# taz.de -- Kommentar Finales Urteil gegen Karadžić: Die Wahrheit anerkennen
       
       > Das verschärfte Urteil für Radovan Karadzic wird Serbien aufwühlen. Will
       > das Land in die EU, darf esnicht länger in Rechthaberei verharren.
       
 (IMG) Bild: Srebrenica-Gedenkstätte: Voraussetzung für Frieden wäre, Empathie für die Opfer zu zeigen
       
       Juristisch ist das Kapitel Karadžić mit dem Urteil „lebenslänglich“ des
       Nachfolgegerichts für das Tribunal in Den Haag abgeschlossen. Politisch
       aber noch lange nicht. Die Verschärfung des Urteils kommt den
       Opferverbänden entgegen – und sie wird die serbische Öffentlichkeit
       aufwühlen.
       
       Nicht nur auf dem Balkan fällt es den Nationen und Gesellschaften schwer,
       die dunklen Seiten der eigenen Geschichte anzuerkennen. Wie leicht ist es
       dagegen, die Verbrechen der anderen zu geißeln. Voraussetzung für stabilen
       Frieden wäre aber, die Verbrechen der eigenen Nation zuzugeben, die eigenen
       Dämonen aufzuarbeiten und Empathie für die Opfer der „anderen“ zu zeigen.
       
       Gerade auf dem Balkan, Ort all dieser Verbrechen während des Zweiten
       Weltkriegs und denen des letzten Krieges, kann nur dann eine Aussöhnung
       stattfinden, wenn in allen Staaten kritische Öffentlichkeiten die Finger in
       die eigenen Wunden legen.
       
       Wenn dagegen in kroatischen Kirchen Kerzen für Kriegsverbrecher entzündet
       werden oder Serben ihre Kriegsverbrecher als Opfer einer willkürlichen
       internationalen Justiz sehen und Leute wie [1][Mladić], Karadžić und andere
       als Helden verehren, werden die Gräben weiter vertieft.
       
       ## Geschichtsschreibung als Waffe
       
       Diese Art der Geschichtsschreibung ist zur Waffe geworden, die sogar in der
       Lage ist, neue Konflikte vorzubereiten. Die Justiz, auch die in Den Haag,
       ist langsam. Und sie ist auch nicht völlig davor gefeit, Einflüssen von
       außen zu unterliegen.
       
       Wenn jedoch nach Jahren der Verhandlung, der Anhörung von Hunderten von
       Zeugen, das Gericht endlich ein Urteil im Fall Karadžić fällt, das nach
       Ausschöpfung aller juristischen Mittel dem Urteil einer kritischen
       Öffentlichkeit standhalten kann, dann muss auch die serbische
       Öffentlichkeit die Wahrheit anerkennen.
       
       Wer wie Serbien in die EU strebt und damit die „europäischen Werte“
       akzeptieren will, kann nicht zugleich in völkisch-dumpfer Rechthaberei und
       Selbstlüge verharren. Die eigenen Dämonen müssen vor einem Eintritt in die
       EU gebannt werden – sonst liegt eine weitere Lunte an der europäischen
       Gemeinschaft.
       
       20 Mar 2019
       
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 (DIR) Erich Rathfelder
       
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