# taz.de -- DFB-Team vor dem Viertelfinale: Das Spiel ist nur nicht kreativ
       
       > Vor der Partie gegen Schweden wird diskutiert: Kann sich das Team noch
       > steigern? Waren die bisherigen Siege verdient? Wo ist die Spielmacherin?
       
 (IMG) Bild: Wie stark Deutschland ist, hängt auch von Dzsenifer Marozsan ab
       
       PARIS taz | So allmählich ist es ihnen genug mit der Demut. Die Versprechen
       auf spielerische Besserung werden von Spiel zu Spiel knapper, und nach
       [1][dem Sieg gegen Nigeria] reagierte Martina Voss-Tecklenburg recht
       verschnupft auf Kritik. „Uns fehlt eine der besten Spielerinnen der Welt“,
       sagte sie, „und da wird auch noch hinterfragt, warum dies oder das nicht
       richtig läuft.“ Nein, da darf man nicht so dreist kritisch hinterfragen.
       
       Die Reporterschaft ist ohnehin einheitlich uneins, die Analysen gehen oft
       bizarr diametral auseinander. Wie gut oder schlecht sind diese Deutschen
       nun? Ohne ernsthafte Gegnerinnen außer Spanien lässt sich das weiter kaum
       sagen. Die Ergebnisse stimmen, die Mentalität auch, eines fehlte der
       Mannschaft bisher sichtlich: die spielerische Kreativität. Ein Punkt, bei
       dem die Deutschen seit Jahren den eigenen Ansprüchen hinterherlaufen, und
       [2][neben Dzsenifer Marozsán] mangelt es an Weltklasse. Woher kommt das?
       
       Wie man das deutsche Team bei diesem Turnier bewertet, hängt auch davon ab,
       wo man startet. „Im Moment ist eigentlich nicht mehr drin“, sagt Philipp
       Eitzinger [3][vom Blog Ballverliebt]; seit 2011 analysiert er
       Frauenfußball. „Das kommt erst wieder, wenn eine Trainerin vier bis sechs
       Jahre lang ihre eigene Philosophie einführen konnte, die man von unten
       herauf durchzieht.“ Das Hin und Her der letzten Jahre, Neid, Jones,
       Hrubesch, jetzt MVT, zeugte von Konzeptlosigkeit, auch taktisch war es ein
       einziges Wechselspiel.
       
       Man wähnte sich an der Weltspitze und tat nicht mehr viel. Vom Spiel der
       Deutschen bei der WM ist Eitzinger jetzt „positiv überrascht“.
       Voss-Tecklenburg habe unter anderem die Defensive stabilisiert. Sie
       reagiere stark während des Spiels, nutze die Vielseitigkeit der
       Spielerinnen. „Sie bringt eine Flexibilität, die man vom DFB-Team nicht
       gewohnt ist.“ Und künftige Gegner könnten diesem deutschen Spiel eher
       liegen als mauernde Underdogs.
       
       Eitzingers Lob zielt auch auf Voss-Tecklenburgs Gespür für neue
       Spielerinnen. Marina Hegering debütierte unter ihr, ebenso Lena Oberdorf
       und Klara Bühl, [4][Giulia Gwinn machte einen Sprung nach vorn]; die Jungen
       bringen Schwung. Sind die spielerischen Probleme also nur Altlasten?
       
       Die Deutschen hatten tatsächlich wenig Zeit, sich einzuspielen; allerdings
       treten im Spielaufbau immer wieder dieselben Schwierigkeiten auf.
       „Voss-Tecklenburgs Fußball ist im Grunde seines Herzens reaktiv“, sagt auch
       Eitzinger. „Aber das reicht im Moment, weil es kaum Teams gibt, die nicht
       reaktiv spielen.“ Reicht es auch für die eigenen Ansprüche?
       
       ## Der Tanker muss auch mal bremsen
       
       Der Kader ist eher stark in der Breite als in der Spitze. Bernd Schröder,
       mit kurzer Unterbrechung vierzig Jahre lang Trainer bei Turbine Potsdam,
       sagt: „Es fehlen ein, zwei Leute, die überragen. Sie spielen dasselbe
       durchschaubare Muster. Und ich warne davor, alles nur an Marozsán
       auszurichten.“ Auch Schröder ist mit dem Auftritt der Deutschen sehr
       zufrieden. „Die Leistung war gut“, sagt er. „Für ganz oben müssen wir noch
       viel arbeiten.“ Es sind ähnliche Aspekte, bei denen er sich Verbesserungen
       wünscht: „Uns fehlt eine kreative Gestalterin. Alle marschieren, aber es
       fehlt teilweise die Übersicht.“
       
       Schröder vermisst auch Führungsspielerinnen. Und ein wenig erinnert das an
       die Männer beim vergangenen WM-Turnier. Die Frauen haben in ihrer Jugend
       großteils mit Jungs gespielt, sie sind Kinder derselben Trainingskonzepte.
       Solcher, die vielleicht zu sehr aufs brave Kollektiv ausgerichtet waren,
       die Überraschungsmomente, eins-gegen-eins und spielerische Entwicklungen in
       anderen Ländern vernachlässigten.
       
       Bei den Frauen, wo qualitative Unterschiede zwischen den Nationalteams
       wesentlich größer sind, hatte das weniger Folgen. Denn die anderen haben
       auch oft spielerische Probleme. Das viel kritisierte 1:0 gegen Spanien sah
       im Nachhinein mit jeder Minute besser aus, je länger man zuschaute, wie die
       USA gegen die Spanierinnen beinahe ausschieden. Nur wenige Glanzpunkte, bei
       den Deutschen noch weniger. Aber sie siegten.
       
       „Die Henne sind die Klubs, das Ei sind die Spielerinnen“, formuliert
       Schröder. Dass die deutschen Klubs in den vergangenen Jahren eher
       halbherzig in den Frauenfußball investierten, schlägt sich in fehlender
       Weltklasse nieder. Und damit in einer Abhängigkeit von Marozsán, die eher
       nicht der Typ ist, eine Mannschaft mitzureißen. Es geht jetzt darum, die
       vorhandenen Strukturen wieder besser zu nutzen. Schröder hält
       Voss-Tecklenburg für eine gute Wahl. Perspektivisch sieht er Talente
       nachkommen. „Sie haben schon gemerkt, dass sie hinten dran sind“, sagt er
       über den DFB. „Aber das ist ein großer Tanker. Wenn der bremst, läuft er
       erstmal ein bisschen weiter.“ Für die großen spielerischen Schritte kommt
       dieses Turnier vielleicht zu früh.
       
       29 Jun 2019
       
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