# taz.de -- Kolumne Jung und dumm: Auslieferung verweigert
       
       > Ganz Deutschland steht in Wäschereien, um Pakete abzuholen.
       > Onlinebestellungen nerven. Außer natürlich Essensbestellungen.
       
 (IMG) Bild: Bestellen geht auf Amazon ganz leicht – das Paket entgegenzunehmen ist dagegen ein echter Akt
       
       Es gibt Geschickte und Gesandte; aber wenn man schon bei der Bestellung
       scheitert, wird es auch mit der Versendung schwierig. Das hat Amazon
       immerhin ganz gut geschafft, die praktischen Funktionierhürden für
       Tastenkaufdrücken im Internet so weit zu senken, dass an Hochtagen bald
       ganz Deutschland in schwiemeligen Wäschereien und zweideutigen
       Nageldesignstudios steht, um übergelaufene Paketquader abzuholen (weil man
       ja sonst erst ewig in den Laden gehen müsste, Ärger, Scherereien … Sie
       wissen schon).
       
       Nun leben wir in einer Zeit, in der, unter anderem solcher Komforts wegen,
       eine Bundesministerin den gesammelten Hass aller Leute bekommt, nicht wenn
       sie wieder einmal den inzwischen leichtsinnigerweise totgeglaubten
       Heile-Familien-Kinderhandel neu beleben will (Mama, Papa, Retourenrabatt),
       sondern sie, wiewohl falsch, sich so verstehen lässt, als bereite diese
       ständige Liefer- und Bestellbereitschaft, diese unsichtbare
       Totalversiegelung aller Landschaft ihr Unbehagen; das tut es
       selbstverständlich nicht.
       
       Mir aber schon.
       
       Als ich aufwuchs, war S-Bahn-Surfen noch eine Straftat. Nun ist es
       staatlich erwünscht. Wenn die flächendeckende Supervernetzung in wenigen
       Jahren auch im Land der Faxstuben vollendet sein wird, gibt es selbst im
       Stillstand endlich nirgendwo mehr Ruhe.
       
       ## Überall Bildschirme
       
       Das ist schön, denn dann weiß man schließlich stets, was man schlecht
       finden kann an der Welt. Und wenn der Blick nirgendwohin gleiten kann, ohne
       auf einen Bildschirm zu treffen – wie falsch ist es, auf ihn
       draufzuschauen, ihn zu benutzen? Gar nicht. Eben.
       
       Bestellen wir also, weil wir hungrig sind und überdies erstaunlich immobil,
       etwas zu essen. Kaum etwas nervt ja so sehr wie der alltägliche Kreislauf
       des Nährens und Verzehrens, Kochens, Kaufens und Rührens; Essen bestellen
       ist der göttliche Aufschub in dürftiger Zeit. Essen bestellen ist außerdem
       der Vorzeigetummelplatz für multimediale Gesellschaftssysteme des 21.
       Jahrhunderts, und als solcher umkämpft. Und als solcher versumpft.
       
       Es könnte so schön sein, es scheint ja auch so. Glatte Oberflächen tragen
       über Auswählklippen, alles nahtlos, ohne Unterbrechung. Doch nachdem man
       sich halbe Stunden lang endlich absendefertig gekämpft, alle Daten
       verschenkt und sich dabei selbst zum Konsumenten gebrandet hat, folgt die
       große Enttäuschung: Mit Geld kann man hier nicht zahlen, nirgendwo, nur mit
       bedrucktem Plastik.
       
       Wenn ich nicht wüsste, dass sich auch dieser letzten aller Demütigungen der
       Großteil meiner Altersgenossen reglos-willig fügt, die immerhin
       gespenstische, aber doch betastbare Realität einem noch smootheren
       Schwachsinn unterwirft, dann würde ich drohen: mit Rache, mit Blut. So
       bleibt mir nur die Erschöpfung. (Und, für die ganz Verwegenen, der Hinweis
       auf ein Abenteuer: online Gerichte beim Restaurant der Wahl aussuchen, dort
       anrufen, und Wort für Wort die Wahrheit sprechen.)
       
       3 Jan 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Adrian Schulz
       
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