# taz.de -- Kolumne ESC in Tel Aviv #3: Bloß nicht politisch werden
       
       > ESC ist, wenn alle so tun, als habe man sich lieb, vor allem politisch.
       > Wie politisch wird es dieses Jahr auf der Bühne in Tel Aviv?
       
 (IMG) Bild: Bisher spricht nichts dagegen, dass der ESC in Tel Aviv ein Erfolg wird
       
       TEL AVIV taz | So ist die Regel beim Eurovision Song Contest:
       [1][Politische Statements sind unerwünscht], im krassesten Fall werden
       Künstler und Künstlerinnen auch disqualifiziert, wenn sie sich allzu
       explizit äußern. So wie vor einigen Jahren die georgische Band Stefane &
       3G, die nach Moskau mit dem Titel „We Don't Wanna Put In“ reisten.
       
       Augenzwinker, Augenzwinker: Man lese die beiden letzten Worte wie „Putin“,
       die ersten vier waren als Protest gegen russische Okkupationswünsche zu
       lesen. Weil das so offenkundig antiputinesk war, musste Georgien diesen
       Titel zurückziehen – das war einfach durch keine Begütigungsformel mehr zu
       tolerieren. ESC ist, wenn alle so tun, als habe man sich lieb, vor allem
       politisch.
       
       Das ist, natürlich, eine Lüge, so wie das meiste kulturelle Tun, das
       angeblich auf Verständigung und Brückenbau setzt, in Wahrheit aber auch nur
       Tools im politischen Gehege um Macht und Einfluss sind. Hier in Tel Aviv
       wird diese Peace-and-Understanding-Show diesen Sonntagabend aufgeführt, der
       offizielle Auftakt des ESC in Tel Aviv heißt „Opening Ceremony“, bei dem
       alle Delegationen der 41 teilnehmenden Länder über einen nicht roten,
       vielmehr orangenen Teppich laufen, als sei es Cannes oder die Berlinale.
       
       Jenseits der Zäune des Catwalk-Geländes stehen TV-Teams und interviewen die
       vorbei defilierenden Künstler*innen. Das ist gut für die heimatlichen
       TV-Sender, vor allem aber gut für die Organisation, die diesen
       Programmpunkt organisiert.
       
       Und das sind die israelischen Gastgeber*innen des ESC selbst mit
       finanzpolsternder Unterstützung der Marketingabteilungen der Stadt: [2][Man
       will sich schließlich proper zeigen], eine Bella Figura machen und nicht
       den Eindruck einer geizigen, gastgeberunfreundlichen Metropole machen.
       
       ## Dabeisein wichtiger als Gewinnen
       
       Der Bürgermeister wird selbstverständlich die Gäste aus dreieinhalb Dutzend
       Ländern empfangen, Celebrities, vielleicht auch Mitglieder der Regierung.
       So weit, so eurovisionär-üblich. Nur, dass die Leute aus Jerusalem – und
       sei es Benjamin Netanjahu – eher nicht so gern gesehen sind in Tel Aviv:
       Die wollten doch glatt das Event in der heiligen Stadt ausrichten, nicht im
       eher religionsfernen Tel Aviv.
       
       So oder so: Es spricht nichts dagegen, dass es ein Erfolg wird. Die Sonne
       scheint, es ist wolkenlos über Tel Aviv, die Temperaturen sind von
       angenehmer Frühsommerlichkeit. Es muss mit keinen Hitzekollapsen gerechnet
       werden.
       
       Auch in anderen ESC-Städten der vergangenen Jahren gab es
       Eröffnungsempfänge und immer dienten sie dazu, den ESC als
       olympisch-friedliche Angelegenheit zu zeigen: Man läuft gemeinsam zur
       Eröffnung ins Stadion und hält dem Ideal die Treue, wonach das Dabeisein
       wichtiger ist als das Gewinnen.
       
       Wobei sich der ESC in dieser Hinsicht verändert hat. Vor 20 Jahren, als man
       in Jerusalem, fern aller politischen Missklänge, ohne Dämonisierung Israels
       durch seltsame Musiker*innen, den ESC in Sichtweite der Knesset
       ausrichtete, gab es eine Eröffnungsgala für alle. Auch Journalist*innen und
       Fans und Publikum aus Israel konnten zugucken. Die Zeremonie als
       Open-Air-Event auf einem Plateau, was am Ende wie eine Cruising-Area mit
       schicken Getränken war: Ein Act der Lockerheit [3][mit Dana International
       in der Mitte].
       
       12 May 2019
       
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 (DIR) Jan Feddersen
       
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