# taz.de -- Handball-WM und die Deutschen: Schlandball, Schlandball über alles!
       
       > Handball-WM in Deutschland: Wenn Kartoffeln ausrasten und sich selbst
       > fürs Hutbürgern nicht zu schade sind. Ein Spielverderber-ABC.
       
 (IMG) Bild: Selfie-Rot-Gold: Uwe Gensheimer und einige Hutbürger
       
       Alternative für Fußball (AfF): [1][Goldene Steaks à la Ribery] kommen bei
       den Handballern nicht auf den Teller. Bob Hanning, der Vize-Präsident des
       Deutschen Handball-Bundes, hat kurz vor der WM das volksnahe Programm der
       AfF vorgestellt. Sein Versace-Sweatshirt mit goldenen Verzierungen und
       Leopardenmotiv, das er tags darauf trug, diente auch lediglich einem
       handfesten Zweck: Druck von der Mannschaft nehmen.
       
       Bommes, Alexander: [2][Nach deutschen Siegen] lächelt kaum einer
       glückseliger als der ehemalige Handball-Bundesligaspieler und heutige
       ARD-Handballjournalist. Zudem ist er ein bekennender Liebhaber der
       deutschen Nationalmannschaft, wofür er von dieser zurückgeliebt wird.
       Kumpelgespräche nach jeder Partie im öffentlich-rechtlichen Fernsehen.
       Näher kommt man an keine Sportart ran (▶ AfF ).
       
       Chemie: [3][Bei der Fußball-Weltmeisterschaft] im vergangenen Sommer fiel
       die Amoniak-Schnüffelei beim russischen Team unter die Rubrik
       Dopinggerüchte. Als Beleg des deutschen Ideenreichtums wird dies derzeit
       bei den deutschen Handballern verhandelt. Macht wach und ist nicht
       verboten. Echt pfiffig, die Jungs.
       
       Darts: Die deutschen Handballer lieben noch einen anderen großen Sport. Die
       Dartscheibe im WM-Quartier, so hört man, wird häufig ins Visier genommen.
       Zielen ohne Zerren und Ziehen, das ist fast so gut wie die Alternative zum
       Fußball.
       
       Einkommen: Die Sport-Bild hat die Tage enthüllt, dass selbst dieser
       Tischtennis-Heini Dimitrij Ovcharov und der Volleyball-Sonderling Georg
       Grozer mehr verdienen als Deutschlands größte Handball-Ikone Uwe (▶)
       Gensheimer. Ganz zu schweigen vom jüngsten und ärmsten Nationalspieler
       Franz Semper, der mit 10.000 Euro im Monat über die Runden kommen muss.
       Auch das stellt Volksnähe her.
       
       Fairplay: Das ist im Handball ein Fremdwort. Die Spieler raufen und bohren
       im Zweifel schon mal einen Finger ins Nasenloch des Gegners. Die Fans
       pfeifen, wenn die Gegner der Deutschen den Platz betreten und können es
       kaum an sich halten, wenn die Hymne des Gastes erklingt. So viel Hass ist
       selten.
       
       Gensheimer, Uwe ist ein deutscher Handballspieler, einer der besten. Er
       spielt in Frankreich bei Paris Saint Germain. Auf Linksaußen könnte er zum
       deutschen Star der WM werden. Ein anderer Starkandidat ist Keeper Andreas
       Wolff. Den kennen viele, weil er schon einmal Losfee für den DFB-Pokal
       spielen durfte.
       
       Heimvorteil: Der WM-Gastgeber kommt mindestens ins Halbfinale – egal, wo
       das Turnier stattfindet. Siehe Tunesien 2005 und Katar 2017. Der
       Veranstalter kann den Spielplan so gestalten, dass die Heimmannschaft mehr
       spielfreie Tage hat als die Gegner. Den Rest erledigen die (▶) Referees und
       die (▶) Klatschpappe.
       
       IHF: Die internationale Handball Föderation hat alles, was einen modernen
       Sportverband ausmacht. Er gebiert sich philantropisch und hat einen
       Präsidenten, der schon des Öfteren unter schwerem Korruptionsverdacht
       stand. Verbandspräsident Hassan Moustafa kassiert üppige Beraterhonorare
       für nichts und schaut schon mal weg, wenn Schiedsrichter auf absurde Weise
       eine Gurkentruppe (Kuwait) zu Olympia pfeifen. Der Handball muss sich hier
       gewiss nicht vor dem Fußball verstecken.
       
       Jungs: [4][Vor drei Jahren] firmierte das deutsche Team bei der
       erfolgreichen EM in Polen noch unter dem Label „bad boys“. Klang irgendwie
       nach Rockband. Nach der Katastrophen-EM letztes Jahr in Kroatien musste man
       sich neu erfinden. Allenthalben wird nur noch von den „Jungs“ gesprochen.
       Klingt irgendwie bodenständig.
       
       Klatschpappe: Der gefaltete Karton, mit dem sich so schön rhythmisch Krach
       machen lässt, macht die WM zum lautesten Musikantenstadl, seit es Karl Moik
       nicht mehr gibt.
       
       Liedgut: Nach jedem Tor, in jeder Auszeit, in jeder noch so kleinen Pause
       schallt das pure Grauen durch die Hallen. Unbestrittener Tophit: „Ladi,
       Ladi, Ladi, Ladiooooh“, der Song, mit dem ein Mann namens Peter Wackel zu
       einer wahren Ballermannberühmtheit geworden ist.
       
       Meinungsfreiheit: Die Handball-WM wird von einer gesellschaftlichen Debatte
       begleitet. Dürfen Sportler sagen, was sie denken oder riskieren sie am Ende
       gar den Verlust eines Sponsorenvertrags. Deutschlands Handball-Ikone Stefan
       Kretzschmar sieht in diesem Zusammenhang [5][die Meinungsfreiheit bedroht].
       Schlimm.
       
       Nationalhymne: Zu Beginn jeden Spiels erfreuen sich die Fans in den
       sozialen Medien, dass die Deutschen alle so schön und fast alle inbrünstig
       die Hymne mitsingen. Da muss Deutschland doch Weltmeister werden.
       
       Olympia: Weil das deutsche Team sicher bei dieser WM zwischen Platz zwei
       und sieben landen wird, darf man an den Qualifikationsturnieren für die
       Olympischen Spiele in Tokio 2020 teilnehmen. Und weil Deutschland seinen
       riesigen Handballhunger entdeckt hat, ist die Bewerbung für die
       Gastgeberrolle dabei schon fast auf dem Weg.
       
       Patriotismus: Comeback [6][of the Hutbürger]. Wer dachte, der
       schwarz-rot-goldene Sonnenhut sei als Fanartikel nach diesem Sommer des
       Nationalismus ein wenig verbraucht, hat sich getäuscht.
       
       Quote: Gegen Kroatien erzielten die Handballer die Rekordmarke von 10,02
       Millionen Zuschauern an den Fernsehschirmen. DHB-Vize Hanning träumt
       derweil vom totalen Triumph: „Wenn wir einen Marktanteil von 30 Prozent
       haben, dann frage ich mich immer – was machen die anderen 70 Prozent?“
       
       Referees: Mit denen gibt es immer Ärger. Das hat Hassan Moustafa, der
       Präsident der (▶) IHF, zu Beginn des Turniers schon festgestellt. In kaum
       einer anderen Sportart haben die Schiedsrichter so viel Einfluss auf das
       Spiel. Wann ist ein Foul ein Foul? Das weiß keiner. Im Zweifel pfeifen die
       Schiris die Heimmannschaft zum Sieg. Bei der WM 2007 ist Deutschland so auf
       absurde Weise Weltmeister geworden.
       
       Sportpalast: Das deutsche Publikum wird auf derart aggressive Weise vom
       Hallensprecher aufgepeitscht, [7][dass finstere Assoziationen naheliegen].
       
       Taktik: Natürlich gibt es Systeme. Aber wen interessiert schon, wann das
       Team von einer 6-0-Verteidigung auf 3-2-1 umstellt? Hauptsache die (▶)
       Jungs kämpfen und siegen. Von Handball versteht eh keiner etwas.
       
       Überwachung: Der verpflichtende Lauschangriff bei den Auszeiten lässt uns
       TV-Zuschauer ganz nah an das deutsche Team rücken. Wir bekommen genau mit,
       was Böhmi, Fabi, Pauli und Kohli machen müssen, damit Gense am Ende den
       Ball bekommt. Bei so viel Vertrautheit vermehrt sich die Handball-Familie
       im Nu.
       
       Volkssport: Handball ist der Sport für wahre Kartoffeln. Er hat in
       Deutschland [8][kaum Migrationshintergrund].
       
       Weltsport: Fußball wird überall gespielt, Basketball fast überall geliebt.
       Spitzenvolleyvball gibt es in Asien, Amerika und Europa. Beim Handball ist
       das anders: Alle bisherigen Weltmeister [9][kommen aus Europa].
       
       X-Box: Handball auf der Konsole? Gibt’s. „Handball 17“ ist für 12,99 Euro
       bei Saturn zu haben. Es soll Menschen geben, die das spielen.
       
       Young Shin Cho: Mithilfe des südkoreanischen Trainers schrieb der Handball
       in Deutschland Weltpolitik. Der Coach dirigierte [10][ein vereintes
       koreanisches Team] und nahm sich dabei offenbar die deutsche Vereinigung
       zum Vorbild. Den vier Nordkoreanern wies er Statistenrollen im stärkeren
       südkoreanischen Tross zu.
       
       ZDF: Das Zweite Deutsche Fernsehen hat fast keine Kosten gescheut, um das
       WM-Finale am Sonntag um 17.30 Uhr live aus Herning (Dänemark) zu
       übertragen. Wir sind schließlich Handball. Für einen ganz besonderen Fall
       wies das ZDF allerdings auf eine mögliche Programmänderung hin. Sollte das
       Team von Christian Prokop nicht ins Endspiel kommen, beschränkt sich das
       ZDF auf das Spiel um den Dritten Platz. Wir sind schließlich Deutschland.
       
       24 Jan 2019
       
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