# taz.de -- SS-Verherrlichung in Berlin: Schaler Beigeschmack
       
       > Sollte man eine finnische Brauerei mit Bezug zu einem SS-Veteranenverein
       > boykottieren? Die Meinungen dazu gehen offenbar auseinander.
       
 (IMG) Bild: Auch Biertrinken kann politisch sein
       
       Bier trinken in der Brauerei „Bryggerie Helsinki“, deren finnischer
       Geschäftsführer gleichzeitig Vorsitzender eines SS-Veteranenvereins ist?
       Ja, warum denn eigentlich nicht – fanden einige Menschen im Publikum des
       Kiezladens Zusammenhalt in der Dunckerstraße, wo am Freitagabend eine
       Podiumsdiskussion zu dem auf den ersten Blick unwirklichen Thema finnische
       Gedenkpolitik unter dem Titel „SS-Verherrlichung und Geschichtspolitik in
       Finnland und Deutschland“ stattfand.
       
       Doch der Reihe nach: [1][Nachdem die taz berichtet hatte], dass Pekka
       Kääriäinen gleichzeitig die finnische Brauerei Bryggerie Helsinki in der
       Nähe des Helmholtzplatzes und einen geschichtsrevisionistischen
       SS-Veteranenverein führt, hatte das Berliner Bündnis gegen Rechts darüber
       im Kiez [2][mit Flyern informiert und zum Boykott aufgerufen]. Andere, auch
       finnische Medien griffen das Thema auf – das Bündnis gegen Rechts bekam
       sogar Anfragen aus Russland.
       
       Das Interesse an dem Thema ist auch so groß, weil derzeit in Finnland eine
       geschichtspolitische Auseinandersetzung um die Gedenkpolitik an die über
       1.400 finnischen Waffen-SS-Freiwilligen stattfindet. Sie kämpften im
       Zweiten Weltkrieg an der Ostfront für Nazi-Deutschland und beteiligten sich
       laut [3][einer Anfang Februar veröffentlichten Untersuchung] des
       Nationalarchivs auch an Kriegsverbrechen und Erschießungen.
       
       Jüngere Historiker*innen haben in kritischen Beiträgen mit älteren Legenden
       gebrochen – vergleichbar etwa mit dem Mythos der „sauberen Wehrmacht“ in
       Deutschland: Die finnischen SS-Freiwilligen waren demnach nicht so
       unschuldig, wie insbesondere ein finnischer Historiker, dessen
       Darstellungen in weiten Teilen denen der SS-Veteranenvereine ähnelte, immer
       behauptet hatte. Es habe sehr wohl Beteiligungen an Kriegsverbrechen
       gegeben, Erschießungen von Jüd*innen und Kriegsgefangenen.
       
       Den Boykott des Ladens, zu dem das Berliner Bündnis gegen Rechts aufgerufen
       hatte, hielten dennoch nicht wenige Besucher*innen der Podiumsdiskussion am
       Freitag für überzogen. Einer sagte: „Ich halte antifaschistische Arbeit ja
       für sehr wichtig, aber da seid ihr echt übers Ziel hinaus geschossen. Es
       gibt doch derzeit wirklich wichtigere Dinge als eine finnische Brauerei.“
       Ein Zweiter: „Ich war auch mal in dem Laden, das Bier war ein bisschen
       teuer, aber der Mann war sehr nett und wirkte überhaupt nicht wie ein Nazi,
       eher weltoffen und liberal.“ Eine Besucherin: „Die Vorwürfe gegen den Mann
       sind ja doch recht vage.“
       
       ## Stolz auf Papas Stahlhelm
       
       Richtig gut zugehört hatte Letztere offenbar nicht: In einem ausführlichen
       Vortrag hatte Cordelia Heß, Professorin für nordische Geschichte mit
       Schwerpunkt Antisemitismus, zuvor die finnische Gedenkpolitik dargestellt
       und warum SS-Veteranenvereine wie dieser selbstverständlich komplett
       revisionistisch seien. Die Vereine hätten ein großes Interesse daran,
       keinen Schmutz auf das Andenken der guten finnischen Waffen-SS-Männer
       kommen zu lassen, so Heß – zumal, wenn deren Websites voll von Hakenkreuzen
       und SS-Runen sind. Auch Brauerei-Geschäftsführer Kääriäinen hatte sich von
       einem finnischen Magazin stolz mit Papas Stahlhelm fotografieren lassen.
       Heß sprach von einer „Heroisierung bis Fetischisierung“ der SS-Veteranen.
       
       Und wem das noch nicht gereicht hatte, der bekam dann von Jussi Nuorteva,
       dem Direktor des finnischen Nationalarchivs, noch einmal bestätigt, dass
       finnischen SS-Männer sehr wahrscheinlich an Grausamkeiten beteiligt waren,
       allein der individuelle Nachweis sei schwierig. Nuorteva kritisierte die
       Veteranenorganisation allerdings weniger scharf als Heß und – das war ihm
       wohl sehr wichtig – hob auch hervor, dass insbesondere Kääriäinens Vater in
       seinem Tagebuch von Erschießungen mit Abneigung geschrieben hätte.
       
       Kääriäinen selbst ist inzwischen zurück gerudert: Hatte er am Anfang dem
       Bündnis gegen Rechts noch mit Anzeige gedroht, sagt er mittlerweile, es tue
       ihm leid, wenn er die Opfer durch sein Wirken in dem Verein beleidigt habe.
       Dass der SS-Veteranenverein apolitisch sei und nur der finanziellen
       Unterstützung von SS-Veteranen und ihrer Familien diene, darauf bestand er
       bis zuletzt. Dennoch kündigte er an, seinen Vorsitz im Verein niederzulegen
       und auszutreten.
       
       Für David Kiefer vom Bündnis gegen Rechts war das nicht ausreichend. „Es
       ist gut, dass er überhaupt reagiert und sich inzwischen distanziert, aber
       richtig glaubhaft ist das noch nicht vor dem Hintergrund, dass seine erste
       Reaktion eine Drohung war.“ Er jedenfalls und wohl auch viele der anderen
       Besucher*innen der Veranstaltung werden wohl so bald kein finnisches
       Craft-Beer trinken.
       
       24 Mar 2019
       
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