# taz.de -- Kolumne Lost in Trans*lation: Schreiben und überleben
       
       > In Deutschland gibt es nicht nur geflüchtete Akademiker*innen. Es gibt
       > auch trans Journalist*innen, die ums Überleben im Exil kämpfen.
       
 (IMG) Bild: Freiheit für alle Journalisten in Haft: Demo in Berlin
       
       Vor einigen Tagen hat der [1][Tagesspiegel] einen Artikel über die
       [2][Akademiker*innen für den Frieden] in Berlin veröffentlicht, die
       gezwungen waren, die Türkei zu verlassen. In dem Artikel stand, dass die
       Wissenschaftler*innen unzufrieden mit den prekären Arbeitsbedingungen
       seien: Obwohl sie seit ungefähr drei Jahren an deutschen Universitäten
       arbeiten, sind die Akademiker*innen deswegen mit einer Pressemitteilung
       über ihre Zukunftssorgen an die Öffentlichkeit gegangen.
       
       Es gibt auch Journalist*innen, die aus ähnlichen Gründen aus der Türkei
       nach Deutschland gekommen sind. Wie steht es um sie? Während viele
       Akademiker*innen ein Stipendium erhielten, haben die meisten
       Journalist*innen eine solche Chance nicht bekommen. Besonders, wenn Sie
       eine trans Journalistin sind, ist es nahezu unmöglich, von
       Chancengleichheit und gleichen Arbeitsbedingungen zu sprechen.
       
       Obwohl ich seit ungefähr eineinhalb Jahren in Deutschland lebe, konnte ich
       keine finanzielle Unterstützung für einen Sprachkurs finden. Wenn Sie
       außerdem nicht in einer politischen Bewegung, Partei oder Organisation sind
       und unabhängigen Journalismus machen wollen, haben Sie es schwer. Niemand
       setzt sich für Sie ein, Sie bekommen keine krankenversicherte Stelle in den
       Redaktionen und sind prekären Arbeitsbedingungen ausgesetzt.
       
       Davon abgesehen sieht es leider nicht so aus, als ob sich die in der
       türkischen Journalismusbranche tief verankerte toxische Männlichkeit mit
       dem Umzug nach Deutschland ändern wird. Meine Kolleg*innen, die in Europa
       mit Vertrag und Versicherung in türkischsprachigen Medien arbeiten, sind
       nahezu alle cis Männer und cis Frauen. Aber sind wir nicht alle wegen der
       Repressionen des totalitären Systems geflohen?
       
       ## Das größte Gefängnis der Welt
       
       Ein armenischer queerer Journalist, der in der Türkei bei der inzwischen
       geschlossenen oppositionellen Zeitung Taraf arbeitete, muss sich im
       Berliner Exil allein durchkämpfen. Vor ein paar Monaten fand in Berlin eine
       Veranstaltung zur Pressefreiheit in der Türkei statt. Die internationale
       Medienorganisation, die das Panel organisierte, lud einige Journalist*innen
       aus der Türkei ein.
       
       Doch Journalist*innen im Exil, die queer, armenisch, jüdisch sind oder zu
       einer anderen Gruppe gehören, die in der Türkei von Erdoğan ausgegrenzt
       wird, wurden nicht eingeladen. Es kann nicht sein, dass wir
       Journalist*innen mit diesen Identitäten die Kämpfe, die wir in der Türkei
       geführt haben, um in den Medien unseren Platz zu bekommen, nun hier noch
       einmal führen müssen.
       
       Niemand will seine Stadt, seine Karriere, seine Familie, Freund*innen,
       Geliebten zurücklassen und in einem anderen Land im Exil leben. Wir alle
       waren gezwungen, die Türkei, das weltweit größte Gefängnis für
       Journalist*innen, zu verlassen. Jetzt ist die Zeit, gemeinsam dafür
       einzustehen, dass wir alle die gleichen Arbeitsbedingungen bekommen. Und
       zuletzt: Es gibt trans Journalist*innen.
       
       24 Mar 2019
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.tagesspiegel.de/wissen/geflohene-tuerkische-wissenschaftler-akademiker-fuer-den-frieden-bitten-um-hilfe/24119728.html
 (DIR) [2] /!5581103/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Michelle Demishevich
       
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