# taz.de -- Schlachthof-Skandale in Niedersachsen: Tierschützer gegen Selbstkontrolle
       
       > Die Staatsanwaltschaft ermittelt noch gegen drei Schlachthöfe und
       > Veterinäre in Niedersachsen. Den Grünen geht das nicht schnell genug.
       
 (IMG) Bild: Helfen betriebseigene Kameras in Schlachthöfen? Tierschützer haben Zweifel
       
       HANNOVER taz | Es sind mehrere Hundert Stunden Videomaterial, die die
       Staatsanwaltschaft Oldenburg und das niedersächsische Landesamt für
       Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (Laves) auswerten müssen.
       Darauf ist zu sehen, wie Mitarbeiter und Zulieferer in drei
       niedersächsischen Schlachthöfen in Bad Iburg, Oldenburg und Laatzen
       Schweine und Rinder quälen.
       
       Die Tiere werden an Ketten aus Transportern gezogen oder mit
       Elektroschockern traktiert. Sie zucken an den Haken, weil sie offenbar
       nicht ausreichend betäubt wurden. Im Oktober und November vergangenen
       Jahres veröffentlichten die Organisationen Soko Tierschutz und das Deutsche
       Tierschutzbüro Teile der Videoaufnahmen – und übergaben die Daten den
       Behörden.
       
       Marco Hartrich vom niedersächsischen Justizministerium informierte gestern
       im Rechtsausschuss über den Stand der Ermittlungen. Derzeit überprüfe die
       Zentralstelle für Landwirtschaftssachen der Staatsanwaltschaft Oldenburg im
       Fall Bad Iburg die Kennzeichen von Transportfahrzeugen. Denn diese brachten
       ausgemergelte Kühe in den Schlachthof, die so schwach waren, dass sie
       selbst keinen Schritt mehr machen konnten.
       
       Ansonsten haben die Durchsuchung des Schlachthofes in Bad Iburg am 10.
       Oktober 2018 und die Auswertung der Videoaufnahmen noch nicht zu konkreten
       Ergebnissen geführt. Der Landkreis Osnabrück hatte den Betrieb sperren
       lassen. Er ist bis heute dicht. „Bislang ist hier nicht bekannt, ob es
       Interessenten gibt für eine Übernahme der Liegenschaft, um dort künftig
       wieder einen neuen Schlachthof zu eröffnen“, sagt Landkreissprecher Henning
       Müller-Detert.
       
       ## Ermittlungen gegen Veterinäre
       
       Weil Veterinäre die Tierquälerei nicht verhinderten, hat der Landkreis
       interne Konsequenzen gezogen: „Das in dem Schlachthof in Bad Iburg
       eingesetzte Personal wird nicht mehr in der Schlachttier- und
       Fleischuntersuchung eingesetzt“, sagt Müller-Detert. Zudem gebe es
       Schulungen zum Handeln bei Tierschutzverstößen, mehr Personal und vermehrte
       Kontrollen.
       
       Im Oldenburger Fall ermittelt die Staatsanwaltschaft nach einer Anzeige des
       Deutschen Tierschutzbüros ebenfalls gegen „drei namentlich nicht benannte
       Veterinäre“ sowie gegen den Geschäftsführer der Betreibergesellschaft, sagt
       Thorsten Stein, der Sprecher der Staatsanwaltschaft Oldenburg.
       
       Laut Deutschem Tierschutzbüro ist auf den heimlichen Aufnahmen zu sehen,
       dass das Personal des Veterinäramtes „die Verstöße geschehen lässt oder
       sogar selbst Hand anlegt“. Die Tierschützer verliehen den Veterinären aus
       Oldenburg daher den Titel „schlechtestes Veterinäramt im Jahr 2018“.
       
       Auch hier ist ein Ende der Ermittlungen noch nicht absehbar. Der Fall
       Oldenburg umfasse 1.500 Videos, sagt Hartrich vom Justizministerium. „Stand
       4. Januar sind 488 ausgewertet.“
       
       Die Landtagsabgeordnete Miriam Staudte von den Grünen ärgert das: „Die
       Sichtung hätte schon abgeschlossen sein müssen.“ Ihre Fraktion fordere eine
       Beschleunigung des Verfahrens und eine Aufstockung des Personals, das die
       Videos sichtet. „Ich habe die Befürchtung, dass die Verantwortlichen
       größtenteils ungeschoren davon kommen könnten.“
       
       Zudem müsse die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen ausweiten. Es sei
       nicht nur die Frage, ob Veterinäre in den Schlachthöfen bei
       Tierschutzvergehen weggesehen hätten, sondern auch, ob sie schon bei den
       landwirtschaftlichen Betrieben beteiligt gewesen seien, in denen die
       Milchkühe illegal in so schlechtem Zustand verladen wurden, sagt Staudte.
       
       Die langsame Auswertung der Videoaufnahmen zeige aber eines: Eine
       verpflichtende Videoüberwachung an Schlachthöfen, wie sie die
       niedersächsische Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast (CDU)
       vorschlägt, sei nicht praktikabel. „Zumindest, wenn nicht gleichzeitig mehr
       Personal eingestellt wird, das das Material auch sichtet“, findet Staudte.
       
       ## Kameras sind kein Allheilmittel
       
       Ministerin Otte-Kinast will eine Bundesratsinitiative starten und
       Kameraüberwachung in den Bereichen der Anlieferung, des Zutriebes, der
       Betäubung und der Schlachtung in Schlachthöfen verpflichtend machen. Das
       Bildmaterial soll auch zuständigen Überwachungsbehörden zur Verfügung
       gestellt werden. Zudem soll es stärkere Kontrollen in Schlachthöfen geben.
       „Transportieren, Betäuben und Töten der Tiere sowie die Arbeitsbedingungen
       der Mitarbeiter gehören auf den Prüfstand“, hatte Otte-Kinast gesagt.
       
       Während der Schlachthof in Bad Iburg geschlossen bleibt, gibt es in
       Oldenburg neue Pläne. Die Goldschmaus-Gruppe hat kürzlich bekannt gegeben,
       dass sie das Gebäude 2019 übernehmen und „umfangreiche bauliche und
       technische Modernisierungen vornehmen“ will, heißt es in einer Mitteilung
       des Unternehmens, das vorher Kunde in dem in die Kritik geratenen
       Schlachthof war, die Zusammenarbeit aber ruhen ließ, als die Tierquälereien
       öffentlich wurden. Das Tierschutzkonzept soll auch die von Otte-Kinast
       geforderten Videokameras beinhalten.
       
       Dass die kein Allheilmittel sind, hat der Fall in Laatzen gezeigt. Im
       dortigen Schlachthof gab es Videokameras. Trotzdem zeigten die vom
       Deutschen Tierschutzbüro veröffentlichten heimlichen Aufnahmen, wie
       Mitarbeiter Schweine bis zu 40 Mal mit Elektroschockern bearbeiten, während
       diese in einem engen Treibgang keine Möglichkeit zum Ausweichen hatten.
       
       Nachdem in Laatzen zunächst große Kunden abgesprungen waren und sich das
       Unternehmen von einem Subunternehmer getrennt hat, geht der Betrieb dort
       weiter.
       
       Friedrich Mülln von der Soko Tierschutz hält die Videoüberwachung vor
       diesem Hintergrund für „völlig sinnlos“. Nur wenn das Material für
       Tierschützer öffentlich zugänglich wäre, hätte es einen Effekt. Das aber
       sei wegen des Datenschutzes nicht möglich. Dass Veterinäre Zugriff auf die
       Videos hätten, bringe hingegen nichts. „Die versagen ja schon, wenn sie
       direkt daneben stehen“, spottet Mülln. Wenn sich das System nicht
       verändere, sei es jedoch „nur eine Frage der Zeit, bis es den nächsten
       Schlachthofskandal gibt“.
       
       17 Jan 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andrea Maestro
       
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