# taz.de -- Kolumne Ich meld mich: Seid netter zueinander, Pax!
       
       > Damit KundInnen zu FreundInnen werden, ist es notwendig, an der Sprache
       > zu feilen und positiv zu denken. Besonders im Tourismus.
       
 (IMG) Bild: International musizieren dank der Flugverspätung
       
       Ministerialbeamten und Jägern verdanken wir neuerdings die Erkenntnis, dass
       Sprache wahre Wunder vermag. Ihnen zufolge wird ein Wolf, der Schafen und
       Menschen zu Leibe rückt, künftig nicht schnöde abgeknallt, sondern
       fürsorglich „entnommen“. Niemand muss sich mehr grämen, alles verläuft
       höchst zivilisiert, sozusagen im blutleeren Raum.
       
       Erlesene Diktion und zugewandte Kommunikation erleichtern das soziale
       Miteinander. Leider hat sich diese Erkenntnis gerade im Tourismus bisher
       noch nicht durchgesetzt. Gerade hier muss noch einiges passieren, bis aus
       KundInnen Freundinnen und Freunde werden. Warum spricht man denn von
       überbuchten Flügen, statt von „begrüßenswerten Kapazitätsüberschreitungen
       unserer Traumjets“?
       
       Muss ein Angestellter der Deutschen Bahn den verunsicherten Fahrgast
       wirklich mit einem „Falscher Zug, Alter, Scheiße, was!“ in Verzweiflung
       treiben? Hilft ein bewunderndes „Na, Sie lässiger Freigeist! Von München
       nach Berlin mit Umweg Dortmund – das macht Ihnen so schnell keiner nach!“
       nicht viel weiter?
       
       Überhaupt die Bahn: Statt mit der Anzeige „Umgekehrte Wagenreihung“
       Volksaufstände auf den Bahnsteigen zu provozieren, böte sich eine lockere
       Durchsage an: „Aus Gründen der Kundenbindung gestatten wir uns heute, Sie,
       verehrte Reisende, zu einem fröhlichen Suchspiel an Gleis 14 einzuladen.
       Der Preis ist ein Sitzplatz mit Ihrer persönlichen Reservierung.
       
       Und wer in aller Welt hört schon gerne: „Ihr Flug ist gecancelt“? Ein
       liebevolles „Erfreulicherweise, Ladies and Gentlemen, haben wir uns heute
       dazu entschlossen, Ihnen Zeit zu schenken. Zeit, um das hinreißende Angebot
       unserer Parfümboutiquen noch ausführlicher zu genießen als von Ihnen
       erwartet“ zaubert mit größter Wahrscheinlichkeit ein Lächeln in jedes
       Gesicht.
       
       Aber auch von Gästen und Passagieren sollte man erwarten dürfen, dass sie
       sich einer gewissen verbalen Höflichkeit befleißigen , auch wenn etwa bei
       nagendem Hunger Gleichmut schwer fällt. Doch ein „Wenn ich noch lange auf
       mein Essen warte, nehme ich den Laden auseinander“, ist Rumfuchteln mit dem
       plumpen Säbel. Vielversprechender ist der Griff zum verbalen Florett: „Nur
       eine baldige Speisezufuhr, mein Lieber, kann jetzt noch verhindern, dass
       sich Ihnen die archaischen Seiten meines Charakters enthüllen.“
       
       Und um wie viel hilfreicher wirkt statt eines harschen „Sie Trottel von
       Kellner erwarten doch nicht etwa ein Trinkgeld?“ ein pädagogisch
       wohldurchdachtes: „Es wird Sie freuen, zu hören, dass ich heute davon
       absehe, Sie mit pekuniären Zuwendungen irgendeiner Art zu irritieren, da
       ich in der Ausgestaltung Ihrer beruflichen Performance durchaus noch Luft
       nach oben erkenne.“
       
       24 Dec 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Franz Lerchenmüller
       
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