# taz.de -- Luxemburg-Liebknecht-Demo: Die Demo als Familientreffen
       
       > Erich Bartels und sein Sohn Wanja W. treffen sich jährlich auf der Demo
       > für Rosa und Karl – und freuen sich, dass immer jüngere Leute teilnehmen.
       
 (IMG) Bild: „Vorwärts und nicht vergessen“: Auch bei Regen zogen am 13. Januar 2019 wieder Tausende in Gedenken an Karl und Rosa durch Berlin
       
       Wenn Erich Bartels, der stellvertretende Landesvorsitzende der DKP
       Mecklenburg-Vorpommern, und sein Sohn Wanja W. aus Duisburg (der seinen
       Namen in der Zeitung nicht lesen möchte), vor der eindrücklichen Kulisse
       der Karl-Marx-Allee am Frankfurter Tor nebeneinander stehen und in die
       Kamera grinsen: Da sehen die beiden fast ein wenig aus wie eine jüngere
       Ausgabe des Älteren und umgekehrt.
       
       Es ist wieder Liebknecht-Luxemburg-Demonstration in Berlin, diesmal jährt
       sich der Todestag der am 15. Januar 1919 ermordeten revolutionären
       Sozialisten Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht zum 100. Mal. Auch wenn
       Micha Bartels, die Frau von Erich Bartels, aus gesundheitlichen Gründen
       ausnahmsweise nicht mitlaufen kann – auch wenn es erbärmlich nass ist an
       diesem Sonntagvormittag: Bei Erich Bartels, seinem Sohn und dessen Frau
       Shabnam Shariatpanahi, die etwas weiter vorn mitläuft, herrscht
       Hochstimmung. Für sie ist die Liebknecht-Luxemburg-Demo ein
       Familientreffen, ein Höhepunkt des Jahres.
       
       Die Demo setzt sich in Bewegung. Sowohl Wanja W. als auch Shabnam
       Shariatpanahi tragen eine rote Fahne mit DKP-Aufdruck, nicht weit hinter
       der Familie tönen die üblichen Lieder aus den Lautsprechern, aber das
       hindert die drei nicht daran, mit viel Enthusiasmus zu erklären, wie es zu
       ihrer Gesinnung kam – und was sie seit Längerem – im Fall von Erich seit 28
       Jahren – um diesen Dreh nach Berlin verschlägt. Vater wie Sohn sind im
       Alter von 17 Jahren in die DKP eingetreten und opfern einen Großteil ihrer
       Freizeit der politischen Arbeit. Shabnam Shariatpanahi kam im Alter von 12
       Jahren aus dem Iran nach Deutschland, begann bald sich zu engagieren und
       kandidierte 2017 bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen für die DKP.
       
       Man muss mit Erich Bartels anfangen, wenn man die Geschichte dieser Familie
       verstehen will. Geboren 1952 ist er als Kind von Bauern in einem kleinen
       westfälischen Dorf aufgewachsen. Als Teenager gründete er auf der
       Hauptschule mit einem Kumpel eine Schülerzeitung und begann, beim
       Republikanischen Club in Osnabrück mitzumachen. Nach dem Eintritt in die
       DKP war er „vor allem beeindruckt von den alten Genossen“, lächelt er.
       
       ## Schon immer „DDR-bezogen
       
       Eigentlich hat Bartels in der Pflege gearbeitet, genau wie seine Frau –
       genau wie später alle fünf Kinder, wie er stolz berichtet. Dann bekam er
       einen Job im Arbeitsamt. In den Neunzigern zog die Familie nach Stralsund,
       kaufte eine Villa, die fast in sich zusammenfiel, und sanierte sich langsam
       durch. Das machte nicht nur Sinn, weil sich dort jeden Sommer die Kinder
       und Enkel treffen, sondern auch weil die Familie immer sehr „DDR-bezogen“
       war, wie Bartels sagt. „Es war der erste Versuch und der größte Erfolg aus
       unserer Perspektive, unser Verhältnis zur DDR ist nach wie vor
       ungebrochen“, fügt er an. Und dann räumt er lässig ein, dass er vor 1989
       manchmal auch zu unkritisch gewesen sei.
       
       Immer wieder muss Bartels links und rechts Hände schütteln. Auch wenn die
       Demo seinem Geschmack nach größer sein könnte, freut er sich, dass die
       Leute hier im Laufe der Jahre immer jünger geworden sind und schon
       altersmäßig nicht mehr viel Bezug haben können zur DDR. Auch wenn es die
       DKP eines Tages nicht mehr geben mag: Die Ideen des Kommunismus, davon ist
       er überzeugt, werden wieder virulenter.
       
       Es ist leicht, mit Erich Bartels und Wanja W. ins Gespräch zu kommen – und
       im Gespräch zu bleiben. Die Dinge, die sie über gesellschaftliche Schichten
       sagen, die heute immer weniger miteinander zu tun haben, und über die Angst
       vieler vor einer bunten Gesellschaft vor allem dort, wo es gar nicht so
       bunt ist: Sie haben Hand und Fuß.
       
       ## Rote Nelken, Flugblätter – und Linsensuppe
       
       „Ich fand es als Kind total doof, so zu sein, wie wir waren“, beginnt
       endlich Wanja W. zu erzählen. Seine Fahne hat er längst an einen der
       zahlreichen Bekannten abgegeben, auch er trifft hier Hinz und Kunz. Die
       Demo schreitet schnell voran, wir sind schon auf halber Strecke zum
       Endpunkt, der Gedenkstätte der Sozialisten auf dem Zentralfriedhof
       Friedrichsfelde. „Wir galten als völlig skurril in unserem Dorf“, sagt
       Wanja W. „Irgendwann fing ich aber an, mit Erich zu diskutieren“, sagt er,
       „und da kam ich dann mit so oberflächlichen Erkenntnissen, dass Anarchismus
       viel cooler ist als Kommunismus, nicht weiter.“
       
       Wanja W. begann sich dafür zu interessieren, warum unsere Gesellschaft ist,
       wie sie ist, erfuhr aber auch viel über die Geschichte des Kommunismus. Bei
       der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend organisierte er
       Zeitzeugengespräche mit kommunistischen Widerstandskämpfern wie Emil
       Carlebach und Peter Gingold. Bis heute verbringt er zwei Abende pro Woche
       mit Politik, wirkt aber ganz anders, als man sich einen Kommunisten heute
       vorstellen mag. Man kann sich mit ihm ebenso entspannt über
       Umweltzerstörung und Abrüstung unterhalten wie über Punkmusik und seinen
       Job in der Psychiatrie.
       
       Inzwischen sind wir auf dem Zentralfriedhof gelandet, die Menschen legen
       rote Nelken ab, verteilen Flugblätter, essen Linsensuppe. „Ich sehe schon
       die Folklore“, sagt Erich Bartels am Ende, als es schon zurück nach Hause
       geht . „Aber das ist nun mal meine Heimat.“
       
       13 Jan 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Susanne Messmer
       
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