# taz.de -- G20-Fahndung im rechtsfreien Raum: Klage gegen Datenschutz
       
       > Hamburgs Innenbehörde klagt gegen den Datenschutzbeauftragten. Der will
       > die Datenbanken löschen, aus denen sich G20-Fahndungserfolge speisen.
       
 (IMG) Bild: Was passiert mit den Bildern der Kamera in der Mitte? „Massencornern“ am Neuen Pferdemarkt
       
       HAMBURG taz | Nun geht der Streit zwischen Innenbehörde und
       Datenschutzbeauftragtem um den Einsatz der biometrischen Gesichtserkennung
       durch die Polizei endgültig vor Gericht.
       
       Knapp einen Monat nachdem der Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar am 18.
       Dezember die Löschung der im Rahmen der G20-Ermittlungen aufgebauten
       „biometrischen Referenzdatenbank“ angeordnet hat, hat die Innenbehörde am
       Dienstag Klage gegen die Anordnung vor dem Oberverwaltungsgericht
       einreicht. Sie geht davon aus, dass diese „rechtswidrig ergangen“ sei.
       
       Die Klage hat aufschiebende Wirkung gegen Caspars Anordnung, die Daten
       bleiben bis zum Urteil ungelöscht. Innenbehörden-Sprecher Frank Reschreiter
       kündigte gegenüber der taz an, sie „weiter einzusetzen“.
       
       Was es für die Rechtspraxis bedeutet, sollte das Gericht Caspar am Ende
       Recht geben, ist unabsehbar. In vielen G20-Verfahren gegen mutmaßlich
       militante DemonstrantInnen spielen die durch die Software „Videmo 360“
       gewonnenen Daten für die Identifizierung der Tatverdächtigen eine
       wesentliche Rolle.
       
       ## Was, wenn G20-Urteile auf rechtswidrigen Beweisen beruhen?
       
       Innensenator Andy Grote (SPD) betont immer wieder, ohne Videmo 360 hätte es
       bei der Fahndung nach G20-Straftätern kaum Ermittlungserfolge gegeben. Aber
       sollten Anklage und Verurteilung von Tatverdächtigen auf rechtswidrig
       erworbenen Beweismitteln beruhen, haben die Gerichte und auch Grote ein
       Problem – viele Verfahren müssten möglicherweise neu aufgerollt werden.
       „Das müssen dann im Einzelfall die Richter entscheiden“, sagt Reschreiter.
       
       Welchen weitreichenden Einfluss die umstrittene Software auf die
       G20-Strafverfahren hat, lässt sich beim Prozess gegen fünf Angeklagte
       erkennen, die an dem Aufmarsch durch die Elbchaussee teilgenommen haben
       sollen, aus dem heraus zahlreiche Straftaten begangen wurden.
       
       Von vier der Angeklagten hat die Polizei dank Videmo 360 ein mehrtägiges,
       fast lückenloses Bewegungsprofil von ihrer Ankunft in Hamburg bis zu ihrer
       Abreise erstellt. Wer die Ermittlungsakten liest, erkennt sofort: „Big
       Brother is watching you“ – und das rund um die Uhr. Ohne Einsatz der
       Identifizierungs-Software wäre es der Staatsanwaltschaft vermutlich
       unmöglich gewesen, eine Anklageerhebung zu erreichen.
       
       ## „Nie da gewesene Kontrollmacht“
       
       Caspar, der erst seit Kurzem die Kompetenz hat, den Einsatz von
       datenschutzrechtlich bedenklichen Instrumenten zu untersagen, hatte
       moniert, dass die Software solche Bewegungsprofile von Tatverdächtigen aber
       eben auch von völlig unbeteiligten Personen erstelle. Vermutlich seien
       „Hunderttausende“ davon betroffen, die entstehende biometrische Datenbank
       bedeute „eine nie da gewesene Kontrollmacht für staatliche Stellen, die im
       Besitz von Bildern sind“. Dafür gebe es keine Rechtsgrundlage.
       
       „Wir haben die Nutzung datenschutzrechtlich intensiv geprüft und sehen den
       Einsatz von einschlägigen Rechtsgutachten gedeckt“, hält Reschreiter
       dagegen. Der FDP reicht das nicht: Sie fordert am heutigen Mittwoch in der
       Bürgerschaft vom Senat eine „Bundesratsinitiative für die Schaffung einer
       spezifischen Rechtsgrundlage zur Nutzung von Gesichtsanalysesoftware durch
       die Strafverfolgungsbehörden“. Ohne diese, so die Liberalen, agiere die
       Polizei im rechtsfreien Raum und die Grundrechte der Betroffenen seien
       nicht definiert und damit nicht existent.
       
       15 Jan 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Marco Carini
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Andy Grote
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