# taz.de -- Apple beerdigt iTunes: Ein i, sie zu knechten
       
       > Nach 18 Jahren beendet der Konzern den Usability-Alptraum iTunes. Um
       > Nutzer*innen geht es dabei aber nur am Rande.
       
 (IMG) Bild: Das, liebe Generation Youtube, ist ein klassischer iPod
       
       Alljährlich stellt Apple neue Erzeugnisse aus seiner Hard- und
       Sofwareentwicklung auf der Worldwide Developers Conference vor. Ein
       Ereignis, dass von Fans der Produktlinien und selbstredend Investor*innen
       aufmerksam beobachtet wird. Anfang Juni in San José lässt sich doch am
       besten prognostizieren, ob der Konzern die Trends der jeweils folgenden 12
       Monate selber setzt oder zumindest hinreichend gut erkennt, um gute
       Bilanzen zu erzielen.
       
       Ein neuer Mac Pro gehörte in diesem Jahr zum Programm, leistungsfähig und
       gewohnt hochpreisig. Allein der Standfuß des extra zu kaufenden Bildschirms
       ist erheblich teurer als ein typischer Laptop der Generation Prekariat. Ein
       neues Betriebssystem ist angekündigt, Apple Maps, das Konkurrenzprodukt zum
       weiterhin marktbeherrschenden Googlekartendienst wurde erweitert, dazu im
       Wettbewerb mit Facebook einen Logindienst und die Applewatch bekommt einen
       eigenen Taschenrechner. Jetzt nur keine Witze über Casio-Uhren aus den
       1980ern machen.
       
       Was aufhorchen lässt, ist die Mitteilung, dass iTunes nach gut 18 Jahre
       eingestellt wird. Die Funktionen dieses im Kern sadistisch imperialen
       Betriebsystems im Betriebssystem werden auf drei Applikationen aufgeteilt.
       Erste Screenshots lassen jedoch vermuten, dass die wild gewachsene
       Dysfunktionalität dieses legendären Usabilityalptraums jedoch erhalten
       bleibt.
       
       Dabei war die Idee am Anfang sogar ganz gut (wenn auch nicht neu): eine
       virtuelle Jukebox. Ein Programm zur Verwaltung der Musikbibliothek,
       Dateien, gespeichert auf den eigenen Endgeräten. An Streaming war da noch
       nicht zu denken. Eine ganze Generation wuchs auf mit der iTunes-Disco.
       Jener endlose Stapel einzelner Aufnahmen, die in liebevoller Handarbeit
       getaggt, sortiert und in Playlisten geschoben wurden, waren eine Art
       Spotify ohne Netz. CDs, deren Lebensdauer deutlich niedriger war, als ihre
       makellos spiegelnden Oberflächen ursprünglich versprachen, konnten bald
       relativ unkompliziert auf Rechner gezogen werden, und Schallplatten … nein,
       vergessen wir das.
       
       ## Absolute Kontrolle
       
       Die systematische Ordnerstruktur, das gewohnte Dateisystem der
       Desktoprechner war Apple derweil aber egal. Auch auf freie Nutzung der
       Medien pfiff die Firma. Musik aus dem Knast proprietärer Soft- und Hardware
       zu befreien, und auch für andere Geräte als den praktischen iPod zugänglich
       zu machen, war zwar nicht unmöglich, aber absichtlich erschwert. Apple
       wollte vielleicht nie die Welt beherrschen, die eigene Nische aber schon
       möglichst absolut kontrollieren.
       
       Diese Nische wurde größer. Mit dem iTunes-Store wurde 2003 ein neuer
       Vertriebsweg für Musik zunächst quasimonopolistisch etabliert, der
       letztlich sämtliche anderen legalen und illegalen Quellen für Musik
       überflügelte. Die Einführung des iPhones 2007 veränderte nicht nur den
       Telekommunikationsmarkt entscheidend. Jedes neue Modell verfestigte über
       mehrere Jahre den Trend zum Smartphone als Multifunktionsgerät, dessen
       Telefonfunktion von den Nutzer*innen zum netten Add-on degradiert wurde.
       Messages, Musik, Video, Terminplanung, Social Media, alles auf einem Gerät.
       
       Und der Marktavantgardist Apple verwaltete jede dieser Innovation aus
       iTunes heraus. Klare Linien, Übersichtlichkeit und intuitive Bedienbarkeit,
       Leitlinien der Produktentwicklung bei Apple und Rechtfertigung für im
       Branchenvergleich unverschämte Preise, schienen für iTunes schlicht nicht
       zu gelten. Der in den ersten Jahren bestehende Zwang, das iPhone aus iTunes
       heraus zu aktivieren, machte auch den Nutzer*innen von Windowsrechner den
       neu entdeckten imperialen Anspruch des Herstellers deutlich.
       
       ## Alles für die Börse
       
       Inzwischen sind die offensichtlichen Zwänge weniger geworden, selbst die
       Funktionalitäten von iTunes sind auf dem iPhone schon länger auf mehrere
       Apps verteilt. Insofern ist die Beerdigung dieses programmierten Irrsinns
       nur folgerichtig, hat aber eher weniger mit der ja schon seit vielen Jahren
       eher mediokren Nutzungserfahrung zu tun.
       
       Wie benutzbar die neuen Applikationen am Ende wirklich sind, werden dann
       die hilfesuchenden und am Apple-Support verzweifelten Nutzer*innen in den
       einschägigen Selbsthilfeforen berichten. Dort findet sich noch immer der
       lebendige Beleg dafür, dass Weltkonzerne Menschen zugewandt vor allem in
       deren Eigenschaft als potentielle Börsenanleger*innen agieren –
       [1][Usability] ist da zwar nicht hinderlich, aber gerade für
       Quasimonopolisten nicht zu jeder Zeit eine notwendige Bedingung.
       
       4 Jun 2019
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Kolumne-Nullen-und-Einsen/!5057437
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniél Kretschmar
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Apple
 (DIR) Kapitalismus
 (DIR) Telekommunikation
 (DIR) DSGVO
 (DIR) Lesestück Recherche und Reportage
 (DIR) Fairphone
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Ein Jahr DSGVO: Vorbild trotz Mängeln
       
       Am Samstag wird sie ein Jahr alt, die Datenschutz-Grundverordnung. Vor
       einem Jahr war der Aufschrei groß. Und nun? Eine Bilanz.
       
 (DIR) Digitalisierung in China: Ein Code für alle Fälle
       
       Ein Taxi bestellen, den Aufzug rufen, Strafzettel bezahlen: Wer in China
       lebt, kommt an der App WeChat nicht vorbei. Da wird selbst Facebook
       neidisch.
       
 (DIR) Zukunft des Öko-Handys ist unklar: Fairphone ausverkauft
       
       Es gibt zwar noch überholte Exemplare des Fairphones, doch die neuen sind
       ausverkauft. Wann das nächste Modell auf den Markt kommt, ist offen.