# taz.de -- Digitalkonferenz Republica in Berlin: Zehn Dinge, die wir gelernt haben
       
       > Die Republica ist das europaweit größte Treffen in Sachen Digitales. Wir
       > waren dabei und haben unsere Erkenntnisse aufgelistet.
       
 (IMG) Bild: Gemütlich entspannen in der Republica-Hängematte. Aber nicht ohne Handy!
       
       ## 1. Datenschutz geht ins Ohr
       
       Suchen Sie noch etwas zum Einschlafen? Wie wäre es mit der Komplettfassung
       der [1][Datenschutzgrundverordnung], eingelesen im englischen Original?
       Diese und andere Skurrilitäten, Fails und Diskussionen rund um die
       Verordnung, die auf Englisch GDPR heißt, stellten die Netzauskenner:innen
       Katharina Nocun und Lars Hohl vor – fast ein Jahr, nachdem die neuen Regeln
       wirksam geworden sind. Über Beschwerden von Handwerker:innen, dass Zimmer-
       und Raummaße unter die Datenschutzgrundverordnung fallen könnten, bis hin
       zur Frage, ob Kirchen weiterhin Livestreams von Predigten ins Netz stellen
       dürften.
       
       Natürlich steckte in dem ganzen Humor ein ernster Kern: dass nämlich viele
       Firmen, Vereine oder Institutionen nur deshalb so über- oder
       danebenreagierten, weil sie sich vorher nicht einen Deut um Datenschutz
       geschert hatten. Und die notwendigen Maßnahmen durchzudenken und dabei
       Sinnvolles von Quatsch zu unterscheiden, war dann natürlich in der Kürze
       der Zeit – immerhin waren es von der Verabschiedung bis zum Wirksamwerden
       nur über zwei Jahre – nicht mehr so richtig möglich. So und jetzt was zum
       Aufwachen: [2][der GDPR-Song]. Gesang und Ukulele. Auf die Melodie von
       YMCA. Sie werden Tage brauchen, das wieder loszuwerden.
       
       ## 2. Axel Voss traut sich was
       
       Er hätte ja nicht zusagen müssen, der [3][Chefverhandler der Konservativen]
       für die Urheberrechtsreform im EU-Parlament. Doch er hatte entschieden,
       sich einer Diskussion mit dem Netzpolitik.org-Gründer Markus Beckedahl zu
       stellen. Das ZDF stellt den Moderator und den Bühnenhintergrund, Voss und
       Beckedahl die beiden gegensätzlichen Pole der netzpolitischen Diskussion in
       den vergangenen Monaten.
       
       Eine halbe Stunde, Feuer frei. Sein Ziel, die #niemehrCDU-Klientel von der
       Großartigkeit der Reform zu überzeugen, dürfte Voss trotzdem verfehlt
       haben. Denn dass die Nutzer:innen von den neuen Regeln „gar keine
       Veränderungen“ (O-Ton) spüren würden, das konnte er nicht so richtig
       glaubwürdig rüberbringen. Trotz eines angestrengten Dauerlächelns.
       
       ## 3. Hängematten gehen besser als Liegestühle
       
       Jedenfalls waren die Hängematten in unmittelbarer Nachbarschaft der
       Hauptbühne praktisch immer komplett belegt. Mit Menschen, die sich
       ausruhten, auf Smartphones tippten oder schliefen. Bei den Liegestühlen
       dagegen, auf dem Hof in der Sonne, mit Blick in einen Minirest städtische
       Wildnis und die hier oberirdisch verlaufende U-Bahn, fand sich fast immer
       ein freier Platz. Ob ausreichend Bildschirmhelligkeit das Tageslicht
       kompensiert?
       
       ## 4. Wie mit Rechten umgehen? Wissen alle, aber keine:r tut es
       
       Man kann die verschiedenen Talks und Diskussionsrunden im diesjährigen
       Programm kaum zählen, in denen es darum geht, wie wir mit der Bedrohung von
       rechts umgehen soll. Doch alle Speaker:innen haben wertvolle Tipps.
       Journalist:innen sollten nicht über jedes Stöckchen springen. Nutzer:innen
       der Plattformen sollten sich nicht provozieren lassen, in dem sie auf den
       Hass der Rechten reagieren und ihnen damit mehr Reichweite verschaffen.
       Altbekanntes, wie man es auch schon auf der vorherigen re:publica hören
       konnte und auf der davor und der davor… Doch wenn es so einfach ist, wieso
       fangen wir dann nicht alle an, so zu handeln?
       
       ## 5. Google wächst, Happen für Happen
       
       Es war eine Frage, die sich durch viele Diskussionen hindurchzog: Wie lässt
       sich die Marktmacht von Amazon über Facebook (mit WhatsApp und Instagram)
       bis Google (mit YouTube, Android, AdSense und einigem mehr) begrenzen?
       Durch Alternativen mit offenen Schnittstellen? Genossenschaftlich
       organisierten Plattformen? Oder durch Zerschlagung? [4][Margrethe Vestager]
       jedenfalls, EU-Wettbewerbskommissarin, wies erst einmal auf Folgendes hin:
       In den vergangenen Jahren habe Google in Europa 175 bis 200 Firmen
       übernommen. Zu klein, um unter die Fusionskontrolle zu fallen. Aber: Auch
       mehr Masse macht mehr Macht.
       
       ## 6. Wir müssen den proprietären Toaster verhindern
       
       Den was? Den Toaster, der vom Hersteller so konfiguriert ist, dass er nur
       noch Toast einer bestimmten Marke toastet. Das Beispiel aus dem Vortrag des
       Science-Fiction-Autors Cory Doctorow klingt abwegig, ist es aber leider
       nicht. Denn mit dem [5][Internet der Dinge], das so ziemlich alles
       vernetzen soll, was mit Strom funktioniert, können Hersteller das Gleiche
       machen, wie wir es heute schon von Druckern kennen, die nur mit den einen
       ganz bestimmten Patronen eines Herstellers funktionieren. Nicht, weil das
       technisch so notwendig wäre. Sondern, weil die Hersteller es entsprechend
       programmieren, um ihre Einnahmen zu steigern. Das Gegenteil von proprietär
       ist übrigens Open Source.
       
       Und davon bräuchten wir viel mehr, nicht nur bei Toastern.
       
       ## 7. Der blaue Kapuzenpulli ist das It-Piece
       
       Wie auch im letzten Jahr gab es unter den Gästen ein Kleidungsstück immer
       wieder auf dem Gelände zu sehen. Ein blauer Kapuzenpulli mit gelben
       Sternen. EU als Modetrend – die Wahl steht ja aber auch kurz bevor.
       
       ## 8. Der Klimawandel betrifft auch Nerds
       
       Greta Thunberg war zwar nicht auf der Digitalkonferenz, dafür aber Luisa
       Neubauer von Fridays for Future – und Sascha Lobo. Jedes Jahr am Ende des
       ersten Tages der Konferenz hält Kolumnist und Interneterklärer Lobo eine
       einstündige Rede, darin geht es immer um die ganz großen Themen. Dieses
       Mal: „Realitätsschock.“ Er erzählte von einer diffusen Wut, die wir wohl
       alle in uns spüren. Neben Brexit oder Trump kommt er dann vor allem auf den
       [6][Klimawandel] zu sprechen. #Realitätsschock.
       
       Lobo ist nicht der Einzige, der auf der Digitalkonferenz vom Klima spricht.
       Es ging auch darum, wie der Klimawandel unsere Wirtschaft verändert und wie
       Wälder von der Digitalisierung profitieren können. Bundesumweltministerin
       Svenja Schulze war übrigens auch da – und Greta Thunberg am Ende dann
       irgendwie auch, endete Sascha Lobo seine Rede doch mit ihren Worten:
       „Aktivismus wirkt. Also handelt.“
       
       ## 9. Podcasts sind das neue Ding! Jetzt aber wirklich
       
       24 Veranstaltungen zu Podcasts waren im aktuellen Programm der re:publica
       aufgeführt. Manche wurden live aufgenommen, Deezer hat einen Podcastpreis
       verliehen, es gab Workshops, wie man in wenigen Stunden zum eigenen Podcast
       kommt, und Talks, [7][wie klassische Medienhäuser auf den Podcast-Boom
       reagieren] und eigene Audioformate entwickeln. Während in den USA die
       Podcast-Szene seit Jahren stetig wächst und mittlerweile Nachrichten von
       millionenschweren Investments und Übernahmen die Branche verändern, ist das
       Thema jetzt auch in Deutschland so richtig angekommen. Bei der re:publica
       jedenfalls standen Interessierte am Thema Podcast meist vor verschlossenen
       Türen, darauf ein Schild: „Over capacity“.
       
       ## 10. Wir haben das Internet nicht verstanden
       
       Wir dachten, für die Generation unserer Großeltern wird es schwer, sich mit
       den neuen technischen Errungenschaften anzufreunden: Computer,
       Smartphones, Internet. Für die jüngeren Generationen gehört das längst
       alles zum Alltag. Doch während die Digitalisierung immer schneller
       voranschreitet, kommen wir Nutzer:innen, die Politik und alle anderen nicht
       mehr hinterher. Flugtaxis, Algorithmen, künstliche Intelligenz. Wir alle
       treten munter in soziale Netzwerke ein, ohne die AGBs zu lesen, oder
       stellen uns sprachgesteuerte Assistenten in unsere Wohnungen, ohne zu
       wissen, was mit dem gesammelten Datenhaufen passiert.
       
       Sybille Krämer, Philosophieprofessorin an der Leuphana Universität in
       Lüneburg, fasste zusammen: „Hinter dem Screen entfaltet sich ein wuchernder
       Raum unzugänglicher Interaktionen von Protokollen, Algorithmen und
       Maschinen, welcher von denjenigen vor dem Screen selten einsehbar und erst
       recht nicht kontrollierbar ist.“ Zeit, dass wir anfangen uns die Zeit zu
       nehmen, das Internet zu verstehen und die Kontrolle zu gewinnen. Das passt
       auch zum Motto der Digitalkonferenz #tl;dr – too long, didn't read.
       
       9 May 2019
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /6-Monate-Datenschutzgrundverordnung/!5550482
 (DIR) [2] https://www.youtube.com/watch?v=6i5WuBbfhss
 (DIR) [3] /Kommentar-Anti-Uploadfilter-Aktivismus/!5579807
 (DIR) [4] /Moegliche-Juncker-Nachfolgerin-Vestager/!5579529
 (DIR) [5] /Quiz-Vernetzte-Alltagsgegenstaende/!5560929
 (DIR) [6] /Parlament-in-Grossbritannien/!5592267
 (DIR) [7] /Podcast/!p5171
       
       ## AUTOREN
       
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       ## TAGS
       
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