# taz.de -- Berlinale-Film „Temblores“: Kein Zutritt für Schwule
       
       > „Temblores“ erzählt die Geschichte von Pablo, der sich in Guatemala City
       > in einen anderen Mann verliebt und dessen Familie ihn daraufhin ächtet.
       
 (IMG) Bild: Still aus „Temblores“ von Jayro Bustamante
       
       Pablo ist in Francisco verliebt. Doch die beiden in Guatemala City lebenden
       Männer trennen Welten. Während Francisco seiner Arbeit als Masseur nachgeht
       und in den subkulturellen Nischen der Stadt seine Homosexualität offen
       lebt, löst Pablos Bekenntnis zu der Beziehung in seinem sozialen Umfeld ein
       privates Beben aus. Besonders seine Familie aus der Oberschicht gedenkt
       nicht, die Abweichung des Sohnes und Bruders zu akzeptieren. Als gläubige
       Mitglieder einer evangelikalen Sekte sind sie in rigiden Moralvorstellungen
       gefangen und bangen um ihr öffentliches Ansehen.
       
       In dem Spielfilm „Temblores“ (Tremors) verfolgt der in Guatemala geborene
       Regisseur Jayro Bustamante den zögerlichen Ausbruch seines Protagonisten
       aus einem Leben voll gesellschaftlicher Konventionen und zeichnet
       gleichzeitig das beklemmende Porträt einer mächtigen reaktionären Klasse in
       dem mittelamerikanischen Land. Dort regiert seit 2016 der
       rechtskonservative Präsident und bekennende Evangelikale Jimmy Morales,
       der gegen homosexuelle Partnerschaften agitiert.
       
       ## Konträre Lebenswirklichkeiten
       
       Bustamante ist auf der Berlinale kein Unbekannter. Sein Spielfilm
       „Ixcanul“, den er mit Laienschauspielern aus einer Maya-Gemeinde
       realisierte, erhielt im Wettbewerb der 65. Berlinale 2015 den Silbernen
       Bären. Maria Telón, eine der Hauptdarstellerinnen in dem prämierten Film,
       ist auch in der neuen Produktion als das von Loyalitätskonflikten geplagte
       indigene Kindermädchen Rosa zu sehen.
       
       „Temblores“ erzählt von konträren Lebenswirklichkeiten im städtischen
       Guatemala, für die der 1977 geborene Filmemacher zurückhaltende, aber
       deutliche Bilder findet. Für Pablo werden sein Begehren und das damit
       verbundene Verlassen seiner durch Tore und Regeln gesicherten Existenz zur
       Zerreißprobe.
       
       In einer der ersten Einstellungen trifft Pablos Großfamilie in einem mit
       schweren Vorhängen ausstaffierten Salon zur Krisensitzung zusammen.
       Ungeduldig bittet der Vater den erwachsenen Sohn, die bekannt gewordene
       homosexuelle Beziehung abzustreiten und die Ehe mit Isa fortzusetzen. „Du
       willst mir doch nicht sagen, dass du nicht lügen kannst.“
       
       Doch der bärtige Mann mit dem zurückgekämmten Haar, der Maßanzüge trägt,
       verlässt seine attraktive Frau aus gutem Hause, die zwei wohlerzogenen
       Kinder und das von Dienstboten versorgte Anwesen. Er zieht zu Francisco, um
       mit dem Geliebten in dessen engem, provisorischen Apartment im
       Stadtzentrum zu leben.
       
       ## Homosexualität als Krankheit
       
       Die Reaktion auf sein leidenschaftliches Handeln lässt nicht lange auf sich
       warten und trifft den Mann, der gewohnt ist, anderen Anweisungen zu geben,
       völlig unvorbereitet. Der Sportklub der Familie verwehrt ihm den Zutritt.
       Der Kontakt zu Lucia und Juampi, seinen beiden Kindern, wird ihm untersagt.
       Für seine Arbeitgeber wird er als Berater untragbar. „Wir sind nicht in
       Luxemburg. Pablo, das wird nicht einfach“, kommentiert Francisco Pablos
       Klage über die gesellschaftliche Realität lapidar.
       
       Trotzdem hat er keine Vorstellungen davon, wie stark der Geliebte nach wie
       vor unter dem Einfluss seiner Angehörigen und von deren
       Glaubensgemeinschaft steht, die Homosexualität als Krankheit, Heimsuchung
       und Sünde bekämpfen. Ihr religiöser Feldzug geschieht mit einem ganzen
       Repertoire durchaus neuzeitlicher Strategien. Pablo zurückzuholen bedeutet
       für sie gewissermaßen auch, die alte Ordnung zu verteidigen.
       
       11 Feb 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Eva-Christina Meier
       
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