# taz.de -- Geplanter Karstadt-Neubau in Berlin: Abriss-Gegner organisieren sich
       
       > Das Karstadt-Gebäude am Hermannplatz soll abgerissen und neugebaut
       > werden. Doch bei einem Planungstreff der Anwohner formiert sich
       > Widerstand.
       
 (IMG) Bild: Grünes Licht für den Neubau? Anwohner wollen das unbedingt verhindern
       
       BERLIN taz | Auf dem Tisch einer Ferienvilla auf Ibiza stehen Wodka, Energy
       Drinks und Weißwein. Dazwischen weißes Pulver, Gläser und Zigaretten. „René
       Benko, der die ÖVP und uns zahlt …“, sagt ein Mann, Heinz-Christian
       Strache. Er ist zum Zeitpunkt der Aufnahme Vorsitzender der
       rechtspopulistischen Partei FPÖ aus Österreich. René Benko sei illegaler
       Spender seiner Partei, will er ausdrücken – was dieser dementiert. Benko
       gehört die Signa Holding, eine Immobilienfirma, die das [1][Karstadt am
       Berliner Hermannplatz] besitzt. Die Firma möchte das Gebäude abreißen und
       neu bauen.
       
       Am Samstag, Monate nach Erscheinen des Ibiza-Videos, sitzen 36 Menschen im
       Neuköllner Nachbarschaftstreff im Schillerkiez. Es gibt keinen Alkohol,
       keine Energy Drinks und kein Koks. Stattdessen stehen Karaffen mit Wasser,
       Kannen mit Kaffee und Tee sowie eine Spendenbox auf einem großen Tisch. Die
       Stühle rundherum sind knapp, mehrere Personen müssen im Türrahmen stehen.
       Zwölf Textmarker liegen bereit. Es soll gearbeitet werden, die Anwesenden
       möchten den Karstadt-Abriss unbedingt verhindern.
       
       Viele von ihnen sind bereits Mitglied in zivilgesellschaftlichen
       Initiativen, in der Kiezversammlung 44 etwa. Andere noch nicht, sie fühlen
       sich und vor allem ihren Kiez aber akut bedroht. „Es ist Wahnsinn, was
       gerade passiert. Das ist jetzt der letzte Warnschuss“, sagt eine junge Frau
       in der Vorstellungsrunde.
       
       Die Pläne für das neue Gebäude sehen eine Hommage an den ursprünglichen
       Karstadt-Tempel vor, der 1929 an derselben Stelle errichtet wurde.
       „Architektur ist nie ideologiefrei“ sagt dazu Niloufar Tajeri der taz. Sie
       ist Architektin, Anwohnerin und eine der Wortführerinnen beim
       Planungstreff. Tajeri findet es höchst problematisch, ein Gebäude zu
       errichten, das an einen monströsen Palast Nazi-Deutschlands erinnert. „Die
       Pläne haben nichts mit einer Erinnerung an die Goldenen Zwanziger zu tun.“
       
       ## Ein von den Nazis gern genutzter Ort
       
       Tatsächlich entließ das Warenhaus am Hermannplatz noch im Jahr 1933 nahezu
       alle jüdischen Mitarbeiter. 1936 wurde die Fassade des Gebäudes zur
       Großwerbefläche für die Olympischen Spiele. Und als sich das Ende des
       Zweiten Weltkriegs abzeichnete, sollte das Gebäude keinesfalls in die Hände
       der Roten Armee fallen – es wurde 1945 zerstört.
       
       Neben ideologischer Bedenken werden im Nachbarschaftstreff am Samstag
       weitere Argumente gegen den Neubau ausgetauscht: Ökologische Gesichtspunkte
       werden angesprochen, außerdem die Einschränkungen, die durch eine
       Großbaustelle am Hermannplatz entstehen würden. Und überhaupt: Kleingewerbe
       würde verdrängt, Kaufkraft flösse ab.
       
       „Wir zeigen Signa: Eure Strategie funktioniert in Berlin nicht“, ruft eine
       der Anwesenden. Erste Pläne werden geschmiedet: Eine große
       Unterschriftensammlung könne helfen, dann natürlich eine Kundgebung. Und
       eine Aktionswoche im Vorfeld der Kundgebung, um aktiv auf die Menschen im
       Viertel zuzugehen, sie auf all die negativen Aspekte hinzuweisen.
       
       Auf Benko und die Gerüchte um seine Parteispenden beispielsweise. „Es ist
       doch ein wichtiges Argument, zu zeigen, welcher Vogel uns hier ins Nest
       scheißen will“, ruft einer der Anwesenden. Ein Neubau, architektonisch an
       die NS-Zeit erinnernd, im migrantisch geprägten Viertel um den Hermannplatz
       – von dem finanziell vor allem René Benko profitieren würde. Das will sich
       hier niemand gefallen lassen.
       
       Anmerkung der Redaktion: Text wurde am 16.7. nachträglich geändert.
       
       14 Jul 2019
       
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