# taz.de -- Porträt des kubanischen Künstlers Kcho: Politik der offenen Tür
       
       > Die Skulpturen des Künstlers Kcho sind derzeit bei der 13. Havanna
       > Biennale zu sehen. Unser Autor hat ihn in seinem Studio besucht.
       
 (IMG) Bild: Breites Kreuz: Der kubanische Künstler Kcho
       
       Im Estudio Romerillo, der Wirkungsstätte des berühmten kubanischen
       Künstlers Kcho, steht eine Skulptur hinter dem Eingangstor. Aus einem
       runden Dutzend mit Rost überzogener Ruderboote hat Kcho einen großen
       Kreisel geformt. Seit dem 12. April ist diese Arbeit bei der 13. Biennale
       in Havanna zu sehen; insgesamt sind es 13 Skulpturen aus rostigem Stahl,
       die an verschiedenen Punkten der kubanischen Hauptstadt von ihm aufgestellt
       sind.
       
       Einige im Castillo del Morro, der alten Hafenfestung, wo die Biennale
       eröffnet wurde, andere an Straßenkreuzungen oder an der Uferpromenade
       Havannas, dem Malecón. „Sie sollen nicht im Museum verschwinden, sie sind
       ein Geschenk an die Kubaner und werden mich hoffentlich überdauern“, sagt
       er.
       
       Alexis Leyva Machado alias Kcho ist eine imposante Erscheinung. Der
       49-Jährige hat sich mit seinem Estudio Romerillo im Westen der kubanischen
       Hauptstadt im Stadtviertel Romerillo angesiedelt. Er hat dort eine große
       Halle errichtet, in der sich neben seinem Atelier und Werkstatt eine
       Bibliothek, ein kleines Theater sowie Seminarräume befinden. Dieses
       „Laboratorium für die Kunst“ steht der Nachbarschaft, aber auch Besuchern
       offen.
       
       Als er bei der vergangenen Biennale im Mai 2015 sein Atelier und
       Kulturzentrum eröffnete, sorgten vor allen zwei Dinge international für
       Schlagzeilen: die Visite von Fidel Castro, seinem 2016 verstorbenen Freund
       und Mentor, sowie die Tatsache, dass er mit dem Estudio Romerillo einen
       schnellen und kostenlosen Internetzugang anbieten konnte – in [1][Kuba]
       damals ungewöhnlich.
       
       ## „Migration prägt die Welt“
       
       In den folgenden Monaten saßen Menschen aus ganz Havanna in Kchos Estudio
       Romerillo und surften im Netz. Das ist heute Geschichte, es gibt
       mittlerweile ein 3G-Netz auf der Insel, welches das Surfen insgesamt
       erleichtert.
       
       Geblieben ist jedoch die Politik der offenen Tür. Kcho setzt auf
       Interaktion mit Nachbarn und Besuchern. Seine Arbeiten sind in einem Teil
       der langgezogenen Halle sowie einem Ausstellungspavillon gegenüber zu
       sehen. Etwa eine Pyramide aus Koffern oder eine aus Ziegelsteinen in Form
       von kleinen Ruderbooten gebaute Wand, die auf dem Gelände steht.
       
       Kcho beschäftigt sich seit den 1990er Jahren mit der Auswanderung über das
       Wasser, für Kuba ein prägendes Thema. „Meine Arbeiten werden auch in
       Mexiko, in Spanien oder Italien verstanden, Migration prägt die Welt“, sagt
       er. Und präsentiert im Atelier eine neue Arbeit: eine Christusfigur, die
       auf Ruderblättern montiert ist und erstmals bei der Biennale gezeigt wird.
       
       Die findet eigentlich alle drei Jahre statt. Doch aufgrund der massiven
       Schäden, die der [2][Hurrikan Irma] im September 2017 hinterließ, wurde sie
       um ein Jahr verschoben. In diesem Zeitraum sorgte ein Thema in Kuba für
       lebhafte Diskussionen in der Kunstszene: [3][das Gesetz 349]. Es bietet
       weitreichende Handhaben, Kunst zu regulieren und Künstlern, die nicht einer
       offiziellen Kunstorganisation angehören, Auftritte zu untersagen.
       
       ## Umstrittenes Gesetz
       
       Ein Vorgehen, dass bei Musikern wie Silvio Rodríguez, einem der
       Liedermacher der kubanischen Revolution, für Kritik sorgte. Aber auch bei
       Kcho. „Man kann Kunst nicht in eine Box stecken, Kunst braucht Freiraum“,
       sagt er. Seine Sätze haben Gewicht. Seine Installationen sind im New Yorker
       Museum of Modern Art oder im Kölner Museum Ludwig zu sehen. Kcho war aber
       auch Abgeordneter im kubanischen Parlament.
       
       Im Parlament wurde das Gesetz durchgewunken. Erst eine Kampagne
       unabhängiger Künstler*innen um Tania Bruguera hat die Kritik am Gesetz zum
       öffentlichen Thema gemacht. Seitdem wird in Kuba in der Szene über das
       Gesetz 349 heftig diskutiert. Und dies wird auch ein fortwährendes Thema
       bei der Kunstbiennale sein. „Wir brauchen die Auseinandersetzung über die
       Freiheit der Kunst,“ sagt auch der Dokumentarfilmer Michel Matos. „Das
       Gesetz erlaubt der Polizei ohne Grund, ein Kunstevent in meiner Wohnung zu
       unterbinden. Das ist Zensur“, kritisiert der Aktivist.
       
       ## Zensur oder nicht?
       
       Das sehen längst nicht alle Künstler auf der Insel so. Viele glauben, dass
       sich das Gesetz vor allem gegen die Reggaeton-Szene richtet. Und gegen
       Sexismus und mangelndes Niveau, wie die Verantwortlichen im
       Kulturministerium beteuern.
       
       Andere wie der Maler Abel Massot glauben, es gehe der Regierung vor allem
       daran, dass Künstler auch etwas zum Erhalt der Sozialsysteme beitragen
       sollen, indem sie etwa Steuern bezahlen. Doch das Instrumentarium, welches
       das Gesetz bietet, gehe zu weit, so Michel Matos: „Warum wird ein Musikstil
       verteufelt, der für die Jugend der Insel das Nonplusultra ist?“
       
       Widersprüche, die auf der Biennale ein unterschwelliges Thema sind. Auf die
       Querdenkerin Tania Bruguera, die mit ihren kritischen Performances in der
       Vergangenheit für Diskussion gesorgt hat, muss die Biennale hingegen
       verzichten.
       
       Nicht nur weil die Behörden Verwandte der Künstlerin zum Verhör einbestellt
       haben, sondern auch weil sie Zeitpunkt und Durchführung der Biennale wenige
       Wochen nach einem Tornado in Havanna kritisiert. Kollegen wie Kcho freuen
       sich hingegen auf die Kontroversen, die das bis Mitte Mai dauernde Event
       auf Kuba zweifellos auslösen wird. Da sage noch eine/r, die Kunst sei
       unpolitisch.
       
       30 Apr 2019
       
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