silvester zumindest in berüchtigten Kiezen
       > zu verbieten, wälzt Rot-Rot-Grün das Problem auf die Bezirke ab.
       
 (IMG) Bild: Teuer, feinstaubig, unnötig, gefährlich: Doch in Berlin wird auch dieses Jahr wieder jede Menge Feuerwerk verkauft
       
       Es war das Knallerthema des Frühjahrs: Sollen auch in Berlin wie in
       kleineren deutschen Städten an Silvester Böller und Raketen verboten werden
       – in der ganzen Stadt oder zumindest an Ecken, wo es oft kracht, etwa in
       Nordneukölln oder Wedding? Nachdem in der ersten Nacht dieses Jahres
       zusätzlich zur üblichen ausufernden Böllerei Polizisten und sogar
       Rettungssanitäter gezielt mit Feuerwerk beschossen worden waren, erhielt
       die Debatte neuen Drive.
       
       Am weitesten wagte sich der grüne Abgeordnete Georg Kössler vor: „Jetzt
       können wir in Ruhe diskutieren und über einen entsprechenden Antrag
       beraten. Und der Senat hat dann sogar noch Zeit, die Dinge bis zum
       Jahresende zu prüfen“, [1][sagte er der taz] Ende März. Die Dinge: Damit
       waren die Böller gemeint.
       
       Kössler selbst, in der Fraktion zuständig für Umwelt- und Klimaschutz,
       wohnt im Gefahrengebiet Nordneukölln; er flüchtet auch dieses Jahr zu
       seinen Eltern an den Stadtrand. Die Situation sei „nicht mehr tragbar“,
       sagte er der taz. Und scheinbar hat Rot-Rot-Grün den Schuss gehört:
       „Menschen, Tiere und Gebäude vor Feuerwerksschäden beschützen“ lautet der
       Titel eines Antrags, der – wenn es nach Kössler geht – noch vor Silvester
       ins Parlament eingebracht werden soll. Sprich am kommenden Donnerstag, der
       letzten Sitzung des Abgeordnetenhauses 2018.
       
       Allerdings: Ein Kracher ist der Antrag nicht. Die Aktion könnte vielmehr
       zum Rohrkrepierer werden, denn ein generelles Böllerverbot etwa steht nicht
       darin. Weder will das Parlament konkrete Verbotszonen in engen Altbaukiezen
       durchsetzen noch sogenannte Erlaubniszonen zum Beispiel an großen Plätzen,
       wo Knallfrösche gezündet und Raketen abgeschossen werden dürfen.
       
       Vielmehr sollen sich – wie meistens bei einem politisch heiklen Thema – die
       Bezirke darum kümmern, dass in der Silvesternacht die Feinstaubbelastung in
       erträglichen Maß bleibt und sich auch keine Katzen tagelang aus Angst vor
       dem Krach unterm Bett verschanzen müssen. Den Bezirken soll ermöglicht
       werden, „insbesondere in eng bebauten Kiezen auch Einschränkungen von
       Feuerwerk bzw. Böllern mit sehr lauter Knallwirkung zu erlassen“, heißt es
       in dem von Linken, Grünen und SPD abgesegneten Kompromissantrag.
       
       Allerdings ist laut Kössler bisher nicht klar, ob die Bezirke das überhaupt
       verbieten dürfen. Denn das Sprengstoffgesetz, das Verkauf und Umgang mit
       Feuerwerk regelt, ist eine Bundesangelegenheit. Der Senat wird deswegen in
       dem Antrag ebenfalls aufgefordert, gegebenenfalls die Sprengstoffverordnung
       um die entsprechenden „Einschränkungsbefugnisse“ mittels einer
       Bundesratsinitiative ergänzen. Auf gleichem Weg soll auch der Verkauf von
       erst ab 18 freigegebenen Knallern und Raketen auf zwei statt wie bisher
       drei Tage am Jahresende beschränkt werden; auf landeseigenen Flächen soll
       künftig gar kein Verkauf von Feuerwerk mehr erlaubt sein.
       
       Aus all diesen Einschränkungen ergibt sich eine frohe Botschaft für alle
       Krachmacher: Auch dieses Jahr darf überall und so viel wie immer geböllert
       werden. Selbst die im Antrag geforderte Kampagne wird es frühestens
       nächstes Jahr geben. „Ärgerlich“, nennt Georg Kössler die Verzögerung.
       Schließlich sei die Zahl der Schwerverletzten rund um Silvester – meist
       Bastler sowie Kinder und Jugendliche – nach einer ähnlichen Kampagne vor
       einigen Jahren deutlich zurückgegangen.
       
       Sollte der Antrag unverändert verabschiedet werden, hofft Kössler darauf,
       dass sich rasch ein Bezirk aus der Deckung wagt, Verbotszonen benennt und
       notfalls in die juristische Auseinandersetzung geht. Er werde sich dafür
       einsetzen, dass Neukölln dabei ist, kündigt der grüne Politiker an.
       
       „Mir persönlich reicht der Entwurf nicht aus“, sagte Hakan Taş der taz, der
       ebenfalls an der Arbeit an dem Gesetzentwurf beteiligt war. Dabei sei
       deutlich geworden, dass selbst in Kreisen von SPD, Linken und Grünen noch
       viel Überzeugungsarbeit geleistet werden muss, um irgendwann zumindest ein
       Verbot in einigen Kiezen durchzusetzen, berichtete der linke Abgeordnete.
       Immer wieder sei argumentiert worden, dass böllern an Silvester auch eine
       Tradition habe, mit der sich kaum brechen lasse.
       
       ## Runder Tisch soll helfen
       
       Taş schlägt deswegen vor, gleich im neuen Jahr einen runden Tisch mit
       Fachleuten einzurichten unter anderem aus den Bezirken, der Polizei und der
       Feuerwehr. Dort sollen weitere Strategien entwickelt werden, wie der
       Knallerei Einhalt geboten werden könne.
       
       In Sachen Silvester dauern übrigens nicht nur parlamentarische Prozesse,
       sondern auch polizeiliche Ermittlungen bisweilen länger: Erst Ende November
       hat die Polizei vier junge Männer als Tatverdächtige für eine
       Silvesterrandale ausgemacht. Die Wohnungen der 15- bis 18-Jährigen in
       Neukölln wurden durchsucht; gefunden wurden eine scharfe Schusswaffe mit
       Munition, Drogen, Messer und eine Machete, wie die Polizei mitteilte. Die
       jungen Männer stehen in Verdacht, in der Silvesternacht 2017/18 aus einer
       20-köpfigen Gruppe heraus Polizisten und ein Polizeiauto aus
       Schreckschusswaffen mit Pyrotechnik angegriffen zu haben.
       
       10 Dec 2018
       
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 (DIR) Bert Schulz
       
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