# taz.de -- Wisente in Deutschland: Wildrinder künftig weniger wild
       
       > Die Wisentherde in NRW wird eingezäunt. Für Artenschützer ist das eine
       > Übergangslösung. Andere hoffen, dass es dabei bleibt.
       
 (IMG) Bild: Die sich sonnende Wisentherde kurz nach Start des umstrittenen Auswilderungsprojektes 2014
       
       Die [1][wilden Wisente in Nordrhein-Westfalen] werden erst einmal
       eingezäunt. Das hat die Koordinierungsgruppe des Projekts aus Behörden,
       Waldbauern und Artenschützern am Mittwochabend auf einem Treffen in Siegen
       beschlossen. Demnach sollen die rund 20 Wisente mit gezielter Fütterung in
       ein 1.500 Hektar großes Gebiet gelockt werden, das mit einem Zaun umgeben
       wird. Dieser soll für Tierarten wie Hirsche oder Wildschweine durchlässig
       sein, für die bis zu 1,90 Meter großen Wildrinder aber nicht. [2][Seit 2013
       streifen sie im Rahmen eines Auswilderungsprojektes durch das
       Rothaargebirge]. Künftig sollen sie sich ausschließlich in NRW-Landeswald
       aufhalten.
       
       Der Kreis Siegen-Wittgenstein bezeichnet den Zaun als „Übergangslösung“ für
       die nächsten drei bis fünf Jahre, in denen das Land NRW ein
       wissenschaftliches Gutachten über das Freisetzungsprojekt erstellen lässt.
       Auf dessen Basis soll dann über die Zukunft der Wildrinder entschieden
       werden. An dem Treffen hatte extra NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser
       (CDU) teilgenommen, um mit ihrem Vorschlag den lange schwelenden Konflikt
       um die Wisente zu lösen. Er beschäftigt seit Jahren verschiedene Gerichte;
       derzeit laufen Verfahren am Verwaltungsgericht Arnsberg und am Karlsruher
       Bundesgerichtshof.
       
       Kern des Streits ist, ob die Wittgensteiner und Sauerländer Waldbauern es
       dulden müssen, dass freie Wisente ihre Buchenbestände anfressen. Zwar
       werden die Waldbesitzer insgesamt aus einem Fonds mit jährlich bis zu
       50.000 Euro entschädigt; doch „wir wollen dieses Geld nicht“, sagt Lucas
       von Fürstenberg von der Interessengemeinschaft „Pro Wald“ aus dem
       sauerländischen Schmallenberg. Die Entschädigungszahlungen berücksichtigen
       nicht die langfristigen Folgen, die die Tiere an den wertvollen Buchen
       hinterließen. Von Fürstenberg lobt den Vorschlag; wichtig sei, dass „die
       Tiere nun dauerhaft hinter dem Zaun bleiben und nicht nach den nächsten
       Landtagswahlen oder in zwei Jahren wieder rausdürfen“.
       
       Genau das Gegenteil verspricht sich der Trägerverein des Projektes. „Wir
       stimmen der Lösung zu, doch der Prozess muss ergebnisoffen bleiben“, sagt
       Michael Emmrich von der Wisent-Welt Wittgenstein. Erst in drei bis fünf
       Jahren müsse entschieden werden, ob die Tiere wieder freigelassen werden
       oder ob das Projekt beendet werde. „Langfristig wollen wir hier kein
       Gatterprojekt“, sagt Emmrich.
       
       Diana Pretzell, Leiterin Biodiversitätspolitik beim WWF, hält den Zaun
       zwar für misslich, zunächst einmal aber für sinnvoll, um die Lage zu
       beruhigen. „Aus Sicht der Tiere wird jetzt schnell eine größere Fläche
       nötig“, sagt Pretzell, „die gibt die Landschaft dort auch her.“ In der
       Wildnis benötige eine Wisentherde je nach Geländebeschaffenheit 5.000- bis
       7.000 Hektar Platz. Die Rinder in NRW müssten also zugefüttert werden.
       
       Besser als ein Zaun sei ein gutes Management der Herde, sagt die
       Artenschützerin. So zeigten Erfahrungen mit Wisenten in Polen, dass die
       Tiere mittels GPS-Sendern überwacht und notfalls durch Rufe oder
       Gummigeschosse vergrämt, also verscheucht werden könnten, wenn sie
       unerwünschte Gebiete betreten. „Natürlich können Wisente auch in
       Gefangenschaft leben“, sagt Pretzell, „aber das Ziel des Projekts war ein
       anderes.“ Zu zeigen, dass für die großen Wildtiere mitten in Deutschland
       Platz sein kann.
       
       29 Mar 2019
       
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