# taz.de -- Kolumne Liebeserklärung: Kanzlerin zum Träumen
       
       > Angela Merkel wird bei einer Preisverleihung an der US-Universität
       > Harvard für Errungenschaften geehrt, die nicht unbedingt sie errungen
       > hat.
       
 (IMG) Bild: Merkel betonte in ihrer Rede auch, wie viel Schaden Mauern anrichten
       
       BERLIN taz | Unter einem YouTube-Video von Angela Merkels fulminanter Rede
       vor Harvard-Absolvent_innen am Donnerstag hat ein User seinem Frust
       Ausdruck verliehen: Sie sei eine Kanzlerin, wie sie sich jedes Land nur
       wünschen könne. Nur die Deutschen „jammern mal wieder unaufhörlich rum“.
       
       [1][Und, ja, mit ihrer Rede spricht sie vielen aus dem Herzen:] Nichts –
       nicht die Freiheit, nicht die Demokratie oder der Frieden – sei
       selbstverständlich, sagt sie. Und: „Alles ist möglich.“ Wir sollten uns ins
       Offene trauen und Dinge wagen, die vorher so noch nie getan wurden.
       
       Diese Forderung überzeugt vor allem deshalb, weil auch Merkel selbst sie
       offenbar beherzigt. Sie wolle „alles Menschenmögliche“ tun, um den
       Klimawandel zu stoppen. Ja, bitte! Das hat nun wirklich noch niemand getan.
       Schön, dass Merkel sich in ihrer letzten Amtszeit doch noch für den
       Kohleausstieg und die CO2-Steuer entschieden zu haben scheint.
       
       Sie wolle auch die Würde des Menschen in den Mittelpunkt stellen, statt ihn
       „nur als Kunden, Datenquelle oder Überwachungsobjekt zu betrachten“.
       Wunderbar! Schön zu hören, dass sie ihren Parteifreund Horst Seehofer
       endlich in die Schranken weisen wird, wenn der im Namen der gefühlten
       Sicherheit Polizei und Geheimdiensten immer früheren Zugriff auf immer mehr
       Daten erlauben will.
       
       ## Schön unsichtbar
       
       Merkel betont in ihrer Rede auch, wie viel Schaden Mauern anrichten –
       Mauern wie jene, die Merkels protektionistischer Widersacher so gerne an
       der Grenze zu Mexiko aufstellen will, oder wie jene, die ihr selbst
       jahrzehntelang den Weg nach Westberlin verwehrte. Gut, dass Deutschland
       heute keine steinernen Mauern mehr bauen muss, um unerwünschte Menschen
       draußen zu halten.
       
       Das Dublin-System, Frontex und das Fehlen legaler Fluchtwege reichen völlig
       – und sind dabei noch so schön unsichtbar. Wäre ja auch peinlich vor dem
       Rest der freien Welt, hier immer noch so einen hässlichen Eisernen Vorhang
       rumhängen zu haben.
       
       Ach so, und: Ganz ausdrücklich anschließen muss man sich dem Lob aus
       Harvard für Merkels Verdienste um den Mindestlohn [2][und die Ehe für
       alle.] Sie ist eben nicht nur eine Kanzlerin zum Träumen, sondern gilt nun
       offenbar auch als die glühendste Sozialdemokratin der letzten zehn Jahre.
       
       1 Jun 2019
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) Alicia Lindhoff
       
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